Sprachkontakt entsteht durch Mehrsprachigkeit. Mehrsprachigkeit bedeutet, dass ein Sprecher mehrere Sprachen spricht. Sprachkontakt bezeichnet die wechselseitige Beeinflussung von Sprachen aufeinander. Bei Sprachkontakt verändern sich die beteiligten Sprachsysteme.
Wenn Personen einer Sprachgemeinschaft mehrere Sprachen sprechen, sind sie mehrsprachig. So lernen beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund oft zwei Sprachen und verwenden diese gleichzeitig. Mehrsprachigkeit führt dazu, dass auch die gesprochenen Sprachen sozusagen in Kontakt miteinander stehen. Sprachen stehen auch in Kontakt, wenn sie in ein und derselben Gruppe verwendet werden; es ist nicht notwendig, dass jedes Mitglied einer Gruppe beide Sprachen spricht. So hört man manchmal in Klassen, im Freundeskreis oder Sportgruppen fremde Wörter und lernt ihre Bedeutung kennen. Im Laufe der Zeit verwendet man diese Wörter vielleicht sogar selbst, obwohl sie nicht aus der eigenen Sprache stammen. Sprachkontakt kann als Ergebnis von Mehrsprachigkeit angesehen werden und meint, dass Sprachen sich wechselseitig beeinflussen. Dieses Phänomen bewirkt eine Veränderung der beteiligten Sprachsysteme. (vgl. Sprachkontaktforschung 2014, S. 12-13)
Neben Kontakt zwischen Sprachen gibt es auch den sogenannten Varietätenkontakt. Varietäten meint hier Dialekte einer Sprache. Sprecherinnen und Sprecher lernen zuerst den Dialekt und meist ab der Schulzeit die Standardsprache, im Deutschen das ‚Hochdeutsch‘. Der Dialekt besetzt hier die Position der Erstsprache und die Standardsprache die der Zweitsprache. Das Phänomen der gegenseitigen Beeinflussung liegt hier ebenfalls vor. (vgl. Sprachkontaktforschung 2014, S. 13-14)
Kontakt besteht auch zwischen Varietäten einer Sprache. Damit sind die Standardsprache und Dialekte gemeint. Im Deutschen ist die Standardsprache das Hochdeutsch, welches in der Schule gelernt wird. Im Deutschen gibt es eine Vielzahl von Dialekten.
Durch Sprachkontakt entsteht die Situation, dass bestimmte Muster und Elemente von einer Sprache auf eine andere übernommen werden. Bei Elementen kann es sich beispielweise um Wörter handeln, die in den Wortschatz, auch Lexik genannt, übernommen werden. Unter Mustern kann man sich eine andere Art der Aussprache oder einen anderen Satzbau vorstellen. (vgl. Sprachkontaktforschung 2014, S. 35)
Beim Transfer im Bereich der Lexik werden Wörter von einer Sprache in eine andere Sprache übernommen. Mit Lexik ist der Wortschatz gemeint, der sich durch Sprachkontakt verändert.
Beim Transfer von Wörtern, also der Übernahme von Wörtern einer Sprache in eine andere, wird von Fremdwörtern oder Lehnwörtern gesprochen. Fremdsprachliche Einflüsse im Deutschen kennt man heutzutage vor allem aus dem Englischen. Beispiele dafür sind Background, Date, Cornflakes, Design oder Entertainer. Diese Wörter lassen sich auch mit deutschen Begriffen bezeichnen, weshalb sie Fremdwörter genannt werden. Manchmal aber werden Wörter so gut in eine Sprache integriert, dass nicht mehr zu erkennen ist, dass sie ursprünglich aus einer anderen Sprache kamen. Dazu lässt sich die Nase nennen, die aus dem Lateinischen stammt. Der ursprüngliche deutsche Begriff Gesichtserker kommt den meisten Sprechern seltsam vor. Das Wort Nase ist also als Lehnwort zu bezeichnen, da es sich komplett in den Sprachgebrauch integriert hat.
