Rhetorik - Hyperkulturell.de https://www.hyperkulturell.de Menschen, Kulturen, Vielfalt Thu, 30 Nov 2023 10:56:07 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.3.4 https://www.hyperkulturell.de/wp-content/uploads/2017/12/hk_h.png Rhetorik - Hyperkulturell.de https://www.hyperkulturell.de 32 32 6 Ratschläge https://www.hyperkulturell.de/6-ratschlaege/ https://www.hyperkulturell.de/6-ratschlaege/#respond Tue, 09 Nov 2021 20:41:41 +0000 https://www.hyperkulturell.de/?p=9571 Die berühmten Ratschläge für einen guten Redner von Kurt Tucholsky. Hier als Erklärfilm.

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hyperkulturell.de https://www.hyperkulturell.de/hyperkulturell-de/ https://www.hyperkulturell.de/hyperkulturell-de/#respond Tue, 27 Apr 2021 14:51:55 +0000 https://www.hyperkulturell.de/?p=9181 Unser Portal stellt sich vor! Wer wir sind, was wir machen: digitale Lernmaterialien für die Bildung.

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Kultur. Kommunikation. Kompetenz.

Herzlich willkommen auf der Lernplattform hyperkulturell.de 

Bei uns dreht sich alles um Kultur, Kommunikation und Kompetenz: Interkulturelle Kompetenz.  5 Comics veranschaulichen, was damit gemeint ist. 

Es gibt Lehr- und Lernmaterialien für Schule, Uni, Fort- und Weiterbildung – im Materialschrank finden sich 250 Dateien zu den Themen Kultur, Kommunikation und interkulturelle Kompetenz. Es werden immer mehr.

Im Lexikon klären wir wichtige Begriffe.

5 einzigartige Erklärfilme gibt es bei eduki!

Sofort einsetzbares Lernmaterial für die Schule: Interkulturell kompetent kommunizieren und handeln

 

Viel Spaß wünschen 

Benjamin Haag und das Team der Studierenden der Leibniz Universität Hannover

P.S.: Per Video stellen wir uns hier vor! Und: Auf der nächsten Seite geht’s zu einem ersten spannenden Beitrag zum Eisbergmodell der Kultur! Einfach umblättern.

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Das Teufelskreis-Modell https://www.hyperkulturell.de/das-teufelskreis-modell/ https://www.hyperkulturell.de/das-teufelskreis-modell/#respond Wed, 30 Sep 2020 16:26:51 +0000 https://www.hyperkulturell.de/?p=8410 Was ist eigentlich Sprache?  Ernst von Glasersfeld hat mal einen Vortrag gehalten mit dem Titel „Zwischen den Sprachen“. Beim nachfolgenden Texte handelt es sich um ein […]

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Was ist eigentlich Sprache? 

Ernst von Glasersfeld hat mal einen Vortrag gehalten mit dem Titel „Zwischen den Sprachen“. Beim nachfolgenden Texte handelt es sich um ein selbst angefertigtes Transkript des Vortrags, daher ist der Text an vielen Stellen konzeptionell mündlich.

Wirklichkeit und Realität

Auf Deutsch hat man eben diese schöne Möglichkeit, dass man zwei Wörter hat. Man hat

Wirklichkeit und man hat Realität. Obwohl das im allgemeinem Sprachgebrauch… wird das

eigentlich nie benutzt, diese Möglichkeit. Denn selbst Wittgenstein spricht immer von der

Wirklichkeit und meint die ontologische Realität. Und das ist sehr schade, denn dieser

Unterschied ist enorm wichtig. Auf Englisch kann man den überhaupt nicht machen, da kann

man höchstens ‚reality‘ in Anführungszeichen setzen und das wird sehr langweilig mit der

Zeit. Der Unterschied ist sehr wichtig, weil vom konstruktivistischen Standpunkt aus… die

Wirklichkeit ist das, was wir aus unseren Erfahrungen und den Abstraktionen von den

Erfahrungen aufbauen können. Zunächst, was wir uns selber daraus aufbauen und im zweiten

Schritt… wie dieser Aufbau dann an die Wirklichkeiten anderer angepasst werden muss, damit

man überhaupt mit ihnen auskommen kann. Die rein praktischen Angleichungen, dass, wenn

man eben Tisch sagt, dass die anderen etwas unter Tisch verstehen, was in den meisten Fällen

mit dem vereinbar ist, was man selber unter Tisch versteht. Das ist ein langwieriger Prozess,

der bei Kindern anfängt nach 1,5 Jahren oder zwei Jahren und der zeitlebens weitergeht. Denn

es wird den meisten Leuten irgendwann mal, wenn sie ganz erwachsen sind, kommt es zum

