Toleranz lernen ist eine wichtige Fähigkeit, die wir uns alle aneignen sollten. Sie ermöglicht es uns, andere Menschen und ihre Meinungen, Überzeugungen, Werte und Lebensweisen zu akzeptieren, auch wenn sie von unseren eigenen abweichen. Toleranz bedeutet, anderen Raum zu geben, sich frei zu äußern und ihre Identität zu leben, solange sie dabei niemandem schaden.
Das Erlernen von Toleranz beginnt in der Kindheit. Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen sollten Kindern beibringen, anderen mit Respekt und Offenheit zu begegnen. Sie können ihnen vermitteln, dass es normal ist, dass Menschen unterschiedliche Sichtweisen haben und dass wir aus diesen Unterschieden lernen können. Wenn Kinder lernen, tolerant zu sein, können sie auch lernen, Konflikte friedlich zu lösen und Vorurteile abzubauen.
Im Erwachsenenalter ist es wichtig, sich bewusst mit anderen Kulturen, Religionen und Lebensweisen auseinanderzusetzen. Dies kann zum Beispiel durch das Lesen von Büchern, das Hören von Podcasts oder den Besuch von interkulturellen Veranstaltungen geschehen. Durch die aktive Auseinandersetzung mit Vielfalt und anderen Perspektiven können eigene Vorurteile reflektiert und abgebaut werden.
Es ist auch wichtig, ein offenes Gesprächsklima zu schaffen, in dem Meinungsverschiedenheiten respektvoll diskutiert werden können. Diskussionen sollten auf Argumenten basieren und nicht auf Emotionen oder Vorurteilen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Meinung frei zu äußern, ohne Angst vor Verurteilung oder Ausgrenzung haben zu müssen. Durch den Austausch unterschiedlicher Standpunkte können wir unseren Horizont erweitern und andere Menschen besser verstehen.
Toleranz zu lernen bedeutet nicht, alles gutzuheißen oder zu akzeptieren. Es ist wichtig, dass wir unsere eigenen Normen und Werte haben und diese auch vertreten. Toleranz bedeutet aber, dass wir die Rechte und die Würde anderer Menschen respektieren, auch wenn wir ihre Meinungen oder Handlungen nicht teilen.
Toleranz zu lernen ist ein lebenslanger Prozess. Es erfordert ständige Offenheit, Einfühlungsvermögen und Respekt gegenüber anderen. Wenn wir uns bemühen, tolerant zu sein und unsere eigenen Vorurteile zu hinterfragen, können wir eine Welt schaffen, in der Vielfalt und Unterschiede geschätzt werden und in der alle Menschen die Möglichkeit haben, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Möglichkeiten, um mehr Toleranz in der Gesellschaft zu schaffen
Einige Auszüge aus dem E-Learning-Modul in Textform
Fachliche Einführung
Zur Bildung einer hyperkulturellen Gesellschaft ist die Entwicklung einer toleranten und offenen Haltung essenziell. Die folgende E-Learningeinheit soll helfen das Bewusstsein über die eigene Identität und die eigene Wertebildung zu schärfen. Tolerant zu sein erfordert, eigene Entscheidungen, Meinungen und Überzeugungen zu hinterfragen. Toleranz bedeutet, die Wertvorstellungen anderer Personen als gleichberechtigt anzusehen und mit den eigenen auf einer Ebene zu betrachten, selbst wenn diese den eigenen widersprechen. Das bloße Dulden von anderen Religionen oder sexuellen Orientierungen ist lediglich ein erster Schritt in Richtung Toleranz. Ausgehend von Interesse, Neugier und Dialogbereitschaft muss sich bewusst mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden auseinandergesetzt werden. Allgemein geht es also um einen respektvollen Umgang mit Unterschieden und Vielfalt in unserer pluralistischen Gesellschaft. Dabei sollten die wahrgenommenen Differenzen geachtet und als bereichernden Mehrwert für die Demokratie verstanden werden.
