Die Rolle der Schulen
Vor allem seit der Pandemie wird das Thema Digitalisierung an deutschen Schulen wieder verstärkt diskutiert. In der JIM-Studie 2023 geben 63 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren an, regelmäßig im Unterricht online zu sein. Dabei zeigt sich ein deutlicher Anstieg der digitalen Nutzung im Altersverlauf. So nutzen im Jahr 2023 83% der 18- bis 19-Jährigen das Internet regelmäßig bis täglich während des Unterrichts, aber nur 47% der 12- bis 13-Jährigen. Ob diese Nutzung digitaler Medien zu mehr Lernerfolg in der Schule führt, wird immer wieder diskutiert. Seit 2016 verfolgt die Kultusministerkonferenz (KMK) die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ und damit das Ziel, die Digitalisierung an Schulen bundesweit voranzutreiben. Claudia Bogedan, Präsidentin der KMK, sieht in digitalen Medien „ein großes Potenzial für die Gestaltung neuer Lehr- und Lernprozesse […], wenn man allein an die Möglichkeiten der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern denkt“. Vor allem die individuelle Förderung wird als klarer Vorteil gesehen. Das Niedersächsische Kultusministerium sieht darüber hinaus die Möglichkeit eines kreativen Zugangs zu Informationen und deren Verarbeitung. Darüber hinaus bieten sich vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation. Die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ umfasst verschiedene Kompetenzbereiche, wie unter anderem das Finden und Verarbeiten von Informationen, das Kommunizieren, das Produzieren, aber auch das Schützen vor Gefahren im Netz.
Die aktuelle Digitalisierungsstrategie in der Schule wird in den letzten Jahren jedoch auch zunehmend kritisiert. Ein wichtiger Kritikpunkt ist, dass die für den Lernerfolg wesentliche Pädagogik durch die Digitalisierung immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Laut Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, hat der Ersatz von Tafeln, Büchern und Stiften durch Smartboards, Computer und Tablets keinen nennenswerten positiven Einfluss, sondern kann sich sogar negativ auswirken. Er plädiert unter anderem für das Mitschreiben mit der Hand statt mit dem Computer, da dabei eine „stärkere Durchdringung und selektivere Aufnahme des Gehörten“ zu beobachten sei. Auch der Medienpädagoge Ralf Lankau stellt die Digitalisierung in der Schule in Frage. Er fordert vor allem einen altersgerechten Einsatz digitaler Medien in der Schule: „[J]e jünger die Kinder, desto sparsamer der Medieneinsatz, insbesondere bei technisierten Medien. Bildschirmmedien überfordern Kinder in den ersten Lebensjahren durch die Vielzahl der Reize. Sie haben in der pädagogischen Arbeit […] keinen Platz. Je länger Kinder ohne Bildschirmmedien aufwachsen, desto besser“. Wie Zierer betont auch Lankau, dass Studien keinen expliziten Lernerfolg durch digitale Technik belegen. Vielmehr bestehe die Gefahr einer Beeinträchtigung des Denkvermögens, des Sozialverhaltens sowie der Aufmerksamkeitsleistung. Ein weiterer Kritikpunkt ist zudem, dass vor allem die sozioökonomisch stärkeren Schulen von der Digitalisierung profitieren und damit die Chancenungleichheit verstärkt wird.
Im Zusammenhang mit der Kritik ist muss stutzig machen, dass Schweden, das Land, das lange Zeit als Vorreiter der Digitalisierung an Schulen galt, nun stark zurückrudert und wieder verstärkt auf analoge Unterrichtsmaterialien setzt. Laut der schwedischen Bildungsministerin soll vor allem die Lesekompetenz mit Hilfe von Büchern wieder gefördert werden. Auch Forschende des Karolinska-Instituts in Stockholm sprechen sich gegen einen übermäßigen Einsatz digitaler Technik im Unterricht aus. So sagt Torkel Klingberg: „Je nachdem, wie intensiv Schulen Computer nutzen, wirkt sich das auf die Mathematik- und Lesefähigkeiten aus. Je mehr eine Schule ihren Unterricht auf Internet und Computer stützt, desto schlechter sind die Leistungen der Kinder“. Ob Befürworter oder Kritiker der Digitalisierung in der Schule, in einem Punkt sind sich alle einig: Die Qualität des Unterrichts und die damit verbundenen Lernleistungen hängen letztlich von der Lehrkraft und ihren Kompetenzen ab. Daher ist eine spezifische Ausbildung in Medienkompetenz für den Einsatz digitaler Medien in der Schule unerlässlich.
Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie waren für Deutschland wieder katastrophal. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Bildungsversagen? Folgt aus der Bildungsdämmerung eine Kulturdämmerung?
Wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür – auch die großen Medienkonzerne? Dazu mehr auf der nächsten Seite: