Die Macht der Konzerne – zwischen Profit und Verantwortung
Wie bereits eingangs erläutert, neigen immer mehr Kinder und Jugendliche zu einem pathologischen Nutzungsverhalten, das pauschal auch als Mediensucht bezeichnet wird. Die Gründe für ein derartiges Konsumverhalten sind zwar multifaktoriell, jedoch tragen vor allem die großen Digitalkonzerne wie Meta, Google und Co. eine enorme Verantwortung. Denn digitale Medien aller Art sind bestrebt, Menschen an ihre Plattformen zu binden und möglichst lange dort zu halten. Dies erreichen sie vor allem durch einen sich ständig verbessernden Algorithmus sowie durch bestimmte Designelemente, die einen großen Einfluss auf das Belohnungssystem des menschlichen Gehirns haben. Der Algorithmus ist ein komplexes mathematisches System, das permanent die Nutzungsdaten der User sammelt und auswertet. Auf diese Weise „lernt“ der Algorithmus, welche Interessen jeder einzelne Nutzer hat.
Das führt dazu, dass man auf TikTok, Instagram, YouTube und Co. genau die Inhalte angezeigt bekommt, für die man sich interessiert. Viele Nutzer geraten so in das sogenannte „Rabbit Hole“. Damit ist das endlose Wischen auf digitalen Medien gemeint, also sich selbst im Internet zu verlieren. Insbesondere die Plattform TikTok wird von Experten in dieser Hinsicht als sehr gefährlich eingestuft, da der TikTok-Algorithmus sehr stark optimiert ist. Das geht so weit, dass die EU-Kommission 2023 eine Klage gegen den chinesischen Konzern wegen Verstößen gegen den Digital Services Act (DAS) eingereicht hat. Im Fokus des Verfahrens stehen unter anderem das erhöhte Suchtpotenzial durch den Algorithmus, aber auch mögliche Radikalisierungsprozesse durch bestimmte Inhalte, fehlende Altersverifikation bei Minderjährigen sowie mangelnde Transparenz beim Datenschutz. Der österreichische Journalist Armin Wolf, der sich einem Selbstversuch mit TikTok unterzogen hat, kommentiert: „TikTok ist die Hölle. Aber verdammt gut gemacht. […] wenn ich die TikTok-App einmal geöffnet habe, bekomme ich sie kaum wieder zu.“
Aber auch Meta-Plattformen wie Instagram und YouTube bergen aufgrund ihrer Algorithmen ähnliche Suchtgefahren. In einem Positionspapier des Rats für digitale Ökologie heißt es: „Insbesondere das Frontalhirn, das eine Schlüsselrolle bei der Impulskontrolle spielt, entwickelt sich bis weit in die Adoleszenz hinein. Das bedeutet, dass junge Menschen besonders anfällig für soziale Medien sein können, die auf das Belohnungssystem abzielen“. Die großen Digitalkonzerne scheinen die erhöhte Suchtgefahr für Kinder und Jugendliche weniger ernst zu nehmen. So reichten Meta und TikTok im Februar 2024 eine Gegenklage gegen die Europäische Kommission ein, da diese zuvor im Rahmen des DSA Regulierungsgebühren gefordert hatte.Neben der Suchtgefahr stehen die Digitalriesen auch wegen anderer Aspekte in der Kritik, da diese weitere Risiken für Kinder und Jugendliche bergen. Durch das Überangebot an Inhalten kommt es nicht selten vor, dass Kinder und Jugendliche mit nicht altersgerechten Inhalten konfrontiert werden. Dies können unter anderem sexuelle, gewalttätige oder auch problematische Inhalte zu Themen wie Essstörungen oder Alkoholmissbrauch sein.
Die meisten Plattformen haben zwar eine Mindestaltersgrenze von 13 Jahren (Whatsapp sogar von 16 Jahren), eine Altersverifikation findet jedoch nicht statt. Besonders kritisch werden Chatgruppen in Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Facebook-Messenger gesehen, da hier häufig verstörende Videos und Fotos verschickt werden, die von den Plattformen kaum kontrolliert werden. Experten raten Eltern daher dringend, sich selbst mit den von ihren Kindern konsumierten Inhalten und deren Altersangemessenheit auseinanderzusetzen, um ihre Kinder aufzuklären und zu schützen. Auf eine weitere Gefahr geht die Medienpädagogin Rebecca Wasinski in einem Interview mit dem WDR ein. Sie erklärt die Gefahr der sogenannten „TikTok Challenges“ folgendermaßen: „[Die] Likes steigern das Selbstwertgefühl, weil scheinbar den Leuten gefällt, was ich da gemacht und veröffentlicht habe. Und gegebenenfalls sehen das viele Leute. Der Gruppendruck spielt da eine Rolle, beliebt zu sein oder sich als mutig oder cool darzustellen.
Das sind Faktoren, die Jugendliche dazu bringen, an solchen Challenges teilzunehmen.“ TikTok ist nach eigenen Angaben bemüht, lebensgefährliche Mutproben zu verbannen und deren Inhalte zu sperren, doch bislang scheinen diese Sicherheitsmaßnahmen nicht allzu effektiv zu sein. So kam es im Jahr 2023 zu zwei Todesfällen von Jugendlichen in Deutschland im Rahmen einer „Deo-Einatmen-Challenge“.Insgesamt lässt sich festhalten, dass soziale Netzwerke für Kinder und Jugendliche in Bezug auf Suchtverhalten, aber auch gefährliche Inhalte als sehr riskant einzustufen sind. Die großen Konzerne scheinen jedoch den eigenen Profit über ihre Verantwortung zu stellen.
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