Der Terminus Feminismus beschreibt a) „eine Bewegung, die sich für politisch-praktische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenschancen von Frauen einsetzt ( Frauenbewegung, Emanzipation), und b) theoretisch-wissenschaftliche Bemühungen, die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts als Barriere wissenschaftlicher (und praktischer) Erkenntnis wahrzunehmen und zu überwinden“ (Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).
Es wird eine grundlegende Veränderung der Position der Frau antizipiert, indem Lebenssituation, gesellschaftliche Rollen sowie Strukturen und Prozesse, die eine Unterordnung der Frau konzipieren, angepasst werden (vgl. Thiessen 2008, 38).
Geschichtlicher Hintergrund der Frauenbewegung
Historisch betrachtet kennzeichnet Feminismus eine Bewegung, die politisch und sozial geprägt war und eine theoretische Leitlinie vertritt. Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden Frauenbewegungen aus bisherigen Bewegungen, die gesellschafts- und herrschaftskritisch waren und darauf abzielten, gleiche bürgerliche Rechte für Frauen, wie sie für Männer bereits galten, sowie u.a. im Bereich der Fortpflanzung, zu schaffen (vgl. Müller 2013, 132, 134). Zu den verschiedenen feministischen Bewegungen gehören z.B. Liberaler Feminismus, Ökofeminismus und Schwarzer Feminismus (vgl. Thiessen 2008, 38).
Bevor diese Bewegungen entstanden, wurden feministische Ansätze bereits im literarischen Bereich von u.a. Simone de Beauvoir, Mary Wollstonecraft und Virginia Woolf vertreten. Elaine Showalter benennt chronologisch drei Phasen weiblichen Schreibens: 1. Feminine phase (1840-1880), in welcher ästhetische männliche Normen und Standards imitiert wurden, 2. Feminist phase (1880-1920), in der oft radikale und separatistische Positionen vertreten wurden und 3. Female phase (1920 bis heute), die sich vor allem auf weibliches Schreiben und Erfahren fokussiert (vgl. Barry 2009, 116, 118). Judith Butler ist aktuell eine Autorin, die sich insbesondere mit Gender auseinandersetzt (vgl. Barry 2009, 139; Thiessen 2008, 41).
Zu den relevantesten Bewegungen gehören die beiden Frauenbewegungen in den 1960/70er Jahren, in welchen die Frauen, besonders im Bereich Sexualität und Bevölkerungspolitik, Forderungen stellten (vgl. Barry 2009, 116f.; Müller 2013, 131). Insgesamt war die unbezahlte Arbeit, die sie leisteten, ebenfalls ein wichtiges Thema von der Französischen Revolution bis zu Bewegungen in der ehemaligen DDR. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu Aufspaltungen zwischen den Frauen, da die Forderungen sich auf die jeweilige Schicht ihrer (Ehe-)Männer bezogen, sodass proletarische und bürgerliche Frauen einander gegensätzlich waren und sich teilweise erneut ihrem Mann unterordnen mussten (vgl. Müller 2013, 131f.).
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dagegen, orientierte sich wieder stark an der Ersten Frauenbewegung. Feminismus wurde mit Sozialismus verknüpft und durch die Abgrenzung von den Männern wurde eine eigene Kultur im politischen Bereich sowie in der Forschung angestrebt. Trotz zwischenzeitlicher Erfolge in der DDR, wie z.B. der Erlaubnis zur Abtreibung, waren Frauen größtenteils noch immer in den Hintergrund gedrängt (vgl. Müller 2013, 133).
Feminismus im akademischen und aktuellen Diskurs
Feministische Kritik ist „a specific kind of political discourse: a critic and theoretical practice committed to the struggle against patriarchy and sexism” (Moi 1989, 117). Statt von „Feminismus” sollte allerdings eher die Rede von „Feminismen” sein, weil die Anliegen der verschiedenen Bewegungen sehr vielfältig sind – wenngleich ein wechselseitiger Austausch sowie eine Beeinflussung stattfand und weiterhin stattfindet (vgl. Lenz 2018).
Trotz der zahlreichen Ansätze lassen sich diese anhand eines ähnlichen Verständnisses von Geschlecht und Gesellschaft bündeln. Es kann zwischen strukturellen Feminismen, welche sich auf die geschlechtlichen Ungleichheiten und Machtverhältnisse fokussieren, sowie institutionellen Feminismen, die sich eher auf pragmatische Reformen und Strukturveränderungen konzentrieren, unterschieden werden. Zu weiteren Unterkategorien zählen diskursive Feminismen, die sich darauf fokussieren, wie Bilder von Geschlecht kulturell geschaffen und verbreitet werden sowie die queeren Feminismen, welche die sexuelle und körperliche Vielfalt thematisieren und deren Anerkennung fordern. (vgl. Lenz 2018).
Neben Feminismen und Frauenbewegung ist insbesondere im akademischen Kontext die Geschlechterforschung zu unterscheiden, welche eine interdisziplinäre Wissenschaftsrichtung darstellt, die kulturelle und soziale Verhältnisse aus einer Geschlechterperspektive kritisch erforscht und sich dabei auf wissenschaftliche Theorien und Methoden stützt (vgl. Lenz 2018).
Ebenso in aktuellen gesellschaftlichen Diskursen spielt der Feminismus eine wichtige Rolle. Besonders erwähnenswert und bis heute aktuell ist die 2006 von der U.S.-Amerikanischen Aktivistin Tarana Burke ins Leben gerufene MeToo-Bewegung, welche allerdings erst 2017 durch einen #MeToo-Tweet von Alyssa Milanos populär wurde. Diese fordert dazu auf, diesen Hashtag zu teilen, wenn man, wie sie, bereits sexualisierter Gewalt ausgesetzt worden ist (vgl. Martini 2020, 1). “Im Kern geht [..] [es in der #MeToo-Debatte] darum, dass Frauen selbst über ihren Körper und ihre Sexualität bestimmen wollen” (Lenz 2018).
