Volkan Erdinç und Dilara Özer arbeiten in Berlin für einen kurdischen Verein, der auch einen kurdischen Namen trägt. Für sie ist der Konflikt Bestandteil ihrer täglichen Arbeit und hautnah spürbar. So kritisieren deutsche Kooperationspartner häufig: „Ihr macht tolle Arbeit – aber müsst ihr so hervorheben, dass ihr aus Kurdistan seid?“
Kurdistan nennen Kurden ihr historisches Siedlungsgebiet, das sich über Staatsgebiete der Türkei, Syrien und den Irak bis nach Iran erstreckt. Doch Besitzansprüche machen beiden Seiten geltend. Ein jahrzehntelang schwelender Konflikt, der auch mit kriegerischen Mitteln geführt wird – und mit Worten. Kurdistan wird für viele Türken zum Kampfbegriff und kurdische Menschen oft zu Terroristen – Türken werden wiederum zu rassistischen Nationalisten stilisiert. Die Fronten scheinen verhärtet, auch in Deutschland.
So fanden in den letzten Wochen in viele deutschen Städten friedliche Demonstrationen beider Seiten statt – Es brannten aber auch türkische Kulturvereine. Am vergangenen Wochenende feierten dann über 15.000, vor allem kurdische, TeilnehmerInnen in Hannover das Newroz-Fest. Begleitet von einem Großaufgebot der Polizei stand das Frühlingsfest unter dem politischen Motto „Newroz heißt Widerstand – der Widerstand heißt Afrin“. Die nordsyrische Kurdenregion Afrin, in der bis zu 300.000 Menschen leben, hat das türkischen Militär erobert. Zweifel an der Völkerrechtsmäßigkeit dieser Offensive werden laut.
Der Krieg in Nordsyrien ist auch in den Köpfen der hier lebenden Menschen präsent und wirkt. Nicht nur LehrerInnen und SozialarbeiterInnen berichten von Spannungen zwischen kurdisch- und türkischstämmigen SchülerInnen, der Konflikt wirkt auch unter Nachbarn, in Elterninitiativen und Vereinen. Kazım Erdoğan lebt in Berlin, arbeitet als Sozialarbeiter und leitet seit elf Jahren eine multikulturelle Vätergruppe. Er findet, dass über dieses „schwierige Thema zu wenig gesprochen werde“ und erklärt: „Die Gespräche sind sehr emotional. Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu verletzen.“ Dennoch scheut er die konfliktbehaftete Auseinandersetzung nicht und betont stattdessen: „Wenn wir Menschen mit türkischer Einwanderungsgeschichte unter uns bleiben, die Deutschen unter sich, die Kurden unter sich – wie soll da in diesem Land ein Wir-Gefühl entstehen?“
Verunsicherung ist ein kulturübergreifendes Gefühl, die Suche nach einer Identität auch. „Es geht nicht um das Trennende, sondern das Gemeinsame.“
Die Süddeutsche berichtet: http://www.sueddeutsche.de/politik/migration-kurden-tuerken-deutschland-1.3905313