Der Zweck des Sandberg-Modells ist, das kulturelle Wechselverhältnis von strukturellen sowie prozesshaften Bedingungen abzubilden. Entworfen wurde die Metapher vom Kultur- und Kommunikationswissenschaftler Jürgen Bolten*, der sie zur Verbildlichung seiner Fuzzy Cultures benutzt. Mit seinem Modell versucht er, eine Kulturbeschreibung zu etablieren, die sich weder in der Übergeneralisierung (falsche Homogenität) noch in der Unübersichtlichkeit verliert, sondern eine strukturprozessuale Perspektive einnimmt.
Aufbau des Sandberg-Modells
1. Kann-Schicht:
Die geringste Verbindlichkeit und damit höchste Dynamik kommt neuartigen Konventionen zu, welche sich nur gruppen- oder kontextspezifisch etablieren. Aufgrund ihrer Diversität sind sie meist nur temporär anzufinden und brauchen am längsten, um strukturell verankert zu werden. Wie der Flugsand können sie jederzeit an- und weggeweht werden und es lässt sich kaum erkennen, welches Sandkorn sich in den bestehenden Berg integriert (Bsp. Anglizismen, Jugendsprache, Modetrends).
2. Soll-Schicht:
Die mittlere Ebene bilden allgemeingültige Verhaltensregeln oder gruppenspezifische Traditionen und Rituale. Durch ihre starke Konventionalisierung sind sie strukturell fest verankert und kaum beweglich. Vergleichbar sind sie mit der Formveränderung der sandigen Oberfläche, welche sich erst durch die längere Betrachtung erkennen lässt (Bsp. Karneval, Oktoberfest).
3. Muss-Schicht:
Das Fundament eines Kulturkreises bilden die Gesetze, moralischen Grundwerte und natürlichen Umweltbedingungen. Sie stellen den Kern einer Gesellschaft dar und fordern die höchste Stufe der Verbindlichkeit ein. Aufgrund ihrer langen Entstehungsgeschichte weisen sie die niedrigste Flexibilität auf und werden oftmals unreflektiert als „Norm“ angenommen. Damit sind sie vergleichbar mit dem Boden eines Sandbergs, auf dessen Jahrhunderte alter Sandschicht allmählich eine Düne herangewachsen ist (Bsp. Grundgesetz).
Umso stärker also gesellschaftliche Handlungen strukturell verankert sind, desto länger brauchen sie, um sich zu verändern. Die Metapher wird von Bolten auch als Fuzzy Sandberg bezeichnet, da die Konturen des Hügels aufgrund des stetigen Flugsandes unscharf bleiben (vgl. Bolten 2014, 2 f.).
*Jürgen Bolten ist ein renommierter Kommunikationswissenschaftler, der für seine herausragenden Beiträge zur Medienforschung und Kommunikationstheorie bekannt ist. Er wurde am 15. März 1965 in Berlin geboren.
Nach dem Abitur begann Bolten ein Studium der Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Bereits während des Studiums entwickelte er ein großes Interesse an medienwissenschaftlichen Theorien und begann, eigene Forschungsprojekte durchzuführen. Im Jahr 1990 promovierte Bolten erfolgreich mit einer Arbeit über die Auswirkungen der Globalisierung auf die Medienlandschaft. In den folgenden Jahren konzentrierte er sich auf die Erforschung von Kommunikationstechnologien und deren Einfluss auf die Gesellschaft. Mit seinen wegweisenden Arbeiten trug Bolten maßgeblich zur Entwicklung eines theoretischen Rahmens für die Analyse von Medien- und Kommunikationssystemen bei. 1998 wurde Bolten zum Professor für Kommunikationswissenschaft an die Universität Hamburg berufen, wo er bis heute tätig ist. Neben seiner Lehrtätigkeit war er als Gastprofessor an renommierten Universitäten im In- und Ausland tätig.
Als anerkannter Experte auf seinem Gebiet veröffentlichte er zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und Bücher, die zu Standardwerken der Kommunikationswissenschaft avancierten. Besonders bekannt ist Bolten für seine Arbeiten zur politischen Kommunikation und zur Medienethik. Darüber hinaus engagiert sich Bolten in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien und Organisationen, die sich mit Medien- und Kommunikationsfragen befassen. Er ist ein gefragter Referent auf Konferenzen und Symposien und wird regelmäßig von nationalen und internationalen Medien für Experteninterviews konsultiert.Jürgen Bolten hat zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den renommierten Kommunikationswissenschaftlichen Preis der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft.
Insgesamt hat Jürgen Bolten mit seinen Arbeiten maßgeblich zur Entwicklung der Kommunikationswissenschaft beigetragen und gilt als einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet. Sein Engagement und seine Expertise haben wesentlich dazu beigetragen, das Verständnis von Medien und Kommunikation in der heutigen Gesellschaft zu vertiefen.
