Der gesellschaftliche Wandel erfordert vor allem eines: interkulturelle Kompetenzen. Geflüchtete, die hier in Deutschland angekommen sind, haben einiges erlebt – sie sind geflohen vor Krieg und Terror. Eine Studie aus 2016 hat ergeben, dass 1/4 der Geflüchteten aus der Landesaufnahme Niedersachen mit posttraumatischen Störungen zu kämpfen hatte. Ein weiteres Viertel war von Depressionen geplagt.
Um diese Menschen auffangen zu können, bedarf es eines hohen Maßes an Einfühlungsvermögen, das die Psychiater den Geflüchteten entgegenbringen müssen. Dies kann nur gelingen, wenn die Psychologen die Erlebnisse dieser Menschen im Lichte der jeweiligen Kultur betrachten. Kultur beeinflusst nämlich maßgeblich, wie Menschen ihr Leiden wahrnehmen und äußern.
Die islamische Kultur äußere ihre psychischen Leiden meist über körperliche Symptome, so Katja Kölkebeck, Psychiaterin der Uniklinik Münster: „In der Türkei etwa sagen Betroffene dann nicht über sich selbst, sie seien depressiv, sondern berichten, dass ihre Leber wandert oder schmerzt.“ Die westliche Sicht auf das seelische Leiden des Menschen kann also nicht willkürlich auf andere Kulturen übertragen werden.
Deutsche Psychologen stehen vor einer großen Hürde – sie müssen das körperliche Symptom im Kontext ihrer Psychosomatik betrachten. Um die Psychotherapie zu ergänzen, hat Inge Missmahl, die Gründerin von Ipso, 2016 damit begonnen, geflüchtete Menschen zu psychosozialen Beratern auszubilden. Dadurch gebe es eine Vielzahl an Vorteilen: Zum einen könnten die Berater die Symptome richtig deuten, und auch die sprachliche Barriere sei damit überwunden. Dennoch bleibt diese Maßnahme nur eine Ergänzung zur klassischen Psychotherapie – einer Therapie, die in Zukunft hoffentlich an interkultureller Dimension gewinnt.
Weitere Infos unter http://www.spektrum.de/news/wenn-der-bauchnabel-verrutscht/1521301
https://www.ipso-ecare.com/wer-wir-sind.html