Bewusstsein, dass sie ein Wort in einer Zeit ihres Lebens in einer Art und Weise benutzt

haben, wie die anderen es nicht benutzt haben. Das hat man nicht gemerkt, weil die

Situationen, in denen es benutzt wurde, so waren, dass der Unterschied keine Rolle gespielt

hat. Und auf einmal ist eine Situation, wo der Unterschied eine Rolle spielt, und dann

funktioniert es nicht. Da kann man natürlich sagen, die anderen sind Trottel und die wissen

nicht, was es heißt, aber man merkt dann schon, dass irgendwo… hat man dann selber eine

Differenz. Und dann versucht man diese Differenz zu eliminieren. Und so gleicht man auch

dieses Wort an die anderen an. Und so entsteht die Möglichkeit der Verständigung. Die

Verständigung ist aber immer nur ein Zusammenpassen im Sinn, dass da keine Unterschiede

eine Rolle spielen, was ein sehr lockeres Verhältnis ist. Es ist nie die, dass eine Bedeutung die

gleiche ist wie die ihre und dass sie genau meinen Gedankengang nachführen, den ich

ausführe. Es ist nur, dass der Gedankengang, den sie, durch das, was ich sage angeregt,

ausführen, nicht dem widerspricht, was ich tue. Es ist ein Passen im negativen Sinn, es erregt

nur keinen Widerstand. Ob es ganz daneben ist oder weiter weg, ist gleichgültig. Schön, das

ist die Wirklichkeit, und die Realität ist das, das einem in der Erfahrung hier und da

Hindernisse entgegenstellt, von denen ich nicht weiß, ob sie daraus entstehen, dass meine

Konstruktion einen Widerspruch enthielt, oder ob da tatsächlich etwas ist, das mir nicht

erlaubt, diese Aktion auszuführen. Das ist einer der Punkte im Konstruktivismus, der fast

immer missverstanden wird. Denn die Leute glauben, dass dieses Anpassen ein Angleichen

mit sich bringt. Und das ist keineswegs der Fall. Das Anpassen besteht nur darin, dass man

einen anderen Ausweg findet, aber dieser andere Ausweg ist ebenso wenig ein Bild des

Hindernisses, das man da angetroffen hat, wie der erste. Er geht nur daran vorbei. Und das ist

sehr wichtig, um den Konstruktivismus wirklich zu verstehen.

Bottle of wine

Was ich eben sagte über ‚anpassen‘, und dass das Anpassen nicht angleichen ist, lässt sich

direkt auf den Begriff der Kommunikation anwenden. Auf Englisch sagen die Leute oft “to

share the meaning of this”; und das Zeitwort “to share” ist ein sehr zweideutiges. Denn man

kann es verwenden, wenn ich zum Beispiel ihnen mein Auto borge. Dann kann man sagen,

„we share the car“, oder wenn ich ihnen meine Wohnung zur Verfügung stelle, „we share the

flat“ oder „living room“. Wenn wir zusammen eine Flasche Wein trinken, kann ich sagen, „we

share the bottle of wine“. Das ist aber ganz was anderes als das Auto. Das Auto bleibt das

gleiche, ob ich es verwende, oder ob sie es verwenden. Der Wein, den ich trinke, ist bestimmt

nicht der, den sie trinken, nicht? Und diese Zweideutigkeit ist sehr wichtig. Denn in der

Kommunikation ist man immer im Fall des ‚Weins‘. Denn das, was sie verstehen, ist immer

aufgebaut aus ihren Erlebnissen, und nicht aus meinen. Denn das, was ich sage, enthält und

bezieht sich auf meine Erlebnisse. Und da ist das, was ich ihnen vorher schon sagte, diese

Anpassung durch das Verwenden, durch den Gebrauch, macht die Kommunikation überhaupt

möglich. In dem Sinn, dass wenn ich einen Satz ausspreche, ihre Interpretation des Satzes

wird nicht völlig verschieden sein von meiner, aber sie braucht keineswegs die gleiche zu

sein. Sie muss nur so sein, dass sie unter den Umständen, in denen wir den Satz verwenden,

keine Widersprüche erweckt. Es muss funktionieren. Das heißt aber nie, dass sie meine

