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HyperkorrekturDer Begriff Hyperkorrektur lässt sich als eine Überanpassung verstehen. Er setzt sich aus den Wortteilen „hyper“ und „Korrektur“ zusammen. Die Vorsilbe „hyper-“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „über“ oder „hervorragend“. Bei „Hyperkorrektur“ bezieht sich die Vorsilbe darauf, dass etwas übermäßig oder übertrieben ausgeführt wird. Das Wort „Korrektur“ wiederum leitet sich vom lateinischen „corrigere“ ab, was „berichtigen“ oder „verbessern“ bedeutet. Eine Korrektur wird durchgeführt, um Fehler oder Abweichungen zu beseitigen. Der Begriff Hyperkorrektur bezeichnet also ein übertriebenes Bemühen um sprachliche Korrektheit bzw. eine übertriebene Anwendung sprachlicher Regeln und Normen. Dies kann dazu führen, dass tatsächliche Fehler gemacht werden, weil fälschlicherweise angenommen wird, dass etwas korrigiert werden muss, obwohl es in Wirklichkeit korrekt ist. Dieses Phänomen tritt häufig auf, wenn eine Person versucht, eine Sprachvariante zu verwenden, die als höherwertig angesehen wird.

Günthner berichtet hierbei von folgender Begebenheit: Ein chinesischer Austauschstudent, der für seine Promotion nach Deutschland kommen würde, schrieb seiner künftigen Doktormutter eine E-Mail, in der er sehr deutlich seine Wünsche davon kommunizierte, wie er sich seine Ankunft und seinen Aufenthalt im Gastland vorstellte. Er sagte, wann er vom Flughafen abgeholt werden wolle, wie sein Büro eingerichtet sein solle und dass ihm eine passende Wohnung gesucht werden möge.

Überanpassung

Die E-Mail wirkt wie eine Anweisung oder Verordnung. Offenbar hatte der chinesische Gaststudent das, was den Deutschen stereotypisch als Deutlichkeit, Klarheit und Direktheit nachsagt wird, falsch interpretiert. Dies ist ein Beispiel für eine Überanpassung. Andersherum kann z. B. sehr vorsichtiges, extrem höfliches Verhalten von Deutschen in China als Hyperkorrektur verstanden werden, weil es aufgrund des nicht passenden Maßes für Befremden sorgt.

Unterschied zwischen Überanpassung und Hyperkorrektur

Hyperkorrektur und Überanpassung sind zwei sprachliche Phänomene, bei denen Menschen versuchen, ihre Sprache zu verbessern oder anzupassen. Der Unterschied liegt jedoch in der Motivation und im Ergebnis.

Hyperkorrektur tritt auf, wenn jemand bewusst oder unbewusst eine sprachliche Regel anwendet, obwohl sie in der Situation nicht angemessen ist. Dies geschieht häufig aus dem Wunsch heraus, besonders korrekt oder gebildet zu erscheinen. Beispiele hierfür sind der übermäßige Gebrauch von Fremdwörtern oder die Überbetonung der korrekten Aussprache. Überanpassung hingegen tritt auf, wenn jemand seine Sprache an die Person oder Gruppe anpasst, der er gegenübersteht. Dies kann geschehen, um eine bessere Beziehung aufzubauen oder um sich anzupassen, um akzeptiert oder respektiert zu werden. Überanpassung kann dazu führen, dass eine Person ihre eigene natürliche Sprachform verliert und versucht, sich der anderen Person anzupassen, indem sie deren Sprechweise, Wortschatz oder Akzent übernimmt.

Der Hauptunterschied besteht darin, dass Hyperkorrektheit auf einer übertriebenen Befolgung sprachlicher Regeln beruht, während Überanpassung auf einer bewussten oder unbewussten Anpassung an die Sprache oder den Dialekt anderer Menschen beruht. Beide Phänomene können dazu führen, dass eine Person gekünstelt oder unnatürlich klingt.

Was macht der andere?

Es kann also von einer einseitigen Anpassung gesprochen werden. Dabei wird übersehen, dass sich jede (nicht nur interkulturelle) Kommunikation durch Interaktion auszeichnet. Die Frage lautet daher immer: Was macht der andere? Wenn sich jemand auf den anderen anzupassen versucht, heißt das nicht, dass die Person damit richtig liegt oder dass der andere das möchte. Ethisch betrachtet scheint es zudem fragwürdig, warum sich einseitig angepasst werden sollte. Die pragmatische Frage ist dabei auch, ob eine einseitige Anpassung überhaupt langfristig durchzuhalten ist oder ob diese in eine Sackgasse führt.

Gefahr der Entfremdung

Gerade Differenzen im Verhalten und Handeln sind in interkulturellen Begegnungen oft reizvoll. Überdies stellt sich der andere vielleicht die gleiche Frage und verhält sich nach seinem Verständnis anpassend. Was passiert dann (vergleiche Kontrakorrektur)? Bemerkenswert ist, dass Hyperkorrekturen zu einer Entfremdung führen können, obwohl eigentlich eine Annäherung intendiert ist. Ein mögliches Problem der interkulturellen Hyperkorrektur besteht darin, dass sie oft auf Stereotypen oder oberflächlichem Wissen über eine andere Kultur beruht. Die Person kann aufgrund von Annahmen über die Kultur handeln, ohne den tatsächlichen Hintergrund oder die Bedeutung der Normen und Verhaltensweisen zu verstehen. Dies kann zu einer falschen Darstellung oder Interpretation der Kultur führen und die Person von ihrer tatsächlichen kulturellen Identität isolieren. Eine Folge davon kann sein, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen einander nicht verstehen oder Missverständnisse über die Motive oder Absichten des anderen haben. Dadurch können sich Stereotype verfestigen und Vorurteile verstärken. Dies kann zu einer Entfremdung zwischen den Kulturen führen, da die Menschen das Gefühl haben, dass ihre eigene Kultur nicht richtig verstanden oder respektiert wird. Der Umgang mit interkultureller Überkorrektur erfordert daher Sensibilität und Verständnis für die unterschiedlichen Hintergründe und Perspektiven der Menschen.

Weitere Beispiele

Angenommen, eine deutsche Person reist nach Japan und möchte die japanische Höflichkeitsformel „Arigatou gozaimasu“ (Vielen Dank) verwenden. Da sie sich nicht sicher ist, wann und wie sie die Höflichkeitsformel verwenden soll, verwendet sie sie bei jeder Gelegenheit, sei es beim Einkaufen, im Restaurant oder im Gespräch mit dem Hotelangestellten. Obwohl Höflichkeit in Japan sehr geschätzt wird, kann ein solch übertriebener Gebrauch dieser Höflichkeitsformel als unnatürlich oder unangemessen angesehen werden. Es besteht also ein Missverständnis bezüglich der kulturellen Anwendung von Höflichkeit, was zu Hyperkorrektur führt.

Ein weiteres Beispiel für Hyperkorrektur im interkulturellen Kontext könnte auftreten, wenn eine Person versucht, in einer bestimmten Kultur akzentfrei zu sprechen. Angenommen, eine englischsprachige Person möchte einen perfekten deutschen Akzent haben und übt intensiv, deutsche Wörter und Sätze genau wie ein Muttersprachler auszusprechen. Dies kann jedoch zu einer übertriebenen Betonung von Konsonanten führen, die im Deutschen normalerweise nicht üblich oder notwendig sind. Das kann übertrieben oder gekünstelt klingen und von Muttersprachlern als unnatürlich empfunden werden. Der Versuch, eine kulturelle Nuance (einen bestimmten Akzent) nachzuahmen, führt zu einer Art Hyperkorrektur, da die Person die feinen Unterschiede in Sprache und Sprechweise nicht vollständig versteht oder nachahmt.

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Hier geht es zum Überblick aller Lexikonartikel…

 

Literatur 

Günthner, Susanne (1993): Diskursstrategien in der Interkulturellen Kommunikation. Analysen deutsch-chinesischer Gespräche.

Polfuß, Jonas (2012): Kritischer Kulturassimilator Deutschland für chinesische Teilnehmende. In: Interculture Journal, Heft 17, 27–46. 

Terminologisches Grundwissen der Gesprächs- und Diskurslinguistik: eine Lehr- und Lernplattform (hhu.de)

 

Transkript zum Erklärfilm

Hyperkorrektur meint die Überanpassung des Verhaltens. Zu einer Überanpassung kommt es, wenn jemand sein Verhalten einem anderen Menschen oder einer anderen Kultur anpassen möchte und sich dabei an Stereotypen orientiert: Dann wird die Anpassung unbeabsichtigt zu weit getrieben. So können Hyperkorrekturen zu Entfremdung führen, obwohl ursprünglich eine Annäherung das Ziel war.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht  geschildert:

Bubble of space

Anna absolvierte vor ein paar Jahren ein sechsmonatiges Auslandspraktikum in Medellín, Kolumbien. Schnell fiel ihr auf, dass die KolumbianerInnen in Gesprächen keinerlei Körperkontakt scheuten.

Nach einem halben Jahr in Medellín beschloss Anna, die Rückreise nach Deutschland mit einem Zwischenstopp in den USA zu verbinden. In New York besuchte sie einen Freund, der sie spontan auf eine Party von Arbeitskollegen mitnahm. Dort kam Anna schnell ins Gespräch und wunderte sich, dass ihre Gesprächspartner ihr auf seltsame Weise auszuweichen schienen. Jedes Mal, wenn sie sich einer Gesprächsperson näherte, um diese besser zu verstehen und nicht unhöflich viel Platz zwischen sich zu lassen, wich die Person merklich einen Schritt nach hinten oder zur Seite. Zunächst sorgte sich Anna darüber, ob sie schlecht rieche oder etwas Falsches gegessen habe. Doch dann begriff sie, dass auch in den USA eine abweichende Auffassung von Körperkontakt und persönlichem Bereich vorherrscht – im Englischen „Bubble of Space“ genannt.

Aller guten Dinge sind drei

Eine Philippinin und eine Deutsche lernten sich in Deutschland über ein Austauschprogramm kennen. Die beiden verstanden sich mit der Zeit immer besser und waren häufig zusammen. Jedes Mal, wenn die Deutsche der Philippinin mitgebrachte Kekse oder Süßigkeiten anbot, lehnte die Philippinin höflich ab.

Eines Tages brachte die Philippinin Kekse mit in die Uni, die sie der Deutschen hinhielt. Diese griff daraufhin sofort zu und freute sich. In diesem Moment sagte die Philippinin, sie müsse jetzt mal etwas loswerden. Sie erzählte, dass man auf den Philippinen ein Angebot erst dreimal verneinen muss, bis man „ja“ sagen darf. Allerdings habe sie festgestellt, dass die Deutschen höchstens zweimal fragen und sie somit nie die Chance bekommt, „ja“ zu sagen. Das deutsche Mädchen erklärte ihr, dass es diese Regelung in Deutschland nicht gibt und dass die meisten Deutschen nach einmaligem Fragen davon ausgehen, dass die Person ihrem Interesse nach antwortet. Die Deutsche nahm sich vor, die Philippinin von nun an häufiger zu fragen, sagte ihr aber auch, dass sie in Deutschland ruhig sofort „ja“ sagen könne und dass sich Deutsche darüber freuen.

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