Kriterien dafür, ob ein Wort als Fremdwort oder Lehnwort angesehen wird, sind vielfältig, weshalb die Unterscheidung schwer zu treffen ist. (vgl. Sprachkontaktforschung 2014, S. 39)
Ob es sich bei einem Wort, welches aus einer anderen Sprache übernommen wurde, um ein Fremdwort oder ein Lehnwort handelt, ist schwer zu bestimmen. Es gibt eine Menge Faktoren, an denen diese Unterscheidung getroffen wird.
Die europäischen Sprachen wurden von einem ständigen Sprach- und Kulturkontakt und damit gegenseitiger Beeinflussung begleitet. Im Deutschen wurden deshalb viele Wörter aus anderen Sprachen übernommen. Im Laufe der Geschichte gab es zu manchen Kulturen also auch dessen Sprachen besonders enge Kontakte, weshalb sie einen besonders großen Einfluss hatten. Eine erste Kontaktphase gab es bereits zwischen dem römischen Imperium und den Germanen. Die Germanen lernten damals viel Neues kennen und übernahmen beispielsweise Gegenstände und deren Namen in ihre Kultur. So bauten die Germanen ursprünglich Häuser ohne Fenster, weshalb es diesen Begriff in ihrem Wortschatz nicht gab. Mit dem Kontakt zu der römischen Kultur übernahmen sie also dessen Erfindung und die jeweiligen Wörter aus dem Lateinischen. Weitere Beispiele sind Straße, Markt oder Pfeffer. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S. 200-202)
Im Mittelalter gingen weitere lateinische Begriffe durch die Schriftkultur der Klöster und Kirchen in das Althochdeutsche über. Selbst das Schreiben war neu, da vorher Runen in Holz geschnitzt wurden. Neben dem Wort schreiben setzten sich ebenfalls die Begriffe Kloster, Arzt, Tinte oder Zwiebel durch. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S.202-203)
Bis zum 14. Jahrhundert wurde die Sprache von der französischen Kultur beeinflusst, wodurch Wörter wie Turnier, Tanz oder Melodie ihren Weg ins Mittelhochdeutsch fanden. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S. 205)
Anschließen ereignete sich eine dritte Welle des lateinischen Einflusses, in der Latein die Sprache an den Universitäten wurde. Es wurde bis ins 17. Jahrhundert hinein nicht nur geschrieben, sondern auch gesprochen. Ein großer Unterschied zu heutiger Mehrsprachigkeit liegt darin, dass niemand Latein als ‚Muttersprache‘ konnte, sondern jeder es als Zweitsprache erlernte, da es kein sprachliches ‚Mutterland‘ gab. Bis dahin wurden viele Begriffe übernommen. Dazu zählen die Wörter Universität, Humanität, Text, diskutieren oder Prozess. Auch deutsche Monatsnamen wurden ersetzt. Der Monat Juli hieß vorher Heumonat und Dezember Christmonat. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S. 207)
Im 18. Jahrhundert gab es erneut einen französischen Einfluss als Sprache der Höfe, in dem sich heute alltägliche Wörter wie Mode, Balkon, Omelette, Tasse, Parfüm oder Sofa in die deutsche Sprache integrierten. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S. 211)
Der Einfluss des Englischen begann im literarischen Bereich schon ab dem 17. und 18. Jahrhundert. Später im 19. Jahrhundert verstärkte er sich durch die Industrielle Revolution und die beginnende Demokratisierung. Gerade im Bereich des Verkehrs und der Presse gab es viele neue Errungenschaften und somit auch Wörter, die ins Deutsche übernommen wurden. Dazu zählen Partner, Interview, Reporter, Film, Song, Pullover, tanken oder Manager. (Vgl. Riehl, Sprachkontaktforschung S. 213-214)
Neben den starken Spracheinflüssen von Latein, Französisch und Englisch lassen sich jedoch auch Wörter aus anderen Sprachen finden.
