Der Begriff Artefakt stammt aus dem Lateinischen und leitet sich von ars/ arte „Kunst, Handwerk/mit Geschick“ und factum „das Gemachte“ ab. Ars bezieht sich hierbei auf die Fähigkeit und das Können, etwas herzustellen und zu gestalten, während factum auf das Resultat dieser Tätigkeit hinweist, also auf das Gemachte oder Hergestellte. Artefakt bezeichnet von Menschen geschaffene Objekte und Ausdrucksformen. Ausdrucksformen lassen sich als Symbole und symbolische Handlungen darstellen (vgl. Harris 1989).
Ein Artefakt ist im vorgeschichtlichen Kontext ein „Stein, der durch Bearbeitung Werkzeugcharakter erhalten hat; künstlich hergestellter Gebrauchsgegenstand; auch die Abschläge bei der Steinbearbeitung“ (Brockhaus).
Die Geschichte des Begriffs Artefakt reicht weit zurück. Bereits in der Antike wurde er verwendet, um die von Menschen hergestellten Gegenstände von den natürlichen oder von Tieren produzierten Objekten zu unterscheiden. In der archäologischen Forschung spielt der Begriff eine zentrale Rolle bei der Identifikation und Interpretation der gefundenen Überreste vergangener Kulturen.
Im Laufe der Zeit hat sich das Verständnis der Menschen für kulturelle Relikte verändert. Während der Renaissance und des Barock wurde das Interesse an antiken Artefakten wiederentdeckt und viele Schätze wurden ausgegraben und gesammelt. Diese Objekte dienten als Inspiration für Kunstwerke und wurden zu begehrten Sammlerstücken bei Aristokraten und gebildeten Bürgern.
Während der Aufklärung und dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften wurden Artefakte zunehmend als wissenschaftliche Quellen betrachtet. Archäologen, Historiker und Anthropologen begannen, Artefakte als wichtige Zeugnisse vergangener Kulturen und Gesellschaften zu betrachten. Sie analysierten und katalogisierten die gefundenen Objekte, um Rückschlüsse auf Lebensstile, Technologie, Religion und andere Aspekte menschlichen Verhaltens zu ziehen.
Im 19. und 20. Jahrhundert fand der Begriff Artefakt auch Einzug in andere Wissenschaftszweige wie die Informatik und die Medizin. In der Informatik bezeichnet ein Artefakt beispielsweise eine Datei, die im Rahmen einer Softwareentwicklung erstellt wurde. In der Medizin werden mit dem Begriff unerwünschte Störungen oder Verfälschungen in medizinischen Bildern oder Messergebnissen bezeichnet.
Heute hat sich der Ausdruck Artefakt in vielen verschiedenen Disziplinen etabliert und wird je nach Kontext unterschiedlich verwendet. Kern bleibt jedoch die Vorstellung von Menschenhand geschaffenen Objekten, die uns Einblicke in die Vergangenheit ermöglichen und wichtige Informationen über unsere Gesellschaft und Kultur liefern.
„Kultur ist zwiebelähnlich in verschiedenen Schichten angeordnet. Wobei jede Schicht die andere bedingt – und damit beeinflusst“ (Dahl 2000). Bei dem Kulturzwiebelodell nach Spencer-Oatey finden sich Artefakte in der äußeren Schicht wieder und stehen für „die offensichtlichen Anzeichen der Kultur“ (Dahl 2000), „die äußerlich sichtbar sind und die Werte und Normen der Gesellschaft symbolisieren“ (M. A. R. E. 2005).
Trotz dieser offensichtlichen Anzeichen fordern die kulturabhängigen Bedeutungen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Zudem sollte sich bewusst gemacht werden, in welchem sprachlichen, religiösen und kulturellen Umfeld sich gerade befunden wird, da Symbole und symbolische Handlungen in anderen Kulturkreisen eine andere Bedeutung besitzen können, als sie für uns haben.
Ein Beispiel für Artefakte im kulturellen Kontext wäre eine antike Amphore aus dem alten Griechenland. Amphoren waren Behältnisse, die von den Griechen für verschiedene Zwecke verwendet wurden, wie zum Beispiel zur Aufbewahrung von Lebensmitteln oder als Transportbehälter für Öl, Wein oder Wasser.