Bedeutung wirklich teilen, in dem Sinne, dass es die gleiche ist. Und das ist das Geheimnis

der Kommunikation. Ich habe vorhin gesagt, dass man eine Sprache erst lernt, wenn man in

ihr lebt. Denn durch das Leben passt man die eigenen Erfahrungen einigermaßen an die der

anderen an. Und dann kann man darüber reden. Wenn das nicht der Fall ist, hat man nichts zu

sagen, was der andere verstehen könnte. Und deswegen ist der Begriff der Kommunikation

als Transport von Wissen oder Informationen ein totaler Unsinn, nicht? Was transportiert

wird, sind Anregungen, um Vorstellungen hervorzurufen. Was die Vorstellungen dann sind,

hängt jeweils von Empfänger und vom Sender ab. Heinz von Foerster hat oft in seiner

überspitzen Art und Weise gesagt: „the meaning is determined by the listener“. Das ist richtig,

aber meiner Ansicht nach hätte er sagen sollen „the listeners meaning is determined by the

listener.“ Denn der Sprecher hat ja auch eine Bedeutung, die er versucht, in seinen Wörtern

auszudrücken. Das ist nicht, als ob der Hörer oder Leser die Bedeutung von Anfang an

erfinden müsste. Er muss seine Bedeutung heraustüfteln. Die Bedeutung des Schreibers ist

des Schreibers Angelegenheit.

Viabilität

Ich hab jetzt dann einige Male erwähnt, dass zum Beispiel der Hörer glauben wird, er habe

einen Satz oder eine Aussprache, ein Stück Sprache verstanden. Weil das, was er verstanden

hat, in die Situation passt, wenn es in der Situation, in der es gesagt wurde, für ihn sinnvoll ist

und dieses Sinnvollsein ist eine Form der Viabilität, das heißt, es ist brauchbar. Es scheint im

Augenblick das zu sein, was man benutzen kann. Und das kann natürlich in der nächsten

Minute, durch das, was der andere sagt, zerstört werden, indem man merkt, das kann nicht das

gewesen sein. Was tut man dann? Man baut um und man versucht etwas zu finden, was nun

auch passt, nicht? Das heißt, die Viabilität im ersten Fall war eine Illusion und jetzt glaubt

man, hat man sie nicht. Ich hab manchmal gesagt, dass ist so wie ein guter Schriftsteller, der

einen Kriminalroman schreibt. Der wird nach den ersten paar Kapiteln, wird er die Situation

erklären, wo eine Leiche gefunden wird und alles mögliche, und dann kommt ein Kapitel, wo

er über die Zusammenhänge spricht, und am Ende des Kapitels – ich bin mir ziemlich sicher –

das war der Gärtner. Der Gärtner hat ihn umgebracht, weil so und so und so. Dann kommt das

nächste Kapitel und man hört, dass der Gärtner war auf Urlaub. Der war gar nicht da. Also

muss man umbauen. Und dann findet man die Schwiegertochter oder was, und so geht es

weiter bis zum 12., 13. Kapitel. Im 14. Kapitel ist dann die Lösung. Das ist aber nur die

Lösung, weil das 15. Kapitel noch nicht geschrieben worden ist, nicht. Und das ist ein gutes

Beispiel der Viabilität, der Relativität der Viabilität, nicht? Und die Viabilität in der

Erfahrungswelt, ist eben die Struktur, die Konstruktion, die sich bisher bewährt hat. Von der

man sagen kann, ja bisher bin ich damit ausgekommen. Und das ist alles was man hat, nicht?

Unsere Wirklichkeit ist stets von dieser temporären Sorte, sie kann sich morgen völlig ändern.

Symboltheorie

Warum brauchen wir eine Symboltheorie? Nun, Symboltheorie befasst sich mit Dingen, die

eben wie Wörter oder Metaphern, etwas bedeuten. Symbole sind Dinge, die nicht um ihrer

selbst willen verwendet werden, sondern, weil sie die Vorstellung von etwas anderem

hervorrufen sollen. Dass Wörter das tun, konnten nicht einmal die Behavioristen bestreiten.

Wenn ich jetzt, ohne den geringsten Zusammenhang, das Wort ‚Eifelturm‘ sage, werden sich

die meisten von ihnen eine schlanke Stahlstruktur vorstellen, die sie von Bildern oder aus

eigener Erfahrung in Paris kennen gelernt haben. Diese Fähigkeit, Vorstellungen

heraufzubeschwören, ist, was auch Metaphern nützlich macht. Um ihnen das vor Augen zu

führen, sage ich jetzt: Präsident Bush ist eine Katastrophe. Wenn sie neugierig sind, was ich

als nächstes sagen werde, bemühen sie sich vielleicht gar nicht, diese Metapher zu begründen,

sondern legen sie für späteren Gebrauch beiseite. Verweilt jedoch diese Aufmerksamkeit bei

dem Wort Katastrophe, so wird ihnen zumindest eine Ahnung von Unglück oder Verlust

bewusst, oder vielleicht sogar ein Bild von der Verwüstung in Südostasien in den letzten