Eine weitere kontroverse Debatte begann J.K. Rowling Ende 2019 mit einem Tweet, in dem sie sich hinter die britische Forscherin Maya Forstater stellte, welche zuvor proklamiert hatte, dass das biologische Geschlecht nicht gewechselt werden könne (vgl. Steiner 2019). Damit zog sie Kritik aus der Transgender-Gemeinschaft auf sich (vgl. Hanfeld 2020).J.K. Rowling betont jedoch, dass sie die Rechte von Frauen, Männern, Homosexuellen, Hetero- und Transsexuellen verteidige (vgl. Rowling 2020).
Beispiele für Feminismus im Alltag
Kampf gegen sexuelle Belästigung:
Frauen können sich dafür einsetzen, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit nicht toleriert wird, sei es durch das Melden von Vorfällen oder die Ausbildung von Sensibilität gegenüber grenzüberschreitendem Verhalten.
Förderung von Bildung:
Frauen können sich dafür einsetzen, dass Bildung für Mädchen und Frauen weltweit zugänglich ist, um ihre Chancen in der Berufswelt zu verbessern und traditionelle Geschlechterrollen zu durchbrechen.
Elternschaft und Karriere:
Frauen können sich dafür einsetzen, dass Elternschaft und Karriere besser miteinander vereinbar sind, sei es durch das Schaffen von flexibleren Arbeitsmodellen oder der Übernahme von Führungspositionen durch Frauen mit Kindern.
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Literatur
Barry, Peter (2009): Beginning Theory. An Introduction to Literary and Cultural Theory.
Peter Barry und Helen Carr (Hrsg.). 3. Auflage. Manchester und New York: Manchester University Press.
Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.): Feminismus. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17484/feminismus [18.09.2020].
Hanfeld, Michael (2020): J. K. Rowling legt im Streit um Transgender-Vorstellungen nach. FAZ.NET.https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/j-k-rowling-legt-im-streit-um-transgender-vorstellungen-nach-16810240.html#void [19.09.2020].
Lenz, Ilse (2018): Von der Sorgearbeit bis #MeToo. Aktuelle feministische Themen und Debatten in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung. bpb.de/apuz/267940/von-der-sorgearbeit-bis-metoo-aktuelle-feministische-themen-und-debatten-in-deutschland?p=all [19.09.2020].
Martini, Franziska (2020): Wer ist #MeToo? Eine netzwerkanalytische Untersuchung (anti-)feministischen Protests auf Twitter.. Medien & Kommunikationswissenschaft 3 (68): 255.
Moi, Toril (1989): Feminist, Female, Feminine. In: The Feminist Reader. Essays in Gender and the Politics of Literary Criticism. Catherine Belsey und Jane Moore (Hrsg.). New York: Basil Blackwell, 117–32.
Müller, Ursula G.T. (2013): Dem Feminismus eine politische Heimat – der Linken die Hälfte der Welt. Die politische Verortung des Feminismus. Wiesbaden: Springer VS.
Rowling, Joanne K. (2020): J.K. Rowling Writes about Her Reasons for Speaking out on Sex and Gender Issues. J.K. ROWLING. https://www.jkrowling.com/opinions/j-k-rowling-writes-about-her-reasons-for-speaking-out-on-sex-and-gender-issues/ [19.09.2020].
Steiner, Noëlle. (2019): J.K. Rowling erntet Shitstorm wegen Geschlechter-Tweet. Nau media.https://www.nau.ch/people/welt/jk-rowling-erntet-shitstorm-wegen-geschlechter-tweet-65631793 [19.09.2020].
Thiessen, Barbara (2008): Feminismus: Differenzen und Kontroversen. In: Handbuch Frauen- Und Geschlechterforschung. Theorien, Methoden, Empirie. Ruth Becker und Beate
Kortendiek (Hrsg.). 2. erw. und aktual. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 37-44.
Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:
Schwein oder nicht Schwein …
Ein Bekannter von mir lernte in den ersten Wochen auf der weiterführenden Schule einen neuen Freund kennen. Als er zu Hause fragte, ob dieser demnächst zu Besuch kommen könne, zeigte sich seine Mutter erfreut über den schnellen Anschluss in der neuen Schule und stimmte zu. Für den Besuch wollte sie etwas kochen, was alle Kinder gerne essen und womit sie auf keinen Fall falsch liegen würde. Sie entschied sich für Spaghetti Bolognese, das Lieblingsgericht ihres Sohnes.
Sobald alle am Tisch saßen, wollte sie den Teller des Freundes füllen. Dieser wehrte jedoch ab und erzählte, dass er Muslim sei und daher kein Schweinefleisch esse. Die Mutter war perplex, hatte ihr Sohn doch mit keinem Wort die türkische Herkunft oder auch nur den Namen des Freundes im Vorfeld erwähnt. Als der nächste Besuch des muslimischen Jungen anstand, wollte sie ihren Fauxpas wieder gut machen, auch wenn der Junge mehrfach betont hatte, dass es nicht schlimm sei. Sie suchte ein aufwendiges Rezept ohne Schweinefleisch heraus und bereitete extra noch einen leckeren Nachtisch zu.
Kaum war der Freund ihres Sohnes zur Tür herein, da begrüßte sie ihn überschwänglich und verkündete freudestrahlend den Speiseplan. Etwas betreten erwiderte der Junge: „Es tut mir leid, aber heute esse ich gar nichts. Es ist Ramadan.“