Der Begriff „Kulturkampf“ wurde erstmals von dem amerikanischen Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington in den 1990er Jahren verwendet. Er beschreibt damit die Vorstellung, dass Konflikte in der Welt zunehmend auf kulturellen Unterschieden und gegensätzlichen Wertvorstellungen beruhen.
Der gegenwärtige „Kampf der Kulturen“ kann auf verschiedene Weise betrachtet werden:
1. Religiöse Konflikte: Religion spielt eine zentrale Rolle im heutigen „Kampf der Kulturen“. Der Aufstieg extremistischer religiöser Gruppen wie des Islamischen Staates (IS) und ihre Auseinandersetzung mit westlichen Werten und anderen religiösen Gruppen sind ein Beispiel dafür.
2. Ethnische und nationale Konflikte: Unterschiedliche kulturelle Identitäten und Nationalismus können zu Konflikten führen. Ein Beispiel hierfür ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der seinen Ursprung in unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Identitäten hat.
3. kulturelle Hegemonie: Unterschiedliche Kulturen und ihre Wertesysteme konkurrieren um Dominanz und Einfluss. Der „Kampf der Kulturen“ kann als eine Art Wettbewerb um die Vorherrschaft zwischen verschiedenen Kulturen gesehen werden.
4. Migration und Multikulturalismus: Zunehmende Globalisierung und Migration haben zu einer weitreichenden kulturellen Vermischung geführt, die wiederum zu kulturellen Spannungen und Konflikten führen kann. Der „Kampf der Kulturen“ kann in diesem Zusammenhang als Herausforderung gesehen werden, das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Wertvorstellungen zu bewältigen.
Kulturkreise
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kulturkreise zu definieren und zu klassifizieren. Eine allgemeine Möglichkeit ist die Einteilung in acht verschiedene Kulturkreise, die sich durch geographische, historische, sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten unterscheiden. Die acht Kulturkreise sind
1. Afrikanischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst Afrika südlich der Sahara sowie afrikanische Diasporagemeinschaften in Nord- und Südamerika, Europa und der Karibik. Er zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Sprachen, Ethnien, Religionen und Kulturen aus.
2. Amerikanischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst Nord-, Mittel- und Südamerika sowie die Karibik. Die Kulturen dieses Kulturkreises sind sehr unterschiedlich, es gibt aber auch Gemeinsamkeiten, wie z.B. den Einfluss der Ureinwohner, der europäischen Kolonialherren und der afrikanischen Sklaven.
3. Arabischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst die arabischsprachigen Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas. Er ist gekennzeichnet durch die arabische Sprache, den Islam als vorherrschende Religion und gemeinsame historische und kulturelle Traditionen.
4. Asiatischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst eine große Vielfalt von Ländern und Kulturen in Ost-, Süd- und Südostasien. Er zeichnet sich unter anderem durch den Einfluss des Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus und Taoismus aus.
5. Europäischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst die Länder des europäischen Kontinents. Er umfasst eine große Vielfalt an Sprachen, Ethnien, Religionen und Kulturen, weist aber auch gemeinsame Elemente wie den Einfluss des Christentums, die Entwicklung der Aufklärung und die europäische Kunst und Philosophie auf.
6. Indischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst Indien, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka und Bhutan. Er zeichnet sich durch den Einfluss des Hinduismus und Buddhismus, der indischen Philosophie, der ayurvedischen Medizin und der vielfältigen indischen Küche aus.
7. ozeanischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst die pazifischen Inseln und Regionen wie Hawaii, Neuseeland, Australien, Mikronesien, Melanesien und Polynesien. Er zeichnet sich durch eine Vielfalt indigener Kulturen, Sprachen und Traditionen aus.
8. Slawischer Kulturkreis: Dieser Kulturkreis umfasst die slawischsprachigen Länder Osteuropas wie Russland, Ukraine, Polen, Tschechien, Slowakei und Bulgarien. Er zeichnet sich durch gemeinsame slawische Sprachen sowie historische und kulturelle Verbindungen aus.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Einteilung nur eine von vielen Möglichkeiten ist, Kulturkreise zu betrachten. Kulturen sind komplex und dynamisch, und es gibt viele Überschneidungen und Einflüsse zwischen den verschiedenen Kulturkreisen.