Tagen des vergangenen Jahres. Um die Metapher richtig zu verstehen, müssen sie nun aber

auch herausfinden, wie die Ahnung von Unglück und Verlust oder die ganz spezifische

Vorstellung von der Verwüstung durch eine Springflut mit dem Präsidenten Bush in eine

plausible Verbindung gebracht werden kann. Im vorliegenden Fall ist das nicht schwer, denn

es gibt da unzählige Möglichkeiten. Zum Beispiel, dass Bush in seinen ersten vier Jahren als

Präsident bereits hunderte von Vorschriften zum Schutz der Umwelt rückg.ngig gemacht hat,

was gehörig zur zukünftigen Verwüstung des Planeten beitragen wird. Dann ist da die immer

größer werdende Verschuldung des Staates, der Krieg in Irak und eine Reihe anderer

unglücklicher Unternehmungen. Welche dieser Möglichkeiten sie wählen, um die

metaphorische Verbindung mit dem Wort Katastrophe herzustellen, ist ganz ihre Sache. Was

ich aus dieser etwas unverschämten Einleitung festhalten möchte, ist die erwähnte Tatsache,

dass Metaphern ebenso wie Wörter und andere sprachliche Ausdrücke in Hörern oder Lesern

Vorstellungen hervorrufen. Wie sie das tun, ist eine Frage, auf die Philosophen, die sich mit

dem Metaphern-Problem befasst haben, meines Wissens kaum eingegangen sind. Das liegt

wahrscheinlich daran, dass die Sprachphilosophie nach wie vor Schwierigkeiten hat, von der

Idee loszukommen, dass die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks von seiner Wahrheit

abhängt. Das ist eine unsinnige Idee. Denn dieser Idee nach hätte zum Beispiel der Satz

„Eichhörnchen haben Hörner, Einhörner aber keines“ überhaupt keinen Sinn, wenn sie nicht

nachweisen können, dass das tatsächlich der Fall ist. Um es festzustellen, müssen sie aber

freilich schon wissen, was die Wörter bedeuten. Denn sonst wüssten sie ja gar nicht, wo in

ihrer Erfahrungswelt sie suchen sollen, um herauszufinden, ob der Satz wahr ist. Wahrheit hat

vielleicht mit den Reaktionen auf einen sprachlichen Ausdruck zu tun, aber sicher nichts mit

seiner Bedeutung. Mit der Bedeutung von Wörtern geben sich Leute ab, die man Semantiker

nennt. Sie bemühen sich festzulegen, worin diese Bedeutungen bestehen und definieren sie

mithilfe von anderen Wörtern. Und die Frage, wie es dazu kommt, dass wir Wörtern

Bedeutungen zusprechen, wird jedoch selten ausführlich behandelt. Wittgenstein hat in

seinem ‚Tractatus‘ noch von einem Vergleich mit der Wirklichkeit gesprochen. In seinem

späteren Werk aus den 50er Jahren hat er dann aber die Idee von ‚Sprachspielen‘ eingeführt.

‚Sprachspiele‘ beziehen sich auf Interaktionen mit anderen Sprechern, in denen Kindern und

älteren Unwissenden im Lauf von Versuchen und Fehlschlägen klar wird, was ein Wort, das

sie noch nicht kannten, bedeuten soll. Das war eine ausgezeichnete Idee, denn sie liefert ein

verständliches Modell, wie Sprachbenutzer Bedeutungen erarbeiten können. Die

Sprachspielidee wurde darum auch ziemlich allgemein angenommen. Auch von Leuten,

denen es nie in den Sinn kam, zu fragen, was bei diesen Spielen eigentlich vor sich geht. Das

heißt, worauf die Bedeutung, die der Lerner lernt, sich eigentlich bezieht. Das sieht freilich

sehr einfach aus. Ich präsentiere hier vier Hauptpunkte in Wittgensteins philosophischen

Untersuchungen. Erstens: Das Lehren der Sprache ist kein Erklären, sondern ein Abrichten.

Zweitens: Ein wichtiger Teil der Abrichtung wird darin bestehen, dass der Lehrende auf die

Gegenstände weist, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sie lenkt und dabei ein Wort

ausspricht. Drittens: Dieses hinweisende Lernen der Wörter, kann man sagen, schlägt eine

assoziative Verbindung zwischen dem Wort und dem Ding. Aber was heißt das? Nun, es kann

Verschiedenes heißen. Aber man denkt wohl zunächst daran, dass dem Kind das Bild des

Dinges vor die Seele tritt, wenn es das Wort hