Rassismus - Hyperkulturell.de https://www.hyperkulturell.de Menschen, Kulturen, Vielfalt Thu, 21 Dec 2023 14:46:13 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.3.4 https://www.hyperkulturell.de/wp-content/uploads/2017/12/hk_h.png Rassismus - Hyperkulturell.de https://www.hyperkulturell.de 32 32 Blackfacing https://www.hyperkulturell.de/glossar/blackfacing/ https://www.hyperkulturell.de/glossar/blackfacing/#respond Mon, 09 Mar 2020 08:58:18 +0000 https://www.hyperkulturell.de/?post_type=glossary&p=7541   Blackfacing meint das Schminken eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, um ihm den Anschein zu geben, eine andere Hautfarbe zu haben. Diese Praktik ist deutschlandweit […]

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BlackfacingBlackfacing meint das Schminken eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, um ihm den Anschein zu geben, eine andere Hautfarbe zu haben. Diese Praktik ist deutschlandweit verbreitet und wird beispielsweise in Theaterinszenierungen, Karnevalsumzügen oder Sternsingergruppen angewendet. Neben der optischen Veränderung hat Blackfacing auch eine politische Dimension, die in den letzten Jahren für intensive Diskurse gesorgt hat (vgl. Voss 2014, 103).

Koloniale Tradition
„Blackfacing / Blackface ist eine Theater- und Unterhaltungsmaskerade, die ihren Ursprung in den USA des 19. Jahrhunderts hat, aber zu Beginn europäischer Kolonialherrschaft auch in Europa aufgegriffen wurde.“ (Khabo Koepsell 2015, 48) In sogenannten ‚Minstrel Shows‘ schminkten sich weiße Schauspieler*innen mit schwarzer Farbe oder Kohle und „portraitierten dabei rassistische Stereotype der Schwarzen Bevölkerung. […] Schwarze Hautfarbe stand in der Tradition des Blackfacings immer für Primitivität und geistige Beschränktheit.“ (Khabo Koepsell 2015, 48) Gegenwärtiges Blackfacing bedient sich also rassistischen Traditionen und reproduziert diese.

Blackfacing ist eng mit dem Kolonialismus verbunden. Während der Zeit des europäischen Kolonialismus wurde die schwarze Bevölkerung oft als minderwertig und exotisch dargestellt. Blackfacing reproduziert und verstärkt diese kolonialen Machtverhältnisse. Der europäische Kolonialismus hatte für diese erhebliche Probleme zur Folge. Zunächst einmal führte die Territorialaufteilung Afrikas durch die europäischen Mächte zu einer willkürlichen und oft gewaltsamen Teilung des Kontinents. Die Grenzziehungen ignorierten häufig bestehende ethnische, kulturelle und politische Strukturen und zwangen verschiedene Volksgruppen in willkürlich zusammengewürfelten Kolonialgrenzen zu leben. Dies führte zu Konflikten und Spannungen innerhalb der afrikanischen Länder, die auch nach der Unabhängigkeit fortbestanden.

Des Weiteren hatten die Kolonialmächte eine direkte Kontrolle über die Ressourcen der Kolonien und die Arbeitskräfte, was zu Ausbeutung und Unterdrückung führte. Die schwarze Bevölkerung wurde oft gezwungen, unter extremen Bedingungen in Plantagen, Minen und anderen Arbeitsstätten zu arbeiten, um die Interessen der Kolonialmächte zu bedienen. Dies führte zur Ausbeutung der Ressourcen Afrikas und hatte negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder.

Zusätzlich führte der europäische Kolonialismus zu einer Unterdrückung der kulturellen Identität und der kollektiven Erinnerung der schwarzen Bevölkerung. Viele afrikanische Sprachen und Traditionen wurden unterdrückt oder sogar verboten, während gleichzeitig europäische Kultur und Identität gefördert wurden. Dies führte zu einem Verlust von kultureller Vielfalt und zu Identitätskrisen innerhalb der schwarzen Bevölkerung.

Schließlich führte der europäische Kolonialismus zu einer beträchtlichen politischen Instabilität in vielen afrikanischen Ländern. Die neuen Kolonialgrenzen führten oft dazu, dass verschiedene Volksgruppen innerhalb derselben politischen Einheit leben mussten, was zu Konflikten und Spannungen führte. Nach der Unabhängigkeit wurden viele afrikanische Länder von innenpolitischen Konflikten, ethnischen und religiösen Spannungen sowie Diktaturen geplagt, die auf die willkürliche koloniale Grenzziehung zurückzuführen sind.

Blackfacing in Deutschland
In den letzten Jahren wurden kulturelle Ereignisse in Deutschland, bei denen Blackfacing verwendet wurde, äußerst kritisch diskutiert. Ein Beispiel für Blackfacing in Deutschland ist der Fall des Comedians Jan Böhmermann im Jahr 2011. In einer Fernsehsendung trat er in einer Sketch-Comedy-Show als afrikanischer Stammeshäuptling auf und trug dabei schwarze Gesichtsfarbe. Diese Darstellung wurde von vielen Menschen als rassistisch und beleidigend empfunden, da sie rassistische Stereotypen über Menschen mit dunkler Hautfarbe bediente. Auch die Theaterinszenierung Ich bin nicht Rappaport des Berliner Schlosspark Theaters am 5. Januar 2012 oder die ZDF-Sendung Wetten, dass..? im Dezember 2013, bei der sich Bürger*innen aus Augsburg als Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer verkleideten, sind Beispiele für Blackfacing innerhalb Deutschlands.  Auch wenn Blackfacing in Deutschland nicht direkt in der Tradition zu den amerikanischen Minstrel Shows steht und die Intention der Verantwortlichen für die oben genannten Beispiele nicht als rassistisch einzuschätzen ist, basiert Blackfacing auf Stereotypen und rassistischen Vorstellungen, die durch die koloniale Vergangenheit geprägt sind.

Rassismus ist unabhängig von der Intention
People of Color* (bspw. Aktivist*innen der Vereinigung Bühnenwatsch) kritisieren „die Definitionsmacht weißer Personen über Rassismus“ (Ganz 2012, 127) und weisen darauf hin, dass Rassismus oftmals strukturell bedingt ist und unabhängig von der Intention verübt werden kann. Hylton beobachte beispielsweise, dass sich Menschen im Publikum bei Tennisspielen von Serena Williams blackfacen, und stellte fest: „Some argue that face painting at motor racing, and other sport and leisure events is good natured and fun for all. For these people, blackfacing falls into the category of harmless and innocuous fun. However, another reading of it is that no performance of blackface can be neutral in terms of its impact on Black and mioritised ethnic communities. It is undeniable that Black and minoritised communities are sensitive, and therefore vulnerable, to the performance of blackface.” (Hylton 2018, 11)

*Der Terminus „People of Color“ (POC) ist eine Sammelbezeichnung für Menschen, die nicht weiß sind und oft gemeinsame Erfahrungen oder ähnliche soziale, politische und wirtschaftliche Herausforderungen aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit teilen. Der Begriff dient dazu, die Vielfalt von nicht-weißen Gruppen hervorzuheben und eine Kategorie zu schaffen, um Gemeinsamkeiten und gemeinsame Anliegen zu erkennen und anzuerkennen.

POC wurde als alternativer Begriff zu „nicht-weiß“ oder „Minderheit“ entwickelt, da diese Bezeichnungen oft als problematisch angesehen werden. Der Begriff betont die breite Palette von Hautfarben und ethnischen Identitäten, die nicht der weißen Mehrheit entsprechen, und erkennt an, dass es vielfältige Erfahrungen innerhalb der Gruppe gibt.