Der Philosoph Rainer Forst definiert 3 Komponenten von Toleranz. Die erste sei Ablehnung. Etwas, das wir bereits gut finden und befürworten, müssen wir nicht tolerieren. Nur was wir als falsch oder schlecht empfinden, können wir tolerieren. Eine weitere Komponente sei die Akzeptanz. Es muss logische Gründe für uns geben, damit wir etwas tolerieren, was wir eigentlich ablehnen. Rainer Forst nennt als einen möglichen Grund das Recht auf Religionsfreiheit. Die letzte Komponente ist die Zurückweisung. Tolerieren bedeutet nicht alles vollständig zu bejahen. Eine mögliche Grenze von Toleranz könnte beispielsweise ein Verstoß gegen die Menschenrechte sein.
Basierend auf der Charakterisierung der Komponenten der Toleranz fokussiert Forst sich auf vier verschiedene Konzepte, welche in der Gesellschaft auftauchen und zu Konflikten führen können. Diese Begrifflichkeiten dienen zur Auffassung der Toleranz und nicht, um den Begriff Toleranz zu beschreiben.
Die Erste ist die Erlaubnis-Konzeption. Toleranz bedeutet hier die Beziehung in einer Gruppe, das heißt die Beziehung zwischen einer Führungsperson und der Mehrheit. Dazu gehört auch die von deren Wertvorstellungen abweichenden Minderheit. Die Autorität gibt die Erlaubnis der Minderheit, ihre Wertvorstellungen zu behalten. Dafür darf die Vorherrschaft der Autorität nicht Infrage gestellt werden.
Die Koexistenz-Konzeption ähnelt der Erlaubnis-Konzeption im Bereich der Konfliktvermeidung. Sie unterscheidet sich jedoch in der Konstellation der Gruppen. Hier sehen wir zwei gleich starke Gruppen, welche das Ziel verfolgen, die Toleranz, aufgrund des sozialen Friedens und eigener Interessen, zu bewahren. Erwähnt werden muss jedoch, dass dieser Zustand über einen längerem Zeitraum nicht stabil ist. Durch eine Veränderung der Machtverhältnisse ins Ungleichgewicht kann es zu einem Verzicht der Toleranz einer Gruppe kommen. Sie dient lediglich der Konfliktvermeidung und keiner Vereinbarung mit den tolerierten Wertvorstellungen.
Als drittes Konzept folgt die Respekt-Konzeption. Aus dieser geht eine wechselseitige Achtung der sich tolerierenden Individuen bzw. Gruppen hervor. Obwohl sich in ihren ethischen Überzeugungen unterscheiden, zeigen sich dennoch Achtung und Respekt gegenüber ihren Wertvorstellungen. Diese setzt voraus, dass Normen gleichermaßen akzeptiert werden und keine ethische Form bevorteilt wird.
Der letzte Punkt befasst sich mit der Wertschätzungs-Konzeption. Diese Konzeption beinhaltet im Gegenzug zur Respekt-Konzeption eine erweiterte, anspruchsvollere Auffassung der gegenseitigen Anerkennung. Hier liegt nicht nur die Akzeptanz der Wertvorstellungen vor. Sie schätzen die Überzeugungen auch als wertvoll ein. Es werden jedoch manche Bereiche wertgeschätzt, andere Bereiche wiederum nicht, da sonst die Ablehnungskomponente verloren gehen würde. Somit ist die Wertschätzung beschränkt.
Tolerantes Verhalten:
Intolerantes Verhalten:
Übung
Überlege für dich selbst: Wie ist deine Meinung zu den folgenden Aussagen? Sind diese für dich inakzeptabel (1) oder akzeptierst (2) oder tolerierst (3) du sie?
1. Eine muslimische Lehrerin trägt ein Kopftuch während des Unterrichts.
2. Nazi-Parolen stehen an der Toilettenwand in der Schule.
3. Ausländische Mitbürger werden für Probleme in unserer Gesellschaft verantwortlich gemacht.
4. Es werden Witze über bestimmte Stereotypen gemacht (der pünktliche Deutsche, der dicke Amerikaner).
5. Ein/e Mitschüler/in wird geärgert.
Literatur:
Rainer Forst:Schwerpunktbeitrag: Anerkennung und Toleranz.https://philosophie-indebate.de/2073/schwerpunktbeitrag-anerkennung-und-toleranz/ (verfasst am 19.01.2015)
Günter Gugel, Amos Heuss: Toleranz lernen.Zur Auseinandersetung mit Toleranz und Intoleranz. In: Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung POLITIK & UNTERRICHT (2016, 1. Quartal).