KulturkugelDer Neologismus Kulturkugel ist ein Komposition aus dem Begriff Kultur sowie dem geometrischen Körper Kugel und ist auf Herder zurückzuführen. Herder bezeichnet dieses Veranschaulichungsmodell auch als „Kugelmodell der Kulturen“. Das lateinische Wort cultura bedeutet „Pflege, Ackerbau“ (vgl. Metzler Lexikon 2007, 407). Das Wort Kultur wurde in Abgrenzung zur Natur erstmals als wissenschaftlicher Begriff im 18. Jahrhundert verwendet und bezeichnet „jegliche Art von menschlicher Ausbildung, Tätigkeit und Produktion, die über das von Natur gegebene hinausgeht und neue Artefakte, Fähigkeiten, Bedeutungen und Symbole hervorbringt“ (Metzler Lexikon 2007, 407).

Zivilisation

In Frankreich wurde der Begriff Kultur als Synonym für Zivilisation (vgl. Metzler Lexikon 2007, 408) verwendet, um Sachverhalte, menschliche Fähigkeiten und Errungenschaften zu beschreiben, denen ein gewisses Maß an Bildung zugrunde liegt und um ihn von der Barbarei abzugrenzen. Heutzutage wird der Begriff in ähnlicher Hinsicht verwendet, sodass Kultur im engeren Sinne als darstellende Kunst, bildende Kunst, Musik, Theater, Film, Literatur oder Architektur verstanden wird (kulturglossar.de 2019).

Allerdings erweiterte sich die Bedeutung des Begriffs im Laufe der Zeit, sodass der Begriff Kultur heutzutage gemäß der alltäglichen, nicht-wissenschaftlichen Auffassung die Merkmale von Menschen und ihre gemeinsame Abstammung meint. Er steht für „die Lebenswelt, in der wir uns bewegen, die wir und durch unser Zusammenleben geschaffen haben und ständig neu schaffen, und in der wir uns in der Regel unreflektiert bewegen (geteilte Werte/ Anschauungen)“ (kulturglossar.de 2019). Dazu gehören unter anderem Sitten, Bräuche, Werte, Normen und Sprachen.

Das Kugelmodell der Kulturen

Herder versucht in seinem Kugelmodell der Kulturen „sämtliche menschliche Lebensäußerungen zu umfassen“ (Kohl 2013, 23). Er geht von der Annahme aus, Kulturen seien in sich geschlossene, homogene Systeme, die wie eine Kugel einen Mittel- bzw. Schwerpunkt haben. Der Mittelpunkt lässt sich über die Ethnie respektive die Zugehörigkeit zu einem Volk und die gemeinsam geteilte Sprache definieren. Herders Kugelmodell und seine Auffassung einer homogenen, in sich geschlossenen Kultur ist durch den sich im 18. Jahrhundert herausbildenden Nationalstaatsgedanken erklärbar und fand während des Nationalsozialismus den Versuch einer normativen radikalen Umsetzung (Welsch 2010, 8 ff.) Von der heutigen Forschung wird er jedoch kritisiert. Es wird ausgeblendet, dass eine „ethnische Durchmischung“ (Kohl 2013, 24) stattfinden kann und dass diese seit jeher durch Migrationsprozesse erfolgt. Als Beispiel seien in diesem Zusammenhang die Völkerwanderung und die Flucht politisch Verfolgter im 20. und 21. Jahrhundert zu erwähnen.

Sub- und Jugendkulturen

Zudem wird kritisiert, dass ein Individuum nach dieser Auffassung nicht von seiner Kultur abweichen darf, sondern sich den gesellschaftlichen Werten dieser Kultur entsprechend verhalten muss. Dabei erweist sich die Definition der gesellschaftlichen Werte der Kultur bereits als problematisch, da auch innerhalb einer als Kultur bezeichneten Gesellschaft Unterschiede in dem Bildungsstand, der finanziellen Situierung und der politischen Ausrichtung bestehen können. Häufig bilden sich in einer Gesellschaft zahlreiche Sub- und Jugendkulturen heraus, die untereinander auch rivalisieren können. Ein Beispiel dafür wäre die Popper- und Punkerbewegung der 1980er Jahre.

Literatur

Burgdorf, D./ Fasbender, C./ Moennighoff, B. (Hrsg.) (2007): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. 3. Aufl. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler.

