Blick in die Zukunft – wie geht es weiter, wie entwickelt sich unsere Gesellschaft? Entstehung einer Kultur des gesenkten Blicks
In einem Interview wird der Soziologe Hartmut Rosa Folgendes gefragt: „Sie haben einmal geschrieben: „Leben gelingt, wenn es in Resonanzbeziehungen gelebt werden kann.“ Zerstört die Digitalisierung mit der Omnipräsenz von Smartphones diese Möglichkeit? Hartmut Rosa, geb. 1965, gehört zu den renommiertesten Soziologen in Deutschland. Er ist Professor in Jena und Direktor des Max-Weber-Kollegs an der Universität Erfurt.
Hartmut Rosa antwortet: „Ich würde nicht sagen, dass sie dadurch immer zerstört wird. Das wäre zu einfach. Es gibt viele Kontexte, in denen Digitalisierung Resonanz auch ermöglicht. Zum Beispiel, wenn meine Kinder nach Australien gehen und dort studieren, kann ich mit ihnen über digitale Kommunikation weiterhin in einer Resonanzbeziehung sein. Oder es gibt Leute, die vielleicht einsam irgendwo auf dem Dorf leben und denken, sie seien die Einzigen, die an einer Krankheit leiden, und plötzlich stellen sie fest, da draußen gibt es andere Stimmen, die hören und verstehen sie. Dann haben sie eine Art von digitaler Resonanz. Das Problem ist allerdings, dass die Interaktion mit der Welt außerhalb des Smartphones sukzessiv verloren geht. Vorherrschend ist die Kultur des gesenkten Blicks, das permanente Streichen über eine konturlose Oberfläche. Wenn Bildschirm und Touchscreen zum Monokanal werden, durch den wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren, hat das natürlich großes Entfremdungspotenzial.“
Hartmut Rosas Antwort: „Man sieht sehr deutlich, wie Resonanzmöglichkeiten verloren gehen, weil wir in Bewegung ja nicht nur mit den Worten, sondern mit dem ganzen Körper sind. Wenn man zu zweit in einem Raum ist, hat man ein Bewusstsein leiblicher Präsenz. Man nimmt den Raum wahr, in dem man sich befindet, man sieht, riecht, hört. Das Bewusstsein, dass wir all das teilen, erschafft schon eine Art von Resonanzstruktur. Das geht digital verloren.“
Nachfrage: „Wenn alle nur noch in ihr Handy starren, verstummt die Resonanz. Eine wenig hoffnungsvolle Aussicht.“
Hartmut Rosas (vorläufiges) Fazit: „Ja, aber man muss sich vor Kulturpessimismus hüten und ehrlich zu sich sein: Wenn ich in der Steinzeit gelebt hätte, wäre ich wahrscheinlich gegen die Erfindung der Schrift gewesen. Denn sie verfälscht die reale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Aber Menschen sind unglaublich anpassungsfähig. Wir haben auch mit ziemlich guten Gründen gedacht, das Fernsehen sei schon das Ende der Kultur. Beim Buchdruck haben wir es auch gedacht. Und wir haben uns geirrt.“
Die TOP 13 meiner Empfehlungen auf der nächsten Seite: