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Fuzzy Cultures

Als Kultur- und Kommunikationswissenschaftler befasst sich Jürgen Bolten mit den Fragen, was eigentlich als Kulturen definiert wird und wie sich diese beschreiben lassen. Sein Konzept der Fuzzy Cultures plädiert für ein offenes, mehrwertiges Kulturverständnis, das kulturelle Räume als dynamische Netzwerkstrukturen begreift. Als fuzzy werden in Anlehnung an Lotfi Zadehs Fuzzylogik Zustände bezeichnet, die unscharf und somit logisch mehrwertig bleiben (vgl. Bolten 2011, 2).

Von einem zweiwertigen zu einem mehrwertigen Kulturbegriff

Das zweiwertige Kulturverständnis der ersten Moderne basierte auf der Idee, jede Nation bilde ihre eigene homogene Gruppe und sei dadurch als in sich geschlossen zu betrachten. Demnach verliefen kulturelle synchron zu geographischen Grenzen und die eigene kollektive Identität ließ sich insbesondere durch die Abgrenzung zum Fremden konstruieren. Innerhalb dieser binären Logik ließen sich beispielsweise Faktoren wie Religion, Ethnie oder Sprache als kultureigen auslegen. Der Soziologe Ulrich Beck setzt diese Auslegung mit dem Bild eines Containers gleich (vgl. Bolten 2013, 2).

Netzwerk

Im Zuge der Globalisierung verlor diese Definition allerdings immer mehr an Realitätsanspruch. An die Stelle des Containers trat das Bild eines interkulturellen Netzwerks, welches nach Bolten das Alleinstellungsmerkmal des mehrwertigen Kulturbegriffs bildet. Seine Definition vollzieht einen Perspektivwechsel, welcher interkulturelle Reziprozitätsbeziehungen darlegt, anstatt die Differenzen zu betonen. So ist jedes Individuum gleichzeitig Mitglied verschiedener Kollektive, wodurch sich keine Generalisierungen mehr treffen lassen, sondern vielmehr von relativen Zugehörigkeitsgraden gesprochen werden muss. Dies gilt sowohl auf inter- als auch intrakultureller Ebene. Dadurch sind fuzzy Cultures stetigen strukturellen Veränderungsprozessen unterworfen und lassen sich nur als offen und heterogen beschreiben (vgl. Bolten 2011, 2–4).

Hervorzuheben ist, dass Boltens Kulturbegriff den ersten nicht ersetzt, sondern ihn mit einschließt. In der mehrwertigen Denkweise des ‚Sowohl-als-auch‘ wird  also die zweiwertige ‚Entweder-oder‘ integriert. Vergleichbar sei dieses Verhältnis mit dem daoistischen Yin und Yang, welche ohne das jeweils Andere undenkbar wären (vgl. Bolten 2011, 2). Umstritten ist, ob der mehrwertige Kulturbegriff der zweiten Moderne zuzuschreiben ist oder als Zwischenstadium der Modernen fungiert (vgl. Bolten 2013, 2).

Zooming

Das Problem des mehrwertigen Kulturbegriffs besteht darin, dass seine Komplexität in der Anwendung schnell zu einem analytischen Orientierungsverlust führen kann. Um diesem vorzubeugen, empfiehlt Bolten, zunächst auf die Mikroebene eines konkreten kulturellen Handlungsfelds heranzuzoomen, bevor auf die Makroebene der strukturellen Bedingungen wegzoomt wird. Durch den wiederholten Wechsel beider Perspektiven könne die Gefahr der Generalisierung vermindert werden, da die Erkenntnisse bereits von Beginn an in ein relatives Verhältnis gestellt würden. So erscheint aus Mikroperspektive alles meist viel heterogener als aus Makroperspektive (vgl. Bolten 2013, 3). Als weitere Veranschaulichung der strukturprozessualen Kulturbeschaffenheit dient Boltens Sandberg-Modell. 

 

 

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Literatur

Bolten, Jürgen (2014): Fuzzy Sandberg – oder: (Wie) lassen sich Kulturen beschreiben? http://iwk-jena.uni-jena.de/wp-content/uploads/2019/03/2014_Fuzzy_Sandberg.pdf [12.03.2020].

Bolten, Jürgen (2013): Fuzzy Cultures: Konsequenzen eines offenen und mehrwertigen Kulturbegriffs für Konzeptualisierungen interkultureller Personalentwicklungsmaßnahmen. http://iwk-jena.uni-jena.de/wp-content/uploads/2019/03/Bolten_2013_Fuzzy_Cultures.pdf [12.03.2020].

Bolten, Jürgen: Unschärfe und Mehrwertigkeit (2011): „Interkulturelle Kompetenz“ vor dem Hintergrund eines offenen Kulturbegriffs. http://iwk-jena.uni-jena.de/wp-content/uploads/2019/03/2011_Unschaerfe_Mehrwertigkeit_Ik-Kompetenz_fuzzy.pdf [12.03.2020].

Bolten, Jürgen (2010): Fuzzy Diversity’ als Grundlage interkultureller Dialogfähigkeit. http://iwk-jena.uni-jena.de/wp-content/uploads/2019/03/2010_FuzzyDiversity_EWE_Auernheimer.pdf [04.03.2020].

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