Die sexuelle Identität bezieht sich auf lesbische, schwule, bisexuelle, pansexuelle, demisexuelle, asexuelle und pansexuelle Personen.
Während die sexuelle Orientierung die „Ausrichtung der sexuellen und emotionalen Bedürfnisse eines Menschen auf andere Menschen des gleichen oder des anderen Geschlechts oder auf beide Geschlechter.”(1; vgl. Sexuelle Orientierung-in Psychotherapie und Beratung S.6) beschreibt, so ergänzt die sexuelle Identität den Begriff um den Wert des Selbstverständnisses, welcher sich nicht ausschließlich durch sexuelle Beziehungen oder Handlungen zu oder mit anderen Personen bestimmen lässt.
Nach Magret Göth und Ralph Kohn sei sexuelle Identität die Identität, die ein Mensch ausgehend von seiner sexuellen Orientierung entwickelt. Die Entwicklung der Identität würde von der individuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Situation und durch weitere Aspekte beeinflusst werden. (2; vgl. Sexuelle Orientierung-in Psychotherapie und Beratung S.6)
Auch hier zeigt sich, dass sich die sexuelle Identität aus der sexuellen Orientierung entwickeln kann, beide Begriffe jedoch nicht synonym zu verwenden sind. Ebenso ist zu betonen, dass auch das sich Sexuell -nicht-angezogen-fühlen, was sich auch darin äußern kann keine sexuellen Beziehungen einzugehen, ebenfalls eine sexuelle Identität sein kann, nämlich Asexualität. Die sexuelle Identität ausschließlich an sexuelle Beziehungen/Handlungen zu knüpfen kann folglich zu Fehlschlüssen führen. Des Weiteren kann die sexuelle Identität durch unter anderem kulturelle Prägungen beeinflusst werden, aber auch individuelle Entwicklungen können sich abzeichnen, die sexuelle Identität greift folglich umfassender, als die sexuelle Orientierung.
Stefan Timmermann hingegen definiert sexuelle Identität so: ,,Die sexuelle Identität ist das grundlegende Selbstverständnis der Menschen davon, wer sie als geschlechtliche Wesen sind – wie sie sich selbst wahrnehmen und wie sie von anderen wahrgenommen werden (wollen). Sie umfasst das biologische, das soziale und auch das psychische Geschlecht sowie die sexuelle Orientierung.“ (3; vgl. Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung, S. 261). Des Weiteren sei die sexuelle Identität im Laufe des Lebens nicht statisch, sondern vielmehr veränderbar (4; vgl. Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung,S. 261).
Hier zeigt sich deutlich, dass sexuelle Beziehungen, die sich aus der sexuellen Orientierung ergeben können, nicht automatisch identitätsbildend sein müssen, vielmehr handelt es sich um ein Selbstverständnis, welches wandelbar sein kann.
,,Asexuell: Asexuelle Personen fühlen sich nicht sexuell von anderen Menschen angezogen. Bisexuell Bisexuelle Personen fühlen sich in ihrem romantischen, erotischen und/oder sexuellen Begehren zu Personen des eigenen oder des „anderen“ Geschlechts hingezogen. Diese Bezeichnung der sexuellen Identität setzt die Selbstverortung in der binären Geschlechterordnung voraus (vgl. „pansexuell“). (…)
Demisexuell: Demisexuelle Personen fühlen sich nur sexuell zu Personen hingezogen, zu denen sie bereits eine enge Beziehung aufgebaut haben.
Heterosexuell: Heterosexuelle Personen fühlen sich in ihrem romantischen, erotischen und/oder sexuellen Begehren zu Personen des „anderen“ Geschlechts hingezogen. Diese Bezeichnung der sexuellen Identität setzt die Selbstverortung in der binären Geschlechterordnung voraus. Heteronormativität gilt als gesellschaftliches Ordnungsprinzip, mit dem Sexualität und Geschlecht normiert werden.
Homosexuell: Homosexuelle Personen fühlen sich in ihrem romantischen, erotischen und/oder sexuellen Begehren zu Personen des gleichen Geschlechts hingezogen. Diese Bezeichnung der sexuellen Identität setzt die Selbstverortung in der binären Geschlechterordnung voraus. Mitunter pathologisierend wahrgenommene Bezeichnung, weshalb eher auf die Bezeichnung „lesbisch“ und „schwul“ zurückgegriffen wird. (…)
Lesbisch: Diese Bezeichnung der sexuellen Identität setzt die Selbstverortung in der binären Geschlechterordnung voraus. Hierunter wird die gleichgeschlechtliche sexuelle Identität von Frauen verstanden. Ehemals als abwertend verwendet, durch die lesbisch-schwule Emanzipationsbewegung aber zur positiv besetzten Selbstbezeichnung geworden. (…)
Pansexuell: Pansexuelle Personen fühlen sich zu anderen Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht hingezogen. Dies schließt neben Männern und Frauen auch trans- und intergeschlechtliche Personen mit ein. Hiermit wird die binäre Geschlechterordnung infrage gestellt. (…)
Schwul: Diese Bezeichnung der sexuellen Identität setzt die Selbstverortung in der binären Geschlechterordnung voraus. Hierunter wird die gleichgeschlechtliche sexuelle Identität von Männern verstanden. Ehemals als abwertend verwendet, durch die lesbisch-schwule Emanzipationsbewegung aber zur positiv besetzten Selbstbezeichnung geworden.