Einige Auszüge aus dem E-Learning-Modul in Textform
Die zwei Auffassungen von Kultur (Kulturalisierungsregime) erklärt
Die Kulturalisierung I nimmt an, dass sich die Kultur der Menschen in Gestalt von Lebensstilen ausdrückt. Kulturelle Güter befinden sich in einem freien kulturellen Markt im Wettbewerb zueinander. Diese sind dabei grundsätzlich gleichberechtigt und können kulturell wertvoll sein. Die einzelnen Menschen streben nach Selbstverwirklichung und wählen aus verschiedenen kulturellen Gütern jene aus, die diesem Zweck am besten dienen. Dieses Konzept von Kultur bezeichnet man als Hyperkultur.
Die Kulturalisierung II nimmt an, dass die Kultur eines Menschen über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert ist. Sie teilt die Welt in Gemeinschaften auf, die sich strikt von ihrer Umgebung abgrenzen. So definiert sie auch verschiedene Kulturen. Sie nimmt an, dass innerhalb einer moralischen Identitätsgemeinschaft eine homogene Kultur existiert, die eben anders ist, als „die anderen“ Kulturen. Diese Form der Kulturalisierung nennt man Kulturessenzialismus.
Verhältnis zwischen den Kulturalisierungsregimen – Verähnlichung (Koexistenz) oder Verwerfung?
Was passiert, wenn die Hyperkultur auf den Kulturessenzialismus trifft? Viele aktuelle globale Konflikte lassen sich durch so ein Aufeinandertreffen verstehen. Dabei bieten sich von beiden Seiten zwei Möglichkeiten, mit der jeweils anderen Seite umzugehen: Verähnlichung und Verwerfung.
Verähnlichung heißt: Es wird versucht, Phänomene des anderen Kultur-Regimes in die Perspektive des eigenen zu integrieren und somit eine Koexistenz der beiden Kulturalisierungsregime zu ermöglichen.
Aus Sicht der Hyperkultur bedeutet das, dass die Identitätsgemeinschaften der Kulturalisierung II als eine weitere, grundsätzlich gleichgestellte Option auf dem Markt der kulturellen Optionen wahrgenommen werden. Diese Sichweise läuft beispielsweise darauf hinaus, dass religiöse, fundamentalistische Gruppen nicht über ein anderes Kulturverständnis begriffen werden, sondern als ein weiteres, willkommenes Phänomen kultureller Diversität. Die Burka erscheint gewissermaßen auf der gleichen Ebene von Kultur wie der Nasenring des Hipsters – als Ausdruck der individuellen Entscheidung für ein persönliches Kulturgut.
Auch der Kulturessenzialismus versucht die Kulturalisierung I in sein Kulturverständnis zu integrieren. In diesem Fall verstehen kulturelle Identitätsgemeinschaften die Hyperkultur nicht als anderen Entwurf, sondern als eine andere, weitere Identitätsgemeinschaft. „Der Westen“ oder „die Liberalen“ haben ebenso homogene Moralvorstellungen und feste Identifizierungsmuster wie Evangelikale oder Nationalisten.
Verwerfung heißt: Man nimmt die radikale Andersheit des anderen Regimes wahr und dramatisiert das Verhältnis in Form eines Freund-Feind-Schemas.
Aus Sicht der Hyperkultur ist der Kulturessenzialismus, wenn er erkannt wird, Feind der offenen Gesellschaft. Man begreift ihn als totalitär und dem eigenen Kulturalisierungsschema entgegengesetzt. Dieses Verständnis beschreibt die Perspektive großer Teile der (links-) liberalen Öffentlichkeit in Europa und den USA auf die diversen identitären Bewegungen, auf den Fundamentalismus der Religionen und den Nationalismus oder den heimischen Rechtspopulismus.
