Buen Vivir – das Gute Leben, Sumak Kawsay (Kichwa) oder Suma Qamaña (Aymara), wie es auf verschiedenen Sprachen genannt wird, ist ein alternatives Entwicklungsmodell aus Lateinamerika. Es entstand in Anlehnung an die Postwachstums-Diskussion und beruft sich auf Praktiken und Wissen der indigenen Bevölkerung (vgl. Acosta 2015, 14).
Umdenken
Buen Vivir fordert ein Umdenken des derzeit geltenden Entwicklungsparadigmas hinsichtlich des Verständnisses und der Bedeutung von Entwicklung. Entwicklung wird in diesem Konzept nicht als wirtschaftliches Wachstum verstanden, wie es im kapitalistischen Wirtschaftsmodell der Fall ist, sondern als Weg in Richtung einer kollektiven Zufriedenheit innerhalb der Gesellschaft (vgl. Acosta/ Abarca 2018, 132). Das Buen Vivir misst sich somit nicht an dem guten Leben eines Individuums. Vielmehr steht „das gute Miteinander-Leben von Menschen in einer Gemeinschaft, von verschiedenen Gemeinschaften …“ (Acosta 2016, 1) im Mittelpunkt. Zudem zeigt es verschiedene Möglichkeiten einer nachhaltigen Lebensweise auf.
Harmonie
Es intendiert eine harmonievolle Beziehung zwischen Gesellschaft sowie Natur und kritisiert die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Pachamama – die Mutter Erde – die den Ursprung des Lebens meint, nimmt in diesem Konzept einen besonderen Stellenwert ein. Dieser Begriff etabliert ein neues Verständnis zur Bedeutsamkeit der Natur in der Politik und ist damit auch in der Klimadebatte von großer Relevanz. Außerdem zielt das Buen Vivir auf eine neue Hegemonie ab, die auf verschiedenen Kulturen aufbaut. Die Anerkennung der Pluralität indigener Gruppen ist ein fundamentaler Bestandteil des Konzepts (vgl. Fatheuer 2011, 21).
Verfassung
Das Konzept des Guten Lebens wurde sowohl in Ecuador (2008) als auch in Bolivien (2009) mit in die Verfassung aufgenommen (vgl. Acosta/ Abarca 2018, 132). Beide Staaten sind durch ihre koloniale Vergangenheit geprägt, die sich sowohl in den gesellschaftlichen als auch in den wirtschaftlichen Strukturen widerspiegelt (vgl. Fatheuer 2011, 14). Mit dem Staatsziel, Sumak Kawsay – das Gute Leben – zu erreichen, haben sie sich merklich von dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell distanziert und stattdessen für eine soziale Wirtschaft mit Werten wie Fairness, Gleichheit und Nachhaltigkeit appelliert (vgl. Friant/ Langemore 2015, 65).
Literatur
Acosta, Alberto (2015): Buen Vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. München: oekom.
Acosta, Alberto (2016). Buen Vivir. Die Welt aus der Perspektive des Buen Vivir überdenken. https://rosalux.org.br/de/die-welt-aus-der-perspektive-des-buen-vivir-uberdenken/ [01.04.2020].
Acosta, Alberto/ Abarca, Mateo Martínez (2018): Buen Vivir: An alternative perspective from the peoples of theglobal south to the crisis of capitalist modernity. In: Vishwas, S. (Hrsg.): The Climate Crisis. South African and Global Democratic Eco-Socialist Alternatives: Johannesburg: Wits University Press, 131–146.
Fatheuer, Thomas (2011): Buen Vivir. Eine kurze Einführung in Lateinamerikas neue Konzepte zum guten Leben und zu den Rechten der Natur. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Schriften zur Ökologie (Bd. 17): Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung, 7–30.
Friant, M. Martin Calisto/ Langmore, John (2015): The Buen Vivir: A Policy to Survive the Anthropocene? In: Global Policy 6(1), 64–71.