POC umfasst eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen, darunter Schwarze Menschen, Indigene Völker, Lateinamerikaner*innen, Asiat*innen, Menschen mit Nahost-Hintergrund und Menschen mit gemischten ethnischen Hintergründen. Es ist wichtig zu beachten, dass POC eine politische und soziale Konstruktion ist, die sich je nach Kontext und geografischer Region unterscheiden kann. Die spezifischen Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung können je nach Rassenerfahrung variieren, und POC können unterschiedlichen Formen der Unterdrückung ausgesetzt sein.

Der Begriff „People of Color“ wird in verschiedenen sozialen und politischen Kontexten verwendet, um auf die gemeinsamen Herausforderungen und Erfahrungen von Nicht-Weißen aufmerksam zu machen. Menschen, die sich als POC identifizieren, können sich gegenseitig unterstützen und ihre Stimme gemeinsam erheben, um gegen strukturellen Rassismus, Diskriminierung und Ungleichheiten zu kämpfen. Der Begriff POC zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit auf rassistische Systeme und die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit zu lenken.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass POC ein Überbegriff ist, der Vielfalt und individuelle Erfahrungen innerhalb dieser Gruppen nicht vollständig repräsentiert. Es gibt zahlreiche Diskussionen und Debatten über den Begriff, da er manchmal als zu allgemein betrachtet wird und möglicherweise bestimmte Unterschiede und Ungerechtigkeiten innerhalb der Gruppe vernachlässigt. Letztlich ist die Verwendung des Begriffs „People of Color“ kontextabhängig und spiegelt die gelebte Erfahrung und die gemeinsamen Kämpfe von nicht-weißen Menschen wider.

 

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Literatur

Ganz, Katharina (2012): Die Artikulation von Differenz – Gesellschaftstheorie als Subjekttheorie, Subjekttheorie als Gesellschaftstheorie. In: Dzudzek, Iris/ Kunze, Caren/ Wullweber, Joscha (Hrsg.): Diskurs und Hegemonie. Gesellschaftskritische Perspektiven. Bielefeld: Transcript.

Hylton, Kevin (2018): CONTESTING ‚RACE‘ AND SPORT. Shaming the Colour Line. New York: Routledge.

Khabo Koepsell, Philipp (2015). Erste Indaba Schwarzer Kulturschaffender in Deutschland. Protokolle. Berlin: epubli.

Voss, Hanna (2014): Reflexion von ethischer Identität(szuweisung) im deutschen Gegenwartstheater. Marburg: Tectum.

Blackfacing – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele | DWDS

 

Transkript zum Erklärfilm:

Blackfacing meint das Schminken eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, um ihm den Anschein einer anderen Hautfarbe zu geben. In den letzten Jahren wurden kulturelle Ereignisse wie zum Beispiel Theateraufführungen, bei denen Blackfacing verwendet wurde, zunehmend kritisch diskutiert. Viele People of Color lehnen die Definitionsmacht weißer Personen über Rassismus ab und weisen darauf hin, dass Rassismus strukturell bedingt ist und unabhängig von der Intention verübt werden kann. Auch wenn die Intention der Verantwortlichen nicht immer rassistisch ist, basiert Blackfacing auf Stereotypen und rassistischen Vorstellungen, die durch die koloniale Vergangenheit geprägt sind.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Bitte. Danke.

Ich habe einen Kumpel, der aus Kuba kommt und mit dem ich mich immer auf Spanisch unterhalte. Nach und nach fiel mir immer stärker auf, dass er nie die Worte „Bitte“ und „Danke“ verwendet. Als er mal wieder sagte: „Gib mal deinen Laptop“, teilte ich ihm meine Beobachtung mit und wies ihn darauf hin, dass es ziemlich unhöflich ist, etwas zu wollen, ohne „Bitte“ zu sagen. Anschließend erklärte er mir, das Verwenden von „Danke“ und „Bitte“ sei auf Kuba ein Zeichen von Distanz. Er aber habe ein solches Vertrauen zu mir, dass er es als unangebracht empfände, „Bitte“ und „Danke“ zu verwenden. Diesen Umstand konnte ich mir von anderen Kubanern und Lateinamerikanern bestätigen lassen.

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Critical Whiteness https://www.hyperkulturell.de/glossar/critical-whiteness/ https://www.hyperkulturell.de/glossar/critical-whiteness/#respond Mon, 09 Mar 2020 08:53:59 +0000 https://www.hyperkulturell.de/?post_type=glossary&p=7540   Der Begriff Critical Whiteness bezeichnet die differenzierte, reflektierte Auseinandersetzung mit Whiteness als soziale Kategorie und begründet sich sowohl in wissenschaftlichen als auch in politischen Ansätzen. […]

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Critical Whiteness

Der Begriff Critical Whiteness bezeichnet die differenzierte, reflektierte Auseinandersetzung mit Whiteness als soziale Kategorie und begründet sich sowohl in wissenschaftlichen als auch in politischen Ansätzen. Die wortgetreue deutsche Übersetzung Weißsein hat sich in der Forschung kaum durchgesetzt, da sie den Eindruck erweckt, in erster Linie die Hautfarbe von Menschen zu meinen. Primär sind jedoch Aspekte wie ökonomische, soziale und kulturelle Macht relevant, die mit der gesellschaftlichen Markierung von Menschen als weiß einhergehen (vgl. Tißberger 2017, 16).

Whiteness als Norm – ein Denkfehler

Grundlegend für das Critical-Whiteness-Konzept ist die Annahme, dass weiße Menschen ihre Hautfarbe und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Privilegien als Norm verstehen, während Menschen, die gesellschaftlich als nicht-weiß markiert sind, als fremd wahrgenommen werden. Dieser Prozess des sogenannten Othering* hat zur Folge, dass sich weiße Menschen als Norm etablieren und somit ihren gesellschaftlichen Macht-Status manifestieren, obwohl dies unbegründet ist (vgl. Albrecht 2017, 232). Dieses unterbewusste Denkmuster führt, unabhängig von der Intention, zu rassistischen Denkweisen und kann als Erscheinung von strukturellem Rassismus verstanden werden (vgl. Hyatt 2015).

Die Ursprünge der Critical-Whiteness-Studies

Grundlegend für die Critical-Whiteness-Forschung war die Erkenntnis der Literaturwissenschaftlerin bell hooks (Gloria Jean Watkins)*, dass sich in den USA race immer auf Menschen beziehe, die nicht weiß sind. Demnach werde zwischen ethnisch markierten und nicht-markierten weißen Menschen unterschieden. Mit Blick auf Sklaverei, ‚Rassen‘-Trennung und Rassismus in der US-amerikanischen Geschichte zeigt sich dadurch eine Reproduktion hegemonialer Strukturen, die nicht begründet und nicht zu rechtfertigen sind. Auch in Deutschland sind ähnliche Gesellschaftsstrukturen erkennbar, die eng mit der Kolonialpolitik des Deutschen Kaiserreichs in Verbindung stehen (vgl. Hyatt 2015).

Die Critical-Whiteness-Studies sind eine interdisziplinäre Forschungsrichtung, die von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen entwickelt wurde, um die soziale Konstruktion von Weißsein und die damit verbundenen Machtstrukturen zu analysieren. Die Wurzeln dieser Forschung liegen vor allem in den USA und sind eng mit den Bürgerrechtsbewegungen der 1960er Jahre verbunden.

Die Critical-Whiteness-Studies entstanden als Reaktion auf die Vorherrschaft der weißen Perspektive in Wissenschaft und Gesellschaft. In der Bürgerrechtsbewegung wurde zunehmend die Frage aufgeworfen, wie Rassismus nicht nur die Erfahrungen von Menschen nicht-weißer Hautfarbe prägt, sondern auch die Privilegien und Machtstrukturen, die mit Weißsein einhergehen.

Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Critical-Whiteness-Studies war die Veröffentlichung des Buches „White Privilege: Unpacking the Invisible Knapsack“ der Autorin Peggy McIntosh im Jahr 1988. McIntosh beschrieb darin die unsichtbaren Privilegien, von denen Weiße in der Gesellschaft profitieren, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dieser Artikel führte zu einer breiteren Auseinandersetzung mit dem Konzept des „white privilege“ und legte den Grundstein für weitere Forschungen auf diesem Gebiet.

In den 1990er Jahren begannen dann feministische und postkoloniale Theoretiker*innen, das Konzept des „white privilege“ weiter zu entwickeln und den Fokus auf die Analyse von Weißsein als soziale Konstruktion zu legen. Sie erkannten, dass Weißsein nicht einfach nur eine neutrale Hautfarbe ist, sondern mit bestimmten Vorstellungen, Normen und Privilegien verknüpft ist. Dies führte zur Entstehung einer eigenen akademischen Disziplin, den Critical-Whiteness-Studies.

Seitdem haben zahlreiche Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen auf diesem Gebiet geforscht und publiziert. Dabei wurden verschiedene Ansätze und Methoden entwickelt, um die Konstruktion von Weißsein und die Auswirkungen von Rassismus zu analysieren. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Untersuchung kolonialer und imperialer Machtstrukturen und ihrer Nachwirkungen in westlichen Gesellschaften.

Die Critical-Whiteness-Studies haben auch einen starken Einfluss auf andere wissenschaftliche Disziplinen wie Soziologie, Politikwissenschaft und Kulturstudien gehabt. Sie haben dazu beigetragen, das Verständnis von Rassismus und Diskriminierung zu erweitern und das Bewusstsein für weiße Privilegien zu schärfen. Darüber hinaus haben sie neue Perspektiven eröffnet, um Machtverhältnisse zu analysieren und eine gerechtere Gesellschaft anzustreben.

*Othering ist ein soziologischer Begriff, der sich mit der Konstruktion und Wahrnehmung von „Anderen“ in einer Gesellschaft befasst. Dabei wird die Identität unterschiedlicher Gruppen und Individuen geformt, indem Unterschiede betont und als nachteilig oder fremd dargestellt werden. Othering basiert auf der Annahme, dass die eigene Gruppe die Norm ist, während andere Gruppen als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen werden. Dies kann auf verschiedenen Ebenen auftreten, sei es auf individueller, sozialer oder politischer Ebene. Es kann sowohl bewusst als auch unbewusst stattfinden und hat oft die Funktion, eine Hierarchie von Gruppen zu etablieren, wobei die eigene Gruppe als überlegen betrachtet wird.

Othering wird oft durch Stereotypen, Klischees und Vorurteile perpetuiert. Durch diese werden Eigenschaften oder Merkmale zugewiesen, um die eigene Gruppe zu definieren und andere Gruppen von dieser Norm abzugrenzen. Dies kann zu Diskriminierung und Stigmatisierung führen und den Zusammenhalt innerhalb der eigenen Gruppe stärken.

Othering kann auch auf institutionalisierter Ebene stattfinden, durch Gesetze, Politik oder soziale Normen, die bestimmte Gruppen benachteiligen oder ausschließen. Hier kann Othering als Mechanismus der Macht und Kontrolle dienen, um die „Anderen“ zu marginalisieren oder auszuschließen.

Othering kann negative Auswirkungen haben, da es zu Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit führen kann. Es kann auch zu Vorurteilen und Feindseligkeiten zwischen verschiedenen Gruppen führen und den sozialen Zusammenhalt schwächen. Ein bewusstes Verständnis von Othering kann dazu beitragen, diese Prozesse zu erkennen und zu hinterfragen. Indem man sich der eigenen Vorurteile und Stereotypen bewusst wird, kann man die Perspektiven anderer Gruppen besser verstehen und Empathie entwickeln. Es ist wichtig, den gegenseitigen Respekt und die Anerkennung der Vielfalt in einer Gesellschaft zu fördern, um den negativen Auswirkungen von Othering entgegenzuwirken und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen.

*bell hooks wurde am 9. September 1952 unter dem Namen Gloria Jean Watkins in Hopkinsville, Kentucky, USA, geboren. Sie wählte später den Namen bell hooks als Pseudonym, um an ihre Großmutter bell hooks und an ihre Mutter als Vorbilder zu erinnern. Hooks besuchte die Stanford University, wo sie ihren Bachelor-Abschluss in Englisch abschloss. Anschließend erwarb sie ihren Master-Abschluss in englischer Literatur an der University of Wisconsin-Madison und promovierte später in Literaturwissenschaft an der University of California, Santa Cruz. Ihre Arbeit als Literaturwissenschaftlerin ist von ihrem Engagement für soziale Gerechtigkeit, Feminismus und Rassismus geprägt. Sie ist bekannt für ihre Schriften über die Wechselwirkungen von Gender, Rasse und Klasse sowie für ihre kritischen Analysen der amerikanischen Kultur und Gesellschaft.

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Literatur

Albrecht, Monika (2017): Whiteness. In: Göttsche, Dirk/ Dunker, Axel/ Dürbeck, Gabriele (Hrsg): Handbuch Postkolonialismus und Literatur. Stuttgart: Metzler.

Hyatt, Millay (2015): Weißsein als Privileg. https://www.deutschlandfunk.de/critical-whiteness-weisssein-als-privileg.1184.de.html?dram:article_id=315084 [März 2020].

Tißberger, Martina (2017): Critical Whiteness. Zur Psychologie hegemonialer Selbstreflexion an der Intersektion von Rassismus und Gender. Wiesbaden: Springer.

„Was ist Critical Whiteness?“: Bundesprogramm „Demokratie leben!“ (demokratie-leben.de)

 

Transkript zum Erklärfilm

Der Begriff Critical Whiteness bezeichnet die reflektierte Auseinandersetzung mit der sozialen Kategorie Whiteness. Whiteness umfasst dabei in erster Linie die ökonomische, soziale und kulturelle Macht von gesellschaftlich als weiß betrachteten Menschen. Grundlegend für Critical-Whiteness ist die Annahme, dass weiße Personen die mit ihrer Hautfarbe einhergehenden Privilegien als Norm verstehen. Nicht-weiße Menschen werden deshalb als fremd wahrgenommen. Die mit dieser Wahrnehmung einhergehende Diskriminierung wird allerdings von den weißen Personen ausgeblendet. Critical Witeness versucht, das unterbewusste Denkmuster von Whiteness aufzubrechen, um rassistische Denkweisen und strukturellen Rassismus abzubauen.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Euphorischer Spaziergang

Mein Vater musste geschäftlich nach Hawaii, wohin ihn meine Mutter begleitete. Die beiden machten einen gemütlichen Strandspaziergang mit dem Ziel, am Ende zu einem besonders schönen Aussichtspunkt zu gelangen. Als sie auf dem Rückweg waren, kam ihnen ein anderes amerikanisches Paar entgegen und fragte sie, ob sich der Aussichtspunkt lohne. Daraufhin entgegneten meine Eltern: „Yes, it’s nice there.“ Die Amerikaner bedankten sich freundlich, gingen ein Stück weiter und drehten nach kurzer Zeit wieder um. Meine Eltern wunderten sich und überlegten, was der Grund für die rasche Umkehr sein könnte. Nach einigem Überlegen kamen sie auf die Idee, dass ihre Aussage „It’s nice there“ für das amerikanische Paar so viel heißen musste wie „Es lohnt sich nicht wirklich“. Meine Eltern hätten wahrscheinlich deutlich euphorischer antworten müssen, z. B: „It’s awesome, a once in a lifetime experience!“ Doch die deutsche Art, etwas auszudrücken, ist bekanntlich eher schlicht und nicht sehr überschwänglich. Durch die Art meiner Eltern deuteten die Amerikaner diese Aussage vermutlich falsch, da es sich eigentlich gelohnt hätte, den Aussichtspunkt zu besuchen.