Sexuelle Identität: Wird auch als sexuelle Orientierung bezeichnet. Identität betont, dass es sich nicht nur um die Orientierung in Hinblick auf mögliche Partner_innen handelt, sondern es sich um einen Bestandteil der Identität handelt. Gleichwohl kann sich diese im Laufe eines Lebens verändern. Mitunter wird auch das Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität hierzu gezählt, weil die Identifikation der sexuellen Identität auf Geschlechterkategorien angewiesen ist. In diesem Bericht wird Geschlecht als eine mögliche Querschnittsdimension gefasst, die mit der sexuellen Identität zusammenwirken und zu mehrdimensionalen bzw. intersektionalen Erfahrungen führen kann.“ (zitiert aus Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität von Dorina Kalkum, Magdalena Otto, August 2017, Seite 124ff. (5)
Sexuelle und Gender Identität beschreiben zwar nicht das Gleiche, jedoch sind sie oft miteinander verbunden. Die Gender Identität beschreibt das soziale Geschlecht, also jenes mit dem sich eine Person identifiziert. Dieses kann vom biologischen Geschlecht abweichen. (6)
Der Grund für eine Einführung der Genderidentität sieht Judith Butler in der Problematik die ein binäres Geschlechtersystem mit sich bringt. Es ist biologisch nicht von der Hand zu weisen, dass es auch Menschen mit mehreren morphologischen Geschlechtsmerkmalen gibt. Somit wäre es nicht zulässig diese vermeintliche Binärität auf die Geschlechtsidentität zu übertragen. Im Englischen unterscheidet man das biologische Geschlecht (sex) vom sozialen Geschlecht (gender), um diese Unterscheidung im Deutschen vorzunehmen sind die Begriffe Geschlecht (sex) und Geschlechtsidentität (gender) zu verwenden. (7; vgl. Das Unbehagen der Geschlechter (Gender Trouble), S. 23ff.)
Während die Genderidentität beschreibt wie man sich selbst liest oder gelesen werden möchte, so umfasst die sexuelle Identität auch die zwischenmenschlichen sexuellen Beziehungen, (oder bei Asexualität die Abwesenheit von sexueller Anziehung).
Genaueres zu Gender ist hier: https://www.hyperkulturell.de/glossar/gender/ zu finden.
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Literatur
1 Göth, M.; Kohn, R. (2014): Sexuelle Orientierung-in Psychotherapie und Beratung. Springer Verlag: S. 6
2 Göth, M.; Kohn, R. (2014): Sexuelle Orientierung-in Psychotherapie und Beratung. Springer Verlag S. 6
3 Sielert, U. [Hrsg.]; Schmidt, R. (2008): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Juventa Verlag: S. 261
4 Sielert, U. [Hrsg.]; Schmidt, R. (2008) Vgl. Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung (2008): S. 261
5https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_diskrimerfahrungen_in_de_anhand_der_sex_identitaet.pdf;jsessionid=E2D04807FA660332333E3B75FB02D856.intranet211?__blob=publicationFile&v=3 S.124 (Zugriff 20.08.2021)
7 Butler, J.. [Hrsg.]; edition suhrkamp 2433(1991): Das Unbehagen der Geschlechter; Originaltitel: Gender Trouble; Suhrkamp Verlag: S.23 ff.
Antidiskriminierungsstelle – Sexuelle Identität
Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht geschildert:
Einen Moment noch
Robin, ein 23-jähriger Student der Religions- und Bildungswissenschaften, absolvierte im Rahmen seines Studiums ein sechswöchiges Praktikum in Kenia. Er arbeitete dort bei verschiedenen Projekten mit und musste jeden Tag mit unterschiedlichen Leuten zu diversen Meetings fahren. Ort und Uhrzeit des nächsten Meetings erfuhr Robin meist erst am Vortag, im Normalfall fand es aber zwischen 8 und 10 Uhr morgens statt. Da es seine erste Woche war, war er stets bemüht, diese Zeiten auch einzuhalten – so wie er es in Deutschland ebenfalls tun würde, um einen guten Eindruck zu machen. Also erschien Robin am ersten Tag zur vereinbarten Uhrzeit am Treffpunkt, wo er über Inhalte und Abläufe des Projekts aufgeklärt wurde. Als alles geklärt war, fuhren sie aber nicht los, sondern es wurden erst einmal Tee und Frühstück aufgetischt. Nach 45 Minuten fragte Robin schließlich, wann sie starten würden. Es stellte sie heraus, dass sie noch auf ein größeres Auto warteten.
Als dieses nach weiteren 20 Minuten endlich vorfuhr, dachte Robin: „Jetzt geht es endlich los!“ Doch dann wurde noch ein anderer Fahrer benötigt, weshalb es noch einmal eine Runde Tee für alle gab. Schließlich, fast drei Stunden nach der vereinbarten Zeit, ging die Fahrt zum Treffen los. Nach zwei Stunden Autofahrt kam die Gruppe bei einer kleinen, einsam gelegenen Hütte an. Robin war besorgt, wie die Anwesenden auf die dreistündige Verspätung reagieren würden, aber es war noch keiner der anderen Volontäre eingetroffen…
In den folgenden Wochen stellte Robin schnell fest, dass dieser Tag keine Ausnahme, sondern die Regel darstellte. Dies erklärte, warum pro Tag nur ein zweistündiges Meeting geplant war. An manchen Tagen, wenn das Zeitmanagement gut lief, war er bereits um 11 Uhr mit seiner Arbeit fertig, an anderen Tagen erst um 17 Uhr. Robin gewöhnte sich schnell daran, die Wartezeit anders zu nutzen.