Diese Amphoren wurden von Hand aus Ton geformt und dann mit kunstvollen Mustern und Motiven bemalt. Die Bemalungen auf den Amphoren waren oft von mythologischen Geschichten oder wichtigen Ereignissen inspiriert und dienten dazu, die griechische Kultur und Geschichte zu repräsentieren.
Die Amphoren sind nicht nur als Gebrauchsgegenstände wichtig, sondern auch als kulturelle Artefakte von großer Bedeutung. Sie geben uns einen Einblick in die Kunst und das Handwerk des antiken Griechenlands und erlauben es uns, mehr über ihre Geschichte, ihre Mythen und ihre kulturellen Glaubenssysteme zu erfahren.
Diese Artefakte können in Museen betrachtet werden und sind oft Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, um mehr über die Vergangenheit und die Kultur der Griechen zu erfahre und sind damit ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes.
Ein Beispiel für die unterschiedlichen Bedeutungen für Symbole ist das Zeichen, welches wir mit unserem Daumen und unserem Zeigefinger bilden, um das O für Okay zu formen. Diesem Zeichen fallen im interkulturellen Kontext gleich drei weitere Bedeutungen zu. So wird in Frankreich damit ausgedrückt, dass etwas wertlos ist (vgl. Ani 2017). In Lateinamerika, Russland und Osteuropa stellt die Geste hingegen „eine üble Beschimpfung dar, die auf diskriminierende Weise Homosexuelle verspottet“ (Dorscheid). In einigen Gegenden Europas wird dieses Zeichen auch verwendet, um sein Gegenüber zu beleidigen. So ist es in westeuropäischen Ländern üblich, die Farbe weiß mit Unschuld und Reinheit zu assoziieren, in ostasiatischen Ländern hingegen steht diese Farbe für Trauer (vgl. Farben und Leben).
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Literatur
Brockhaus Nachschlagewerk (2019): https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/ artefakt-vorgeschichte [26.02.2019].
Dudenverlag: https://www.duden.de/rechtschreibung/Artefakt [09.03.2019].
Farben und Leben – Online (o. J.): Das Farbverständnis der Chinesen. http:// www.farbenundleben.de/kultur/farbverstaendnis.html [06.03.2019].
M. A. R. E. (2005): Leitfaden Implementierung interkultureller Kompetenz im Arbeitsalltag
von Verwaltungen und Organisationen. https://www.frankfurt.de/sixcms/ media.php/738/leitfaden-interkulturelle-kompetenz.pdf [06.03.2019].
Dorscheid, Kathrin (o. J.): Kultur mal anders: Gesten aus aller Welt. https:// www.geo.de/geolino/mensch/6703-rtkl-gestik-kultur-mal-anders-gesten-aus- aller-welt [26.02.2019].
Harris, M. (1989): Kulturanthropologie. Ein Lehrbuch. Frankfurt/ Main: Camp Dahl, Stephan (2000): Intercultural Skills for Business, ECE, London. http:// www.intercultural-network.de/einfuehrung/thema_kultur.shtml [26.02.2019].
Ani (2017): Interkulturelle Kommunikation: Mimik, Gesten und Körpersprache richtig deuten, https://www.stepin.de/weltneugier/die-kulturen-dieser-erde- mimik-gesten-und-korpersprache/ [09.03.2019].
Artefakt – Artefakte: Definition & kulturabhängige Bedeutung (ikud.de)
Transkript zum Erklärfilm
Artefakte sind von Menschen geschaffene Objekte und Ausdrucksformen. Es handelt sich um offensichtliche Anzeichen von Kultur, die äußerlich sichtbar sind und die Werte und Normen der Gesellschaft symbolisieren. Trotz dieser großen Sichtbarkeit erfordert das Erkennen der kulturabhängigen Bedeutung eines Artefakts ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. So ist es in westeuropäischen Ländern üblich, die Farbe Weiß mit Unschuld und Reinheit zu assoziieren, in ostasiatischen Ländern hingegen steht diese Farbe für Trauer.
Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:
Arrangierte Liebe
2011 war ich mit einer sehr guten Freundin auf einer Reise entlang des Rheins. Unter den Mitreisenden war auch ein indisches Ehepaar. H. war ein guter Freund meiner Freundin, N. seine Frau, die vor ca. einem Jahr zu ihm nach Deutschland gezogen ist. Beide waren jung, gebildet, humorvoll und charmant. Sie wirkten sehr verliebt.
Am ersten Abend übernachteten wir in einem ziemlich schrecklichen Hostel in Köln und ich sollte eigentlich in einem Stockbett in einem Gemeinschaftsschlafsaal übernachten. Als wir jedoch spät dorthin zurückkehrten, lag in dem Bett unter mir bereits ein halbnackter Mann. H. bemerkte mein Missfallen sofort und bot an, mein Bett zu übernehmen, sodass ich mit N. in einem separaten Zimmer mit Doppelbett schlafen konnte, das eigentlich für das Paar bestimmt gewesen war. So kam es, dass N. und ich die halbe Nacht redeten. Ich sagte ihr, dass sie und H. ein tolles Paar wären und sehr glücklich wirkten und fragte, wie sie sich kennen gelernt hätten. N. erwiderte, dass die Ehe arrangiert worden sei, ihre Mutter habe H. für sie ausgewählt.
Ich war ehrlich gesagt geschockt. In meinem Kopf schwirrten all die westlichen Klischees herum, die mit dem Begriff „arrangierte Ehe“ verbunden sind: Unterdrückung der Frau, Zwangsheirat, Freiheitsberaubung, Verdammung zu einem lieblosen Zweckarrangement, Unwissenheit darüber, dass eine Ehe „aus Liebe“ geschlossen werden sollte, und so weiter. Gleichzeitig konnte ich diese Vorurteile nicht mit dem Bild verbinden, dass ich mir bereits von H. und N. gemacht hatte: Sie waren beide Akademiker, beide berufstätig und wirkten sehr glücklich miteinander, nicht so, als hätte man sie zu dieser Ehe gezwungen, sondern genauso wie junge, frisch verliebte, westliche Paare. Da ich meine Eindrücke und meine vorgefasste Meinung nicht unter einen Hut bringen konnte, war meine Neugierde geweckt. Ich erzählte N. von den Vorurteilen, die gegenüber arrangierten Ehen im Westen herrschen, und fragte sie, wie man denn mit jemandem glücklich leben kann, den man nicht selber ausgesucht, in den man sich nicht selber verliebt hat, sondern der einem als Partner vorgesetzt wurde.
Sie klärte mich auf. „Arrangierte Ehen sind keine Zwangsehen“, sagte sie. Ihre Mutter habe zwar den Partner ausgesucht, sie sei aber nicht gezwungen gewesen, mit ihm die Ehe zu schließen. Sie habe H. vor der Heirat zwei Mal in einem Café zum Reden getroffen und hätte nach diesen Treffen auch ablehnen können. Sie traf ihn vor der Heirat, aber nach der Verlobung, obwohl es auch vorher hätte sein können. Warum? N. erwiderte, sie habe eben großes Vertrauen darin gehabt, dass ihre Mutter ihr „den Richtigen“ auswählen würde. In Indien herrsche ein enges Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, da es üblich sei, dass die Kinder auch während des Studiums oder der Ausbildung zu Hause wohnen blieben, sodass man einander sehr gut kenne und untereinander sehr vertraut sei. Außerdem spiele die Familie eine sehr große Rolle, mehr als im Westen, denn traditionellerweise ziehe die Ehefrau nach der Heirat in das Haus der Schwiegereltern, zur Familie ihres Mannes. Daher ziehe die Familie der Braut vor der Eheschließung Erkundigungen über den potenziellen Schwiegersohn und dessen Familie ein: Es werde geschaut, ob er „anständig“ sei, einem vernünftigen Job nachgehe und aus einer „guten Familie“ stamme, die mit ihren Werten und Eigenarten zur eigenen passen könnte. Daraus würden häufig gute, funktionierende Ehen entstehen, sogar Liebesbeziehungen.