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Ethnopluralismus https://www.hyperkulturell.de/glossar/ethnopluralismus/ https://www.hyperkulturell.de/glossar/ethnopluralismus/#respond Mon, 27 Nov 2017 10:59:18 +0000 http://hyperkulturell.de/?post_type=glossary&p=2643 Der Ethnopluralismus ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten. Der Begriff leitet sich vom griechischen ethnos „Volk“ sowie dem lateinischen pluralis „Mehrzahl“ ab und propagiert die […]

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Ethnopluralismus

Der Ethnopluralismus ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten. Der Begriff leitet sich vom griechischen ethnos „Volk“ sowie dem lateinischen pluralis „Mehrzahl“ ab und propagiert die Vielfalt der Völker. Der von Eichberg* geprägte Ausdruck wird auch als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet. Kern der Theorie ist die Annahme grundsätzlicher, unveränderlicher Eigenschaften von Menschengruppen. Zudem betonen Ethnopluralisten, dass jede Gruppe umso stärker sei, je ähnlicher sich die jeweiligen Angehörigen seien. Eine biologistische Argumentationsweise tritt in den Hintergrund, während vielmehr einzigartige kulturelle Identitäten bestärkt werden (vgl. Kellershohn 2016, 284–286).

Ein Praxisbeispiel für Ethnopluralismus kann die Einführung einer Politik sein, die darauf abzielt, dass verschiedene ethnische oder kulturelle Gruppen innerhalb einer Gesellschaft in separierten Gebieten oder Regionen leben. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass bestimmte Gebiete einer Stadt oder eines Landes bestimmten ethnischen Gruppen vorbehalten sind und die Bewohner dieser Gebiete ihre kulturellen und ethnischen Traditionen in geschützten und isolierten Umgebungen bewahren können. Ein konkretes Beispiel ist die Politik des „Apartheid“ Regimes in Südafrika bis 1994 sein. Während dieser Zeit wurden die verschiedenen ethnischen Gruppen räumlich voneinander getrennt, um eine angebliche „Ethnopluralität“ zu fördern. Dies führte zu erheblicher sozialer Ungleichheit und Diskriminierung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen, insbesondere der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, und verstärkte ethnische Spannungen und Konflikte.

Ethnopluralismus – kultureller Rassismus

Es handelt sich um einen Rassismus, „der – jedenfalls auf den ersten Blick – nicht mehr die Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker über andere postuliert, sondern sich darauf ‚beschränkt‘, die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung und die Unvereinbarkeit der Lebensweisen und Traditionen zu behaupten“ (Balibar 1990, 28). Konzepte von ‚Rasse‘ werden durch begriffliche Platzhalter wie etwa ‚Kultur‘ oder ‚Ethnie‘ ersetzt, um alte Konzepte modernisiert wirken zu lassen. Diese Ausdrücke haben aber ähnliche Konnotationen wie Rasse, weshalb die Rassismusforschung auch von einem Übergang vom genetischen zum kulturellen Rassismus spricht (vgl. Hall 2000, 11). Indem argumentiert wird, dass die Trennung der Gruppen notwendig ist, um kulturelle Identität zu bewahren, impliziert es die Annahme einer natürlichen Hierarchie zwischen den verschiedenen Gruppen. Diese Hierarchisierung von Gruppen basiert oft auf unhaltbaren Stereotypen und Vorurteilen. Der Ethnopluralismus leugnet die Gleichwertigkeit aller Menschen und legitimiert die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Diese Ideologie fördert somit eine Form des Rassismus, indem sie die Unterschiede zwischen den Gruppen betont und eine Kluft zwischen ihnen schafft. Zudem führt der Ethnopluralismus zu einem Konzept der „kulturellen Reinheit“, das die Existenz von Mischkulturen oder einer multikulturellen Gesellschaft ablehnt. Dies kann zu einer Ablehnung von Einwanderung und einer Abschottung gegenüber anderen Kulturen führen, was wiederum zu Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Menschen anderer ethnisch-kultureller Hintergründe führt.

Heterogenität wird geleugnet

Laut dem Philosophen Étienne Balibar* ist der Ethnopluralismus ein Rassismus, „dessen vorherrschendes Thema nicht mehr die biologische Vererbung, sondern die Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen ist“ (Hall 2000, 11). Denn „unter Bezug auf anthropologische, ethnologische und psychologische Erkenntnisse wird die Objektivität einer Vielfalt und Ungleichheit der Völker – im differentialistischen Sinne – betont“ (Lausberg 2013, 173). Nicht mehr die Höherwertigkeit der eigenen Kultur oder Nation wird propagiert, sondern es werden „festgelegte kulturell-territoriale Einheiten […] als Kulturkreise homogenisiert. Heterogenität innerhalb der gefassten Kulturen wird dabei genauso geleugnet wie historische Verbindungen und Kontinuität zwischen den konstruierten Einheiten.“

 

*Eichberg studierte Sportwissenschaft, Geschichte und Soziologie an der Deutschen Sporthochschule in Köln und der Universität Kopenhagen. Mit seiner Promotion im Jahr 1974 legte er den Grundstein für seine akademische Karriere. 1985 habilitierte er sich an der Universität von Osnabrück und wurde dort später zum Professor ernannt. Er prägte den Begriff des Ethnopluralismus, der eine umstrittene Theorie darstellt. Eichberg argumentierte, dass unterschiedliche Kulturen und Ethnien unabhängig voneinander in separierten Räumen existieren sollten, um ihre jeweilige Identität und Eigenständigkeit zu bewahren. In seiner Sichtweise sollte der Ethnopluralismus als eine Alternative zur multikulturellen Gesellschaft dienen, in der verschiedene Kulturen miteinander interagieren und sich verändern. Eichberg betonte, dass der Ethnopluralismus auf der Idee der „kulturellen Vielfalt“ beruht, die er als natürliche Tendenz in der menschlichen Entwicklung ansah. Seiner Meinung nach seien Kulturen und Ethnien untereinander nicht gleichwertig, sondern hätten ihre jeweiligen Spezifika und Eigenheiten, die es zu bewahren gelte. Die Theorie des Ethnopluralismus wurde jedoch von vielen Kritikern als rassistisch und menschenfeindlich betrachtet. Sie argumentieren, dass hinter dem Konzept des Ethnopluralismus eine ideologische Neigung zur Abschottung und Ausgrenzung anderer Kulturen steckt.