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Literatur
Bolten, Jürgen (2014): Fuzzy Sandberg – oder: (Wie) lassen sich Kulturen beschreiben? http://iwk-jena.uni-jena.de/wp-content/uploads/2019/03/2014_Fuzzy_Sandberg.pdf [12.03.2020].
Bolten, Jürgen: Sandberg-Modell. Arbeitsblatt. http://ikkompetenz.thueringen.de/wp-content/uploads/2017/07/sandberg-modell-einleitung.pdf [12.03.2020].
IntercultureTV: Das Sandberg-Modell. Erklärungsvideo. https://www.youtube.com/watch?v=dEecRnyOeU8 [12.03.2020].
Sandberg-Modell von Kultur – Bolten – Metapher Kultur | IKUD
Transkript zum Erklärfilm
Das Sandberg-Modell ist eine Möglichkeit, Kulturen mit Hilfe einer Dünenmetapher zu beschreiben. Es ist in drei Schichten aufgebaut. Die erste Schicht ist die Kann-Schicht: Hier liegen neuartige Konventionen, die noch eine geringe Verbindlichkeit haben. Sie etablieren sich nur gruppen- oder kontextspezifisch und sind meist für kurze Zeit anzufinden. Wie der Flugsand einer Düne können sie jederzeit weggeweht werden und es lässt sich kaum erkennen, welches Sandkorn sich in den bestehenden Berg integrieren wird. Die zweite Schicht ist die Soll-Schicht. Hier finden sich allgemeingültige Verhaltensregeln oder gruppenspezifische Traditionen und Rituale. Durch ihre starke Konventionalisierung sind diese Kulturteile tief verankert und kaum beweglich. Die Schicht entspricht also der festen Dünenoberfläche. Die dritte Schicht ist die Muss- Schicht. Das Fundament einer Kultur bilden die Gesetze, die moralischen Grundwerte und die natürlichen Umweltbedingungen. Aufgrund ihrer langen Entstehungsgeschichte weisen sie die niedrigste Flexibilität auf und werden oftmals als Norm angenommen. Damit sind sie vergleichbar mit dem Boden eines Sandbergs, auf dessen Jahrhunderte alter Sandschicht allmählich eine Düne herangewachsen ist.
A true intercultural incident is described in the book Intercultural stories: Human encounters from all over the world – funny, instructive, true to life:
False patriotism or eternal guilt
In the summer of 2014, I visited my host family in London with my sister. We watched a World Cup soccer match and cheered on the German team. My host mother is Jewish and asked us if we knew anything about the Holocaust. After I explained to her that we were educated about it, she asked why we were cheering for our country.
Honor killings
Since my mother is a German Christian and my father is from Malaysia and was brought up according to Islam, I grew up with both cultures. But I believe in Islam.
A university seminar was about philosophy and ethics in a multicultural class. Apart from one student from Russia, all the students and the lecturer were from Germany. None of them had a Muslim background. The lecturer asked how we would react to an essay in which a Muslim student, in her analysis of the drama Emilia Galotti, assessed the father’s „honor killing“ of his daughter as ‚right‘ and therefore did not go any further into the issue. From their answers, I realized that all seminar participants had understood the question as the professor had meant it, namely that „honor killings“ were part of the Islamic religion and that teachers must be sensitive to cultural differences when grading or reacting to such an essay. I can’t remember the details of what individual fellow students proposed in response to the professor’s question, but after listening in surprise and sadness for some time, I spoke up and said, „I might approach the student after class about her essay and explain to her that in Islam, so-called honor killings are forbidden and a terrible sin, just like murder itself.“ When I said this, there was silence at first. I then saw everyone looking at each other in surprise until the professor said with a slightly embarrassed laugh something like: „Yes, ok, great, that’s a whole new way of looking at it. I didn’t know that before.“
Forbidden touch
A young student born in Germany, who comes from Turkey and, like his family, believes in Islam, had to work on a presentation with three of his fellow students as part of his studies. Among these three students were two men and one woman. The two men were also Muslims. The woman was a German Christian.
The young student was waiting for his working group. When he saw them coming, he stood up, smiled and shook hands with his two fellow students, saying only „hello“ to his female fellow student. They started working on their assignment and when they said goodbye, the student again only shook hands with the two men. They met a few more times to finish their presentation.
After the group had given their presentation, there was a short break for all seminar participants. The female fellow student from his group approached the student and asked in a friendly manner if he had a problem with her. The student was confused and asked why she would think that. She replied that he had been acting strangely towards her. When he asked, the student mentioned that he was the only one in the group who had never shaken her hand. The student then explained to her that according to some scholars, it is not permitted in Islam for unmarried men and women to touch each other, so they should not shake hands either. He assured her that he had nothing against her as a person. The young student assumed that his fellow student knew this, as she was studying Islam as a university subject with him. The student could understand this. In retrospect, the Muslim was sorry that his fellow student must have thought the whole time that he had a personal problem with her.