Eine komplementäre Perspektive findet sich auf Seiten der Kulturalisierung II. Diese begreift die Markt-und Selbstverwirklichungs-Kultur in dem Moment als Bedrohung, in dem sie in ihr nicht mehr nur eine andere Kultur mit ihren legitimen Eigenheiten wahrnimmt. Sie sieht dann ein expansives System, das die eigene Identitätsgemeinschaft aufzulösen droht. Diese Perspektive wirft „dem Westen“ immer wieder Morallosigkeit und Dekadenz vor und mündete in der Vergangenheit auch schon in Gewalt.
Ein Beispiel zu den verschiedenen Perspektiven
Die chinesische Regierung hat in der Vergangenheit auf etwaige Kritiken an Menschenrechtsverletzungen mit dem Argument geantwortet, die Menschenrechte bezeichneten Werte des Westens. Es wird nicht bestritten, dass der Westen diese Werte hat, aber sie können ihre Geltungskraft nur im Westen entfalten.
Fazit
Was die Spätmoderne charakterisiert, ist ein Konflikt zwischen zwei Kulturalisierungregimes, die sich letztlich in ihren Grundlagen gegenseitig ausschließen. Leicht übersieht man dabei allerdings das, was beide gemeinsam haben: Sie kulturalisieren, sie beinhalten Werte und laden damit das Soziale emotional deutlich mehr auf, als es für die standardisierenden und versachlichenden Prozesse gilt, welche die organisierte Moderne der Industriegesellschaft prägten. Die Pandora-Büchse der globalen Wertekonflikte, der „Kultur“, ist geöffnet und es gibt keine Anzeichen, dass sie so schnell wieder geschlossen wird.
Lösungen und Erklärungen aus den E-Learning-Einheiten
Lückentext 1
Kulturalisierung II (Kulturessenzialismus) findet sich in Gemeinschaften, die kollektive Identitäten beanspruchen. Diese Gemeinschaften reaktivieren Alltagskulturen aus traditionellen Gesellschaften. Kulturessenzialismus nimmt an, dass innerhalb einer moralischen Identitätsgemeinschaft eine homogene Kultur existiert, die sich von anderen Kulturen grundlegend unterscheidet.
Kulturalisierung I (Hyperkultur) nimmt die Form von Lebensstilen an, die sich von dem Ideal eines „guten Lebens“ leiten lässt. Es geht um das Streben nach individueller Selbstverwirklichung, in der alles kulturell wertvoll sein kann. Kultur findet in dieser Konstellation auf kulturellen Märkten statt, auf denen verschiedene kulturelle Güter, grundsätzlich gleichberechtigt, im Wettbewerb zueinander stehen.
Lückentext 2
Die Strategien der Koexistenz sind auf dem Rückzug und jene der Verwerfung erlangen Zulauf. Es fällt auf, dass in dem Moment in dem der grundsätzliche Antagonismus zwischen beiden Kulturalisierungsregimes offensichtlich wird, die Differenzen innerhalb der Regimes an Bedeutung verlieren. Innerhalb des Kulturalisierungsregimes I gilt dies für die „feinen Unterschiede“ zwischen den Lebensstilen und Milieus. Dies gilt sogar für die Differenzen zwischen den politischen Positionen. Noch auffälliger ist, dass innerhalb des Kulturessenzialismus die identitären Gegner von einst zu verbündeten werden, sobald sie sich durch das „liberale Regime des Westens“ bedroht sehen.
Die moderaten Sozialdemokraten und die moderaten Konservativen, die linksliberalen Kreativen und die wirtschaftsliberalen Performer rücken zusammen, wenn die reale oder vermeintliche Bedrohung durch den „totalitären“ Kulturessenzialismus vor der Tür steht. Auf der anderen Seite ergibt sich ein Schulterschluss zwischen evangelikalen und orthodox- muslimischen Glaubensgemeinschaften im Kampf gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare oder zwischen Le Pen und Putin gegen die USA.