*Étienne Balibar ist ein französischer Philosoph und Politiker. Er wurde am 23. April 1942 in Avallon, Frankreich geboren. Balibar ist bekannt für seine Arbeit in den Bereichen Marxistische Philosophie, politische Theorie und Postkolonialismus. Er studierte an der École Normale Supérieure in Paris, wo er ein Schüler des renommierten Philosophen Louis Althusser war. Balibar war maßgeblich an der Entwicklung der Althusserianischen Schule des Marxismus beteiligt und wurde später einer ihrer Hauptvertreter. Er hat eine Vielzahl von Buchtiteln veröffentlicht, darunter „Überschneidungen: Das Politische und der Historische Materialismus“, „Spinoza und die Politik“ und „Gleichheit und Äquivalenz“. In diesen Werken untersucht er verschiedene Aspekte der marxistischen Theorie, wie die Bedeutung der Klassenkämpfe, die Rolle des Staates und die Frage der Gerechtigkeit. Balibar ist zudem für seine Arbeiten zur Postkolonialismus-Theorie bekannt. Er hat sich intensiv mit Fragen der Gewalt, Identität, Kultur und Globalisierung auseinandergesetzt und dabei das Erbe des Kolonialismus und die damit verbundenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten untersucht. Neben seiner akademischen Karriere ist Balibar auch politisch aktiv. Er war ein aktives Mitglied der französischen kommunistischen Partei und hat sich für linke Politik eingesetzt. Er war außerdem ein Befürworter der europäischen Integration und hat sich für eine gerechtere und sozial gerechtere Gesellschaft eingesetzt.

 

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Literatur

Balibar, Étienne (1990): Gibt es einen „Neo-Rassismus“? In: Balibar, Étienne/ Wallerstein, Immanuel (Hrsg.): Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Hamburg: Argument, 23–39.

Hall, Stuart (2000): Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Räthzel, Nora (Hrsg.): Theorien über Rassismus. Hamburg: Argument, 7–16.

Kellershohn, Helmut (2016): Umvolkung. In: Gießelmann, Bente/ Heun, Robin/ Kerst, Benjamin et al (Hrsg.): Handwörterbuch rechtsextremistischer Kampfbegriffe. Schwalbach: Wochenschau Verlag, 284–286.

Lausberg, Michael (2013): Das Thema Migration in der Jungen Freiheit und der Deutschen Stimme. In: Kellershohn, Helmut (Hrsg.): Die deutsche Stimme in der jungen Freiheit. Münster: Unrast, 164–194.

Ethnopluralismus | Rechtsextremismus | bpb.de

 

Transkript zum Erklärfilm

Der Ethnopluralismus ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten. Der Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern für „Volk“ und „Mehrzahl“ ab und propagiert die Vielfalt der Völker. Ethnopluralismus wird auch als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet: Konzepte von ‚Rasse‘ werden durch begriffliche Platzhalter wie ‚Kultur‘ oder ‚Ethnie‘ ersetzt, um den Rassismus modernisiert wirken zu lassen. Kern der Theorie ist die Annahme grundsätzlicher, unveränderlicher Eigenschaften von Menschengruppen. Zudem betonen Ethnopluralisten, dass jede Gruppe umso stärker sei, je ähnlicher sich die jeweiligen Angehörigen seien. Nach der Ethopluralismustheorie können kulturelle Differenzen nicht überbrückt werden, weshalb interkulturelle Kontakte schädlich für den Zusammenhalt einer kulturellen Gruppe seien. Die Heterogenität innerhalb der einzelnen Kulturen sowie historische Verbindungen zwischen verschiedenen Kulturkreisen werden für diese Argumentation geleugnet.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Kompliment

Mein Geigenlehrer ist Brasilianer. In der ersten Stunde nach den Sommerferien, in denen kein Unterricht stattgefunden hatte, fragte er mich plötzlich mitten in der Stunde: „Sag mal, hast du zugenommen?“ Ich war ziemlich überrascht und sagte zunächst gar nichts. Das nahm er zum Anlass, seine Überlegungen weiter auszuführen: „Vielleicht bist du auch einfach nur unvorteilhaft angezogen und wirkst dadurch fülliger.“ Mein abweisendes „Ähm… ich weiß nicht“ muss ihn wohl stutzig gemacht haben, jedenfalls fragte er auf einmal, ob es in Deutschland nicht üblich sei, sich auf so etwas anzusprechen. Als ich dies bestätigte, entschuldigte er sich bei mir und betonte, dass in Brasilien derlei Fragen keineswegs als unhöflich gelten, sondern im Gegenteil Aufmerksamkeit ausdrücken würden. In der nächsten Stunde war es ihm dennoch wichtig zu erwähnen, dass er sich getäuscht habe und ich nicht im Geringsten an Gewicht zugelegt hätte.

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Rassismus https://www.hyperkulturell.de/glossar/rassismus/ https://www.hyperkulturell.de/glossar/rassismus/#respond Mon, 27 Nov 2017 11:12:21 +0000 http://hyperkulturell.de/?post_type=glossary&p=2675 Die Etymologie des Wortes Rasse ist nicht eindeutig. Drei Möglichkeiten aus dem Lateinischen sind die Ableitungen des Wortes ratio „Natur, Wesen“, radix „Wurzel“ oder generatio „Zeugung“. Alle […]

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RassismusDie Etymologie des Wortes Rasse ist nicht eindeutig. Drei Möglichkeiten aus dem Lateinischen sind die Ableitungen des Wortes ratio „Natur, Wesen“, radix „Wurzel“ oder generatio „Zeugung“. Alle Varianten lassen sich mit der heutigen Auffassung des Begriffs vereinbaren. Der Begriff Rassismus entstand im 20. Jahrhundert, genauer gesagt in den 1920/30er Jahren (vgl. Zerger 1997, 19 u. 80). 

Der Duden definiert Rassismus als eine ideologischen Charakter tragende Rechtfertigung von Rassendiskriminierung. Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen seien anderen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit von Natur aus über- bzw. unterlegen (vgl. Duden 2007, 879). 

Eine weitere Definition beschreibt Rassismus als einseitige und extreme Entstellung der Wirklichkeit im Sinne eines überzogenes Selbst- und eines herabsetzenden Fremdbildes (vgl. Geulen 2007, 7). 

Begriffliche Abgrenzung 

Worin unterscheidet sich Rassismus in Abgrenzung zu Fremdenfeindlichkeit oder Rechtsextremismus? Unter Rassismus wird eine Unterdrückung oder auch eine Ungleichbehandlung aufgrund biologischer, genetischer Unterschiede verstanden. Äußerliche körperliche Eigenschaften sowie historisch oder kulturell bedingte Angewohnheiten werden hierarchisiert. Dabei wird das Auftreten des eigenen Volkes über das der anderen Völker gestellt. Dadurch entsteht ein vermeintliches Gefühl der Überlegenheit, wodurch es zur Diskriminierung des anderen Volkes aufgrund seiner Rasse kommt. 

Der Begriff hat demnach im Gegenteil zum Rechtsextremismus weniger mit einer Demokratiefeindlichkeit zu tun, die gegen die Rechtsstaatlichkeit der Grundordnung spricht. Dieser richtet sich zwar auch gegen Menschen mit anderen biologischen Eigenschaften, legt den Schwerpunkt aber auf eine Kritik an der Demokratie. Die Diskriminierung des Rassismus findet weniger wegen einer anderen Herkunft, Sprache oder Religion statt. In diesem Fall würde von Fremdenfeindlichkeit gesprochen werden (vgl. Führing/ Lensing 1994, 62). Trotzdem fällt es aufgrund von Überschneidungen oft schwer, eine scharfe Trennung vorzunehmen. Rechtsextreme folgen der rassistischen Idee und gehen dabei aktiv vor. Auch in der gesellschaftlichen Mitte gibt es einen Teil, eine Grauzone, die sich dem rassistischem Gedanken anschließt (vgl. Koller 2015). 

Historie 

Schon immer gab es viele verschiedene Bevölkerungsgruppen, die sich erblich voneinander unterschieden. Beispielsweise gibt es die Pygmäen, die Mongolen, die Indianer oder die Araber – alle mit ihren spezifischen Eigenschaften. Der auf den ersten Blick auffälligste Unterschied zwischen den Menschen ist ihre Hautfarbe. Anhand dieser äußerlichen Auffälligkeiten, die für jeden sichtbar sind, kam es zu einer Klassifizierung, um die Gruppen in Kategorien einordnen und anschließend bewerten zu können. 