Roboter – Tschechisch (künstlicher (Maschinen)mensch, Automat, der ferngesteuert oder programmiert bestimmte Tätigkeiten ausführt)
Marmelade – Portugiesisch (eingedickter, süßer Brotaufstrich aus Obst oder Beeren)
Sauna – Finnisch (Heißluftbad)
Lama – Ketschua-Mundarten, indigene Sprachen aus Peru (Name der südamerikanischen Kamelart, des höckerlosen Schafkamels)
Gulasch – Ungarisch (Gericht aus Fleischwürfeln mit scharf gewürzter Soße)
Schlamassel – Jiddisch (unangenehme Situation, Unglück, Missgeschick)
Fata Morgana – Italienisch (durch bestimmte atmosphärische Bedingungen erzeugte Luftspiegelung, Trugbild, Sinnestäuschung, Wunschbild)
Basar – Persich (orientalischer Markt; Warenverkauf, dessen Erlös für Aktionen der Hilfe oder Solidarität verwendet wird)
Bambus – Malaiisch ((sub)tropisches Rohrgras)
Joghurt – Türkisch (durch bakterielle Gärung gesäuerte dicke Milch)
Manche dieser Wörter fanden ihren Weg über andere europäische Sprachen ins Deutsche, da sie durch Entdeckung und Kolonialisierung anderer Teile der Welt erste Kontakte zu fernen Kulturen und Länder erlangten. Es ist trotzdem gut zu sehen, dass durch Kulturkontakte auf der ganzen Welt auch gegenseitige Beeinflussung der Sprachen stattfand.
Pidgin-Englisch
Ein Beispiel für Sprachkontakt ist die Entstehung des so genannten Kreolischen im kolonialen Kontext. Kreolisch ist eine Mischsprache, die entsteht, wenn Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen auf engem Raum zusammenleben und sich eine Verständigungssprache entwickeln muss.
Ein prominentes Beispiel ist das Pidgin-Englisch, das im 17. Jahrhundert auf den Plantagen in der Karibik entstand, wo englische Kolonialherren Afrikaner als Sklaven hielten. Die englischen Plantagenbesitzer brauchten eine Möglichkeit, sich mit ihren Sklaven zu verständigen, und die Afrikaner brauchten eine Möglichkeit, sich untereinander zu verständigen. So entstand eine vereinfachte Variante der englischen Sprache, die bestimmte grammatikalische Regeln und Wörter aus dem afrikanischen Sprachhintergrund übernahm.
Die Entwicklung des Pidgin-Englisch setzte sich jedoch fort, als die afrikanische Bevölkerung auf den Plantagen wuchs und das Gemeinschaftsleben zunahm. Die Kinder afrikanischer Sklaven entwickelten eine komplexere Variante des Pidgin-Englisch, das so genannte Creole. Die kreolische Sprache hatte nun eine eigene Grammatik, Satzstruktur und einen Wortschatz, der sowohl englische als auch afrikanische Einflüsse aufwies.
Ein Beispiel für eine kreolische Sprache in der Karibik ist das jamaikanische Patois, das auf Jamaika gesprochen wird. Es entstand aus dem Pidgin-Englisch, das von den afrikanischen Sklaven und den englischen Plantagenbesitzern auf der Insel gesprochen wurde. Heute ist Patois eine anerkannte Varietät des Englischen und wird von vielen Jamaikanern als Muttersprache gesprochen.
Dieses Beispiel zeigt, dass Sprachkontakt häufig in einem kolonialen Kontext stattfindet, in dem Menschen mit unterschiedlichen sprachlichen Hintergründen auf engem Raum zusammenleben müssen. Dabei vermischen sich die Sprachen auf komplexe Weise und es entstehen neue Varietäten, die eine Mischung aus den ursprünglichen Sprachen darstellen. Sprachkontakt und die Entstehung von Kreolsprachen sind oft das Ergebnis sozialer Unterdrückung und politischer Machtverteilung, können aber auch positive Auswirkungen haben, indem sie neue Formen der Kommunikation ermöglichen und den kulturellen Austausch fördern.