Jeder kennt das Kinderspiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“. Als ich 17 Jahre alt war, besuchte ich eine Unesco Projekt-Schule. In über 30 Ländern weltweit hatten wir Partnerschulen. Eine Schule war in M ́lalo, in den Usambarabergen in Tansania. Ich hatte Glück und konnte einen Platz für den kommenden Schüleraustausch ergattern. Mit zehn SchülernInnen und zwei Lehrern sollten wir vier Wochen durch Tansania reisen, Spenden überbringen, soziale Einrichtungen unterstützen und unsere Partnerschule besuchen. Wir wurden sehr ausführlich auf die kulturellen und sozialen Unterschiede vorbereitet. Vor allem für uns Mädchen gab es ganz genaue Vorschriften, wie wir uns zu verhalten hatten und was wir anziehen durften.
Als wir aus dem Flughafengebäude in Daressalam heraus traten und uns die beißende afrikanische Hitze entgegenschlug, wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass man auf sowas nicht vorbereitet werden kann. Nach einer einwöchigen Reise durch Tansania kamen wir in M ́lalo an. Am dritten Tag wollten die Lehrer zu einem kleinen abgeschiedenen Dorf in die Steppe heruntersteigen, dass sie vor einigen Jahren bereits besucht hatten. Ein anderer Schüler und ich wollten mit. Da wir eine lange Wanderung vor uns hatten, wurde mir erlaubt eine Hose und „Männerschuhe“ zu tragen.
Das Dorf lag in der Steppe, mitten im Nirgendwo und bestand lediglich aus mehreren Lehm- und Strohhütten. Es gab weder Strom, noch fließendes Wasser. Unsere Lehrer führten uns durch kleine Gassen zum Marktplatz. Als ich kurz stehen blieb um mir die Schuhe zu binden, bildete sich eine Traube an Kindern um mich. Sie hatten noch nie eine weiße Frau und dazu noch in Männerkleidung gesehen. Jede meiner Bewegungen wurde ganz genau beobachtet. Ich lächelte einen kleinen Jungen an, der sich ganz nah an mich heran getraut hatte. Doch plötzlich lief er schreiend und heulend vor mir weg. Jedes Mal wenn ich einen Schritt auf die Kinder zu machte, wichen diese ängstlich vor mir zurück. Sie hatten Angst vor der weißen Frau. Einer der Lehrer hat diesen Moment auf einem Foto festgehalten.
Wenn ich mir dieses Foto heute – fast zwölf Jahre später – anschaue, bekomme ich immer noch Gänsehaut. Ich werde dieses Gefühl nie vergessen.
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