Im 15. Jahrhundert, dem sogenanntem Zeitalter der Entdeckungen, teilten Portugal und Spanien die Welt untereinander auf. Die Europäer fanden Zugang zu neuen Handelsrouten und es kam zur Ausbeutung von Ländern mit viel Reichtum. Dazu benötigten sie Arbeitskräfte und dadurch setzte sich der atlantische Dreieckshandel durch. Dieser führte wiederum zur Afrikanisierung der Sklaverei. Die Sklaven wurden in die neue Welt verschleppt und der von ihnen erwirtschaftete Gewinn ging zurück an die europäischen Königshöfe. Dort, wo sich die Sklaverei in einer profitablen Kolonialisierung bereits etabliert hatte, entstand eine Hierarchisierung nach Hautfarben. Die militärische Überlegenheit bedingte eine empfundene moralische und religiöse Überlegenheit (vgl. Hund 2017, 20). 

Die Europäer verstanden ihre Aufgabe darin, den vermeintlich weniger entwickelten Völkern Amerikas, Afrikas, Asiens und Australiens Fortschritt in ihrem Sinn zu vermitteln. Systematisch wurde der Großteil der Erde kolonialisiert und zwischen Europa und Japan aufgeteilt. 

In Schulbüchern wurde seit den 1870er Jahren, z.B. in Frankreich, über 100 Jahre lang die schwarze Rasse als verbesserungsfähig dargestellt. Dies wurde so begründet, dass stark pigmentierte Menschen besonders bezüglich der Kopfform dem Affen am ähnlichsten sind. Die weißhäutigen Menschen wurden hingegen als vollkommenste Art dargestellt. Durch diese falsch erlernte Klassifizierung kam es zu dem Irrglauben einer Hierarchisierung nach erblichen Merkmalen (vgl. Victor 2012).

In der NS-Zeit galt die arische Rasse dann als wertvollste Rasse. Zwischen 1939 und 1945 wurden Sinti und Roma, sogenannte Mischlinge, Juden und viele weitere Gruppierungen so weit abgestuft, dass sie nicht das Recht hatten, in Deutschland zu leben. Es kam zum sogenannten Rassenwahn. Dessen Auswirkung war ein neuer, rassistisch motivierter Antisemitismus. Das Vernichtungslager, in dem am meisten Menschen durch Gaskammern, Giftinjektionen oder Erschießen zu Tode kamen, ist Auschwitz (vgl. Wippermann 2005, 75). Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg schwand das Überlegenheitsgefühl der Deutschen wieder. Der Prozess der Entnazifizierung sollte zu ‚weißen Westen‘ verhelfen. Er wurde stark vom Kalten Krieg geprägt (vgl. Hund 2007, 151).

Einen Meilenstein bezüglich der Gleichberechtigung von Rassen bildet der amerikanische Civil Rights Act von 1964. Er erklärte Rassentrennung in der Öffentlichkeit für illegal. Der Civil Rights Act stellte einen großen Schritt in Richtung Freiheit auch für Afroamerikaner dar, war allerdings noch nicht das Ende des Kampfes für Gleichberechtigung (vgl. Bringle 2015, 6). 

Formen von Rassismus

Wie sich an den vorherigen Abschnitten erkennen lässt, besteht der rassistische Kerngedanke darin, die weißen, westlichen Menschen als ‚Norm‘ zu konstruieren und gegenüber der restlichen Weltbevölkerung aufzuwerten (vgl. Othering).

Um einen Überblick über die verschiedenen Formen von Rassismus zu bekommen, wird in drei allgemeine und fünf explizite Erscheinungsformen unterschieden. Prinzipiell gilt, dass sich die Grundformen oftmals gegenseitig bedingen und ineinander übergreifen.

Grundformen

Der strukturelle Rassismus bezeichnet die institutionalisierte Form von Diskriminierung und ist gekennzeichnet durch sein hierarchisches Machtgefüge. Rassismus findet hier ‚von oben herab‘ statt und missbraucht gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse. Einige Beispiele hierfür sind Racial Profiling sowie schlechtere Berufs- und Bildungschancen für Menschen mit Migrationshintergrund (Organisation vs. Personenkreis).

Unter kulturellem Rassismus wird die Ausgrenzung aufgrund kultureller sowie religiöser Zuschreibungen verstanden. An die Stelle einer ‚überlegenen Rasse‘ tritt die Kultur, weshalb diese Form auch als ‚Rassismus ohne Rassen‘ oder ‚Neo-Rassismus‚ beschrieben wird. Die ethnozentrische Perspektive wird als die einzig richtige angenommen und Interkulturalität gilt als schädlich. Als exemplarisch gelten hier antimuslimische und -semitische Haltungen (Personenkreis vs. Personenkreis).

Der Alltagsrassismus umfasst tagtägliche Diskriminierungserfahrungen, die sich aus der Interaktion einzelner Personen ergeben. Diese können unintendiert oder bewusst rassistisch sein und treten meist sehr subtil auf. Hierzu zählen beispielsweise ein herabwürdigender Sprachgebrauch sowie die Verharmlosung diskriminierender Erfahrungen (Individuum vs. Individuum) (vgl. Ogette 2017).

Explizite Formen

  1. Postkolonialer Rassismus benennt die heutige Marginalisierung und Stigmatisierung dunkelhäutiger Menschen als Nachwirken kolonialer Rassenideologie. Zu derartigen Denkweisen zählen die Verdrängung des andauernden westlichen Profits durch koloniale Gebietseinteilungen und Ausbeutung sowie ethnozentrische Weltdarstellungen. Auch die Ablehnung von Selbstbezeichnungen wie etwa schwarz, Menschen of Color, Blackfacing und Race-Realism fallen in diese Kategorie. Bis heute ist die Herabminderung aufgrund phänotypischer Merkmale strukturell verankert. Welchen Einfluss dies bereits auf Kinder nehmen kann, zeigt der Doll Test. Des Weiteren lassen sich die eigenen unbewussten Vorurteile mithilfe des implizierten Assoziationstest ermitteln (vgl. ebd.).
  2. Antisemitismus bezeichnet die Gesamtheit judenfeindlicher Äußerungen und ersetzt damit den veralteten, religiös begründeten Antijudaismus. Die häufigsten Vorurteile beziehen sich auf die angeblich genuin jüdische Nase sowie die Stilisierung als geldgierig und einflussreich. Aus letzterem werden zahlreiche Verschwörungstheorien gesponnen, nach denen jüdische Menschen die Welt kontrollieren (Rothschild-Theorie). Hinzu kommt die Holocaustleugnung bis hin zur -rechtfertigung sowie Antisemitismus, der sich unter einer vorgeschobenen Israelkritik verbirgt (vgl. Polak 2018).
  3. Der Gadje-Rassismus umfasst die Diskriminierung gegenüber Sinti und Roma. ‚Gadje‘ bedeutet Nicht-Roma und ersetzt frühere Begriffe wie Antiziganismus und -romanismus. Dadurch wird erstmalig definitorisch die Rassismus ausübende Seite fokussiert. Sinti und Roma werden als heimatlose, unzivilisierte Personen stigmatisiert oder als ‚freies Volk‘ romantisiert. Beide Versionen tragen dazu bei, dass sie als Menschen dritter Klasse und als nicht-gesellschaftszugehörig betrachtet werden (vgl. AAS 2019).
  4. Antimuslimischer Rassismus deckt sich oft mit Antiislamismus, da beide die Intention teilen, muslimische Personen zu diskreditieren. Vordergründig basiert die Diskriminierung zwar auf der Religionszugehörigkeit, aber die Realität zeigt, dass diese generalisierend aufgrund phänotypischer Merkmale zugeschrieben werden. Häufig wird den Betroffenen ein fehlendes Integrationsvermögen oder extremistische Überzeugungen unterstellt.
  5. Unter antiasiatischem Rassismus werden alle Abwertungen gegenüber asiatischen Menschen zusammengefasst. Als symptomatisch gelten die Herabwürdigung der Augenpartie oder scheinbar positive Zuschreibungen wie etwa Fleiß und Intelligenz. Allerdings tragen diese Stigmata ebenso zu einem rassistischen Othering bei und führen im Zweifelsfall dazu, dass die Mehrheitsgesellschaft den rassistischen Gehalt nicht ernst nimmt. Offenkundig rassistisch ist hingegen die Annahme, von asiatischen Menschen gehe eine generelle Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus aus (vgl. Dapp 2014).

 

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Hier geht es zum Überblick aller Lexikonartikel…

 

Literatur

Amadeu Antonio Stiftung (2019): Rassismus gegen Sinti und Roma. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2019/01/Flyer_GMF_Roma.pdf [12.03.2020].

Bandelow, Borwin: Fremdenangst steckt in jedem von uns. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/angstforscher-borwin-bandelow-ueber-fremdenangst- 15763320.html [25.12.2018]. 

Bringle, Jennifer (2015): The civil rights act of 1964. New York: The Rosen Publishing Group.

Dapp, Teresa (2014): Wir sind keine Schlitzaugen! In: Zeit Online https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fdeutschland%2F2014-02%2Fwir-sind-keine-schlitzaugen [12.03.2020].

Duden (2007): Das Fremdwörterbuch. 9. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut.

Führing, Gisela/ Lensing, Mechthild (1994): Was heißt hier fremd? Berlin: Cornelsen.

Geulen, Christian (2007): Geschichte des Rassismus. München: Beck.

Harvard University: https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/selectatest.jsp [12.03.2020].

Hund, Wulf D. (2017): Wie die Deutschen weiß wurden. Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus. Stuttgart: J. B. Metzler. 

Koller, Christian: Was ist eigentlich Rassismus? http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213678/was-ist-eigentlich-rassismus [26.12.2018].

Ogette, Tupoka (2017): Exit racism. Rassismuskritisch denken lernen. Münster: Unrast.

Polak, Oliver (2018): Gegen den Judenhass. Berlin: Suhrkamp.

Victor, Jean-Christophe: Die Entstehung von Rassismus. http://www.bpb.de/mediathek/178985/die- entstehung-des-rassismus [12.12.2018].

Wippermann, Wolfgang (2007): Rassenwahn und Teufelsglaube. Berlin: Frank & Timme.

Zerger, Johannes (1997): Was ist Rassismus? Eine Einführung. Göttingen: Lamuv.

Youtube: Doll Test. https://www.youtube.com/watch?v=tkpUyB2xgTM [12.03.2020].

Rassismus | bpb.de

Weiterführendes Lernmaterial: Interkulturell kompetent kommunizieren und handeln

 

 

 

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Xenophobie https://www.hyperkulturell.de/glossar/xenophobie/ Mon, 04 Dec 2017 07:44:12 +0000 http://hyperkulturell.de/?post_type=glossary&p=2803 Der Begriff Xenophobie stammt aus dem Griechischen und leitet sich von xénos „der Fremde“ sowie phóbos „die Furcht“ ab. Die Angst vor dem Fremden bezeichnet ablehnende […]

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XenophobieDer Begriff Xenophobie stammt aus dem Griechischen und leitet sich von xénos „der Fremde“ sowie phóbos „die Furcht“ ab. Die Angst vor dem Fremden bezeichnet ablehnende Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber allem, was entgegen der eigenen ‚Normalität‘ fremd erscheint und als bedrohlich empfunden wird.

Xenophobie richtet sich gegen Menschen, die sich durch ihre Herkunft (Ausländerfeindlichkeit), Religion (z. B. Antisemitismus) oder Hautfarbe (Rassismus) von der eigenen ‚Norm‘ unterscheiden.

Evolutionsbiologische Erklärungen

Der Psychologe und Angstforscher Borwin Bandelow erklärt, dass „eine Phobie […] eine übertriebene, unangemessene Angst, in diesem Fall vor Fremden“ ist. Er versucht die Fremdenangst evolutionsbiologisch zu rekonstruieren und meint: „Entwicklungsgeschichtlich war es wohl ein Überlebensvorteil, sich zusammenzurotten, den eigenen Stamm zu verteidigen und Mitglieder anderer Stämme zu erschlagen“ (Höhn 2015). Das Misstrauen gegenüber anderen Gesellschaften war früher also durchaus sinnvoll, um die überlebenswichtigen und knappen Ressourcen zu sichern.

Stammesdenken

Xenophon steht in einem engen Zusammenhang zum Stammesdenken. Stammesdenken oder auch Tribalismus ist eine Denkweise, bei der Menschen starke Loyalität und Identifikation mit ihrer sozialen Gruppe oder ihrem Stamm zeigen. Diese Denkweise ist oft durch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl gekennzeichnet, das auf gemeinsamen Merkmalen wie Kultur, Herkunft, Glauben oder Werten basiert.

Es kann dazu führen, dass Menschen eine starke Präferenz für die eigene Gruppe haben und andere Gruppen als „fremd“ oder „anders“ betrachten. Tribalismus kann eine positive Rolle spielen, indem er ein Gemeinschafts- und Einheitsgefühl fördert. Allerdings kann es auch zu Vorurteilen, Konflikten und starker Ablehnung gegenüber Personen außerhalb der eigenen Gruppe kommen.

In modernen Gesellschaften tritt Tribalismus oft im Kontext von Politik, Religion, Nationalismus und sogar der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen auf. Es ist erwähnenswert, dass Tribalismus in verschiedenen Kulturen und Kontexten unterschiedlich ausgedrückt werden kann.

Veränderte Grundbedingungen

Heute haben sich die Grundbedingungen verändert, Menschenrechte und Gleichheitsgrundsätze bilden die Basis unseres Zusammenlebens. Xenophobie fördert Ausgrenzung, Ungleichbehandlung, Benachteiligung, Bedrohung und Gewalt. Sozialwissenschaftliche Studien belegen zudem erhebliche Schnittmengen zwischen Xenophobie und Rassismus (vgl. Vedder/ Reuter 2008, 202). Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind zwei verschiedene Arten von Vorurteilen oder Diskriminierung, obwohl sie oft miteinander verbunden sind. Fremdenfeindlichkeit ist die Angst oder der Ekel gegenüber Fremden oder Menschen, die als „anders“ oder „fremd“ gelten. Oft geht es dabei um Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Ländern oder Kulturen. Fremdenfeindlichkeit kann aufgrund kultureller Unterschiede, Sprache, Religion oder Nationalität auftreten.

Rassismus hingegen ist Vorurteil, Diskriminierung oder Feindseligkeit gegenüber Menschen aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit. Es basiert auf der Annahme, dass bestimmte Rassen oder ethnische Gruppen besser oder schlechter sind als andere Gruppen. Rassismus kann auf körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe, Gesichtszügen oder Rassenmerkmalen beruhen.