Welsch, W. (2010): Standbeine dürfen nicht zum Klumpfuß werden. Wolfgang Welsch im Gespräch über eine transkulturell orientierte Gesellschaft – und wie Musik Menschen zusammenführen kann. In: Musikforum. Über Grenzen hinaus. Wege in transkulturelle Welten. Heft 1. Januar–März.

Schönhuth, M. (o. J.): Das Kulturglossar. http://kulturglossar.de/html/k-begriffe.html#kulturbegriff_eng [03.12.2019].

Kohl, P. (2013): Aufwertung und Identität im transkulturellen Raum. Divergierende Rezeptionen zweier Mannheimer Stadtquartiere. Wiesbaden: Springer.

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Wahre interkulturelle Begebenheiten werden in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Verschleierte Haarfarbe

Im Unterrichtsraum saßen 20 Schüler aus verschiedenen Ländern. Es war eine A1-Stufe und in dem Modul ging es um das neue grammatikalische Thema Adjektivdeklination. Die junge deutsche Lehrerin, die seit Kurzem im DaF-Bereich unterrichtete, versuchte, mit den Schülern interaktiv zu arbeiten. Da es ein komplexes Thema war, brachte es nichts, die Tabelle auswendig zu lernen. Vor allem waren Übungen und konkrete Beispiele von großer Bedeutung und wichtig, um sich alles ein wenig einfacher einprägen zu können.

Die Lehrkraft wandte sich an jeden mit Fragen bezüglich einer Farbe wie z. B. Welche Farbe hat deine Bluse? oder Welche Farbe hat dein Stift? Die Schüler sollten mit einer durch ein Adjektiv erweiterten Nominalphrase antworten. Es lief alles wunderbar, bis sie sich zu einer Schülerin, die aus der Türkei stammte und ein Kopftuch trug, drehte und sie nach ihrer Haarfarbe fragte. Darauf reagierte die Türkin nicht. Sie weigerte sich, weiter aktiv am Unterricht teilzunehmen und blieb bis zum Ende still an ihrem Platz sitzen. Die Lehrerin versuchte, eine Erklärung von ihr zu bekommen. Da die Sprachkenntnisse der Schülerin sehr gering waren und sie ausschließlich Türkisch konnte, war es für sie schwierig, ihre Position zu dem Ganzen zu begründen. Der Unterricht ging irgendwann zu Ende und am nächsten Tag kam die böse Überraschung.

Auf die Lehrerin wartete der aufgebrachte und entsetze Ehemann, der aufgrund der unangemessenen Frage nach der Haarfarbe seiner Frau sehr beleidigt war. Die Lehrerin war sich dessen nicht bewusst gewesen, verstand aber so langsam die Problematik. Der Schuldirektor konnte die Situation ein wenig entschärfen. Er unterhielt sich lang mit dem Ehemann, da er auch über Türkischkenntnisse verfügte und konnte die Problematik unter Kontrolle kriegen, bevor es eskalierte. Man konnte dem Mann die Empörung im Gesicht ablesen.

Streit Mubarak

In einem Kurs für Deutsch als Fremdsprache befanden sich tunesische Studierende, die seit kurzer Zeit in Deutschland lebten. Da gerade Zuckerfest im Islam war, wurde aus religiösen Gründen gefastet, d. h. die gläubigen Muslime durften in der dreißigtägigen Fastenzeit von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang nichts essen und trinken. Für die Teilnehmenden war es der erste Ramadan in einem fremden Land und ohne die Familie.

Der Unterricht begann, es war ein heißer Sommertag, der Lehrer stellte seine Trinkflasche auf den Tisch und trank während des Kurses davon. In der zu bearbeitenden Lektion ging es um die deutsche Küche – Essen, Trinken, Konsum, Essenstraditionen und Angewohnheiten.

Am nächsten Tag ging der Lehrer wie gewöhnlich in seinen Raum und wartete vergeblich auf die Schüler. Später stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden den Kurs abgebrochen hatten, weil sich der Lehrer ihnen gegenüber respektlos verhalten hatte. Während des Ramadans über Essen zu reden und die fastende Person somit in Versuchung zu bringen, sei die eine Sache, aber vor fastenden Menschen Wasser zu trinken, sei wirklich unerhört.

