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Es war einmal eine junge Königstochter, die war von so außerordentlicher Schönheit und Anmut, dass alle Prinzen sie zur Frau nehmen wollten. Aber die Prinzessin hatte schon früh ihr Herz an Gildon, einen einfachen Knappen ihres königlichen Vaters, verloren. Deshalb wies sie jeden Prinzen ab, der um ihre Hand anhielt. Da die Prinzessin den Zorn des Königs fürchtete, hatte sie weder ihrem Vater noch ihrer Mutter den Namen ihres Geliebten anvertraut. Die meisten Prinzen waren enttäuscht, nahmen aber die Ablehnung ihres Heiratsantrages hin und zogen schließlich in ihre Heimat zurück.
Einer der Prinzen jedoch war so eitel, dass ihn die Ablehnung der Prinzessin in wilden Zorn versetzte. Um sich an ihr zu rächen beauftragte er den bösen Zauberer Durion, die Prinzessin mit einem Fluch zu bestrafen. Sie sollte als hässlicher Drachen das Land in Angst und Schrecken versetzen und einsam im Gebirge hausen. Durion musste in seinen dicken Zauberbüchern lange nach einem Zauberspruch suchen, der stark genug war, eine Jungfrau in einen Drachen zu verwandeln. Nach langem Suchen fand er aber den richtigen Magier-Spruch:
Drachenblut in Mädchenherz,
ändert Jungfrau voller Schmerz,
wandelt schöne Menschenhülle
in des Drachen Körperfülle.
Kaum hatte Durion den mächtigen Zauberspruch gesprochen, verwandelte sich die Prinzessin in einen garstigen Drachen mit triefenden Augen, stinkendem Atem und faltigen Flügeln. Der König und die Königin erkannten ihre Tochter nicht mehr. Sie holten Ritter, Bogenschützen sowie Lanzenträger und vertrieben die Drachenprinzessin aus dem Schloss. Erschrocken und verwirrt flog sie über das Land ihres Vaters hinweg, um sich in einer feuchten Höhle im Gebirge zu verstecken. Dort lebte sie fortan, haderte mit ihrem Schicksal und sehnte sich nach ihrem geliebten Gildon.
Da der König und die Königin über das geheimnisvolle Verschwinden ihrer Tochter sehr unglücklich waren, verkündeten sie, dass derjenige, der ihnen ihre Tochter zurückbringen könne, das halbe Königreich als Belohnung und die Königstochter zur Gemahlin bekommen solle. Als Gildon dies hörte, wollte auch er sein Glück versuchen und nach der geliebten Prinzessin Ausschau halten. Er nahm seinen Abschied und durchstreifte viele Jahre das Königreich auf der Suche nach seiner Geliebten, jedoch ohne Erfolg. In seiner Not suchte er den Rat einer guten Fee, die an den Ufern eines geheimnisvollen Sees lebte. Die Fee riet ihm, sich bei Vollmond auf eine nahe gelegene Lichtung zu begeben und dort zur 12. Stunde siebenmal den Namen der Prinzessin in die Nacht zu rufen.
„Wenn sich der Drache dann auf der Lichtung niederlässt“, sprach die gute Fee, „musst du seinen Hals mit diesem Zauberkristall berühren. Dann wird der Fluch gebrochen!“ Gildon nahm den Kristall dankbar an und machte sich auf den Weg zur Lichtung. Dort angekommen tat er, wie ihm von der Fee geraten worden war. Gerade als er den Namen seiner Prinzessin zum letzten Mal gerufen hatte, hörte er plötzlich ein Rauschen in der Luft. Starr vor Schrecken sah er, wie sich ein gräßlicher Drachen auf der Lichtung niederließ. Gildon versteckte sich hinter einem Baum und wartete auf einen günstigen Augenblick. Als der Drache einzuschlafen schien, schlich Gildon sich auf die Lichtung, kroch auf allen vieren zu dem Untier und berührte es mit Zauberkristall der Fee am faltigen Hals.
Kaum hatte der Zauberkristall die runzlige Drachenhaut berührt, zerbarst er mit einem ohrenbetäubenden Knall. Als Gildon sich von seinem Schrecken erholt hatte, war der Drachen verschwunden und neben ihm im Gras lag die Prinzessin, schöner und anmutiger denn je. Gildon küsste sie und beide sanken sich überglücklich in die Arme. Der König hielt sein Versprechen und gab dem Knappen seine liebliche Tochter zur Gemahlin. Das halbe Königreich erhielt Gildon als Belohnung dazu, sodass er mit seiner Braut ein langes und sorgenfreies Leben führen konnte.