Obwohl die beiden Konzepte unterschiedliche Ausgangspunkte haben, können sie sich überschneiden. Beispielsweise kann eine Person aufgrund ihrer Nationalität fremdenfeindlicher Behandlung ausgesetzt sein und gleichzeitig aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einer Rassendiskriminierung ausgesetzt sein. Insgesamt handelt es sich bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus um Formen von Vorurteilen und Diskriminierung, die auf irrationalen und negativen Einstellungen gegenüber bestimmten Personengruppen beruhen.

Problematischer Begriff und der Mensch als soziales Tier

In diesem Zusammenhang wird deutlich, weshalb die Wahl der Begrifflichkeit problematisch sein kann, denn die Bestimmung von Fremdheit und Fremdsein ist subjektiv, beliebig und willkürlich. Außerdem verkehrt der Ausdruck die Perspektiven: „In Wirklichkeit wird eine Tat jedoch nicht verübt, weil das Opfer eine bestimmte Eigenschaft oder Herkunft hat, sondern weil der Täter eine bestimmte Einstellung hat“ (vgl. BAMF 2013, 46).

Charles Darwin schrieb: „Jedermann wird zugestehen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Wir sehen es in seiner Abneigung gegen Einsamkeit sowie seinen Wunsch nach Gesellschaft über den Rahmen seiner Familie hinaus.“ Der Mensch ist also von Natur aus sozial. Das zeigt sich schon daran, dass wir nach der Geburt ohne den Kontakt zu anderen Menschen nicht leben könnten. Die Bindung zur Mutter und anderen Bezugspersonen ist für die gesunde Entwicklung eines Kindes von größter Bedeutung.

Es löst nicht nur das für die Psyche lebenswichtige Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit aus, sondern erleichtert auch den Erwerb wesentlicher Verhaltensweisen und Fähigkeiten. Außerdem ist die soziale Integration wichtig, um herauszufinden, wer ich bin: Was ist meine Identität? Woher komme ich? Menschliche Kinder werden diesen Informationen durch die Beziehungen anderer Menschen ausgesetzt.

Der Fall des Kaspar Hauser

Das berühmte und rätselhafte Beispiel von Kaspar Hauser zeigt, was passiert, wenn das soziale Umfeld fehlt. Als der 16-Jährige 1828 am Nürnberger Unschlittplatz ankam, zeigte er nicht nur mangelnde Fürsorge. Außerdem verfügte er nur über begrenzte Sprachfähigkeiten und war mit dem Verhalten von Menschen nicht vertraut. Kurz gesagt: Er schien ein junger Mann zu sein, der auf dem Niveau eines kleinen Kindes stehengeblieben war. Später stellte sich heraus, dass der Junge wahrscheinlich jahrelang in völliger Isolation in einem dunklen unterirdischen Raum gelebt hatte. Er sei weder wahnsinnig noch dumm gewesen, sondern offenbar in hoffnungsloser Weise jeglichem menschlichen und gesellschaftlichen Unterricht entzogen, so der Eindruck des damaligen Bürgermeisters Jakob F. Binder. Spätere Experimente von Kaspar und Hauser stellten die Sicherheit der isolierten Primatenpopulation in Frage. Diese Experimente zeigten auch die schädlichen Auswirkungen der sozialen Isolation bei Primaten wie dem Rhesusaffen.

In allen Kulturen bestehen Beziehungen außerhalb der Familie bereits auf der Kindergartenebene – es entstehen erste Freundschaften. Für die Mehrheit der Jugendlichen und Erwachsenen ist diese Art des Kontakts unerlässlich. Das Knüpfen von Bindungen zu anderen scheint das Grundmerkmal der Menschheit zu sein.

Zusammengehörigkeitsgefühl

Tatsächlich glauben Experten, dass soziale Zusammenarbeit, die Fähigkeit, mit anderen zu sympathisieren oder sich ihnen hinzugeben, ein Kennzeichen der menschlichen Kultur ist. Das Bewusstsein für das Zusammengehörigkeitsgefühl, sei es in der Familie, in einer Gruppe oder in der gesamten Gesellschaft, ist unweigerlich mit gesellschaftlichen Regeln verbunden.

Dies impliziert, dass es in der Gemeinschaft Vorschriften gibt, die jeder befolgen muss. Sogar kleine Kinder verstehen das. Wenn sie beispielsweise bemerken, dass jemand gegen die vereinbarten Spielregeln verstößt, protestieren sie. Unbestrittene Trittbrettfahrer gelten bereits bei den Kleinsten als unerwünscht. Denn sie nehmen sich offensichtlich bereits als Teil einer Gemeinschaft wahr, die soziales Verhalten an den Tag legt.

Umgang mit Xenophobie

Fremdenfeindlichkeit, die Angst oder der Ekel vor Fremden oder unbekannten Dingen, kann eine komplexe Herausforderung sein. Hier einige Möglichkeiten, damit umzugehen:

  • Bildung und Aufklärung: Lernen über andere Kulturen, Traditionen und Lebensweisen. Bildung kann Voreingenommenheit abbauen und das Verständnis fördern.
  • Offener Dialog: Es kann hilfreich sein, mit Menschen zu sprechen, die fremdenfeindliche Ansichten teilen. Zeigen Sie Verständnis, stellen Sie Fragen und teilen Sie Informationen, um Stereotypen und Vorurteile zu durchbrechen.
  • Empathie und Mitgefühl: Versuchen Sie, die Perspektiven anderer Menschen zu verstehen. Manchmal geht die Angst oder Voreingenommenheit tiefer und rührt von Unsicherheit oder mangelndem Wissen her.
  • Vielfalt und Inklusion fördern: Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Vielfalt geschätzt wird. Organisieren Sie interkulturelle Veranstaltungen oder ermöglichen Sie den Austausch zwischen verschiedenen Gruppen.
  • Rechtliche Maßnahmen: Regierungen und Institutionen können Gesetze und Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung und Voreingenommenheit erlassen.
  • Aktivismus und Engagement: Engagieren Sie sich bei Organisationen oder Gruppen, die Toleranz und Gleichberechtigung fördern.
  • Selbstreflexion: Untersuchen Sie Ihre eigenen Vorurteile und Denkmuster. Manchmal können wir unbeabsichtigte Vorurteile haben, die uns nicht bewusst sind.
  • Zeigen Sie Solidarität: Setzen Sie sich für diejenigen ein, die Opfer von Fremdenfeindlichkeit sind. Solidarität und Unterstützung sind für die Betroffenen sehr wichtig.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Umgang mit Fremdenfeindlichkeit ein fortlaufender Prozess ist, der Geduld, Verständnis und nachhaltige Anstrengungen erfordert. Veränderungen mögen Zeit brauchen, aber jede positive Interaktion und jeder Schritt in Richtung Toleranz und Akzeptanz zählt.

 

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Literatur

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2013): Neue deutsche Medienmacher. Dokumentation des Workshops. Neue Begriffe für die Einwanderungsgesellschaft. Nürnberg. http://www.neuemedienmacher.de/wp-content/uploads/2014/04/Tagungsdokumentation-NDM-Begriffe-2013.pdf [25.04.2018].

Höhn, Franziska (2015): Xenophobie. Die Angst vor dem Fremden schlummert in jedem. https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article147372371/Die-Angst-vor-dem-Fremden- schlummert-in-jedem.html [25.04.2018].

Vedder, Günther/ Reuter, Julia (2008): Glossar: Diversity Management und Work-Life-Balance. Trierer Beiträge zum Diversity Management. Rainer Hampp Verlag, 2. Aufl. München/ Mering.

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/296552/xenophobie/#:~:text=%5Bgriech.%3A%20Furcht%20vor%20Fremden,bedeutet%20Fremdenfeindlichkeit%2C%20Fremdenhass%2C%20Ausl%C3%A4nderfeindlichkeit. 

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