Maorische Begrüßung

Endlich am Flughafen. Die große Reise konnte beginnen. Der 16-jährige Lukas flog als Austauschschüler nach Neuseeland. Er freute sich darauf, einmal weit weg von zu Hause zu sein und eine neue Kultur kennen lernen zu können. Die Urbewohner Neuseelands nennen sich Maori.

Als er bei seiner Gastfamilie ankam, veranstalteten sie zur Begrüßung ein landestypisches BBQ. Einige der Familienmitglieder hatten eine maorische Urabstammung, so auch Lukas’ Gastcousin. Er kam auf Lukas zu, um ihn zu begrüßen. Als er ihm dabei mit dem Kopf verdächtig nah kam, sprang Lukas weg. Was sollte das denn? Er lasse sich doch nicht von Fremden küssen! Um ihn herum herrschte betretenes Schweigen. Nach der unangenehmen Stille fing seine Gastfamilie an zu lachen. Seine Gastmutter klärte ihn auf: „Maoris begrüßen fremde Mitglieder traditionell durch ein Aneinanderdrücken der Nasen, er wollte dich doch nicht küssen!“

Trauerfeier?  

Geburtstage werden in vielen Ländern gefeiert. Geschenke sind meistens selbstverständlich. Als ich mit Freunden in Deutschland meinen ersten, den 18. Geburtstag feierte, war eine große Gartenparty geplant. Die Vorbereitungen fingen schon tagelang vorher an. Es wurde viel organisiert und sogar über die Dekoration machte ich mir Gedanken. Da es der 18. Geburtstag war, war es auch ein emotional großes Ereignis.

Lange Rede, kurzer Sinn. Der Tag war angekommen, die Gäste kamen einer nach dem anderen. Das Wetter spielte mit und die Stimmung war einmalig. Geschenke sind mir wirklich nicht wichtig und es ist nebensächlich, was geschenkt wird. Es ist aber immer eine sehr nette Geste und man freut sich natürlich darüber. Der Tisch mit den Präsenten wurde immer voller und voller. Schön gebundene Blumensträuße wurden überreicht, aber dann passierte etwas völlig Unerwartetes.

Eine Freundin gab mir ein Bukett voller Rosen und erläuterte: „18 Rosen – eine für jedes Lebensjahr.“ Blumen finde ich herrlich und ich liebe sie über alles. Sie eignen sich meistens als kleine Aufmerksamkeit und sind auch in Bulgarien ein angemessenes Geschenk. Aber ich kann gar nicht in Worte fassen, was für negative Gefühle das Ganze in mir auslöste. Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut und merkte, dass mich dieser unheimliche Blumenbund sehr irritierte und ich noch nicht einmal Lust hatte, die Rosen entgegenzunehmen. In meinem Heimatland, Bulgarien, muss die Anzahl der Blumen auf jeden Fall ungerade sein, weil Blumen in gerader Zahl nur bei traurigen Anlässen, z. B. auf Beerdigungen überreicht werden.

Iren in Berlin: Schock in der Sauna

Ich beschloss, einen Freund in Berlin für ein Wochenende im September zu besuchen. Am Freitag gingen wir zu einer Party und am Samstag waren wir sehr verkatert.

Meine Heimatuniversität in Irland hat neben dem Schwimmbad eine Sauna, die ich bei einer Krankheit oder einem Kater nutze. Auch mein Freund entdeckte eine Sauna in der Nähe seiner WG. Also kauften wir uns Badekleidung und gingen in die Sauna. In der Sauna setzte sich plötzlich ein Mann neben meinen Freund. Er war völlig nackt.

Wir verließen völlig schockiert die Sauna. Später erklärte uns der deutsche Mitbewohner meines Freundes, dass es in Deutschland normal sei, in Saunas keine Badesachen zu tragen. In Irland hingegen tragen wir immer Schwimmkleidung. Es war sehr lustig, aber ich denke, Saunas in Deutschland sind nichts für mich.

17. Februar 2020

Kulturkugel – Kugelmodell der Kulturen

Der Neologismus Kulturkugel ist ein Komposition aus dem Begriff Kultur sowie dem geometrischen Körper Kugel und ist auf Herder zurückzuführen. Herder bezeichnet dieses Veranschaulichungsmodell auch als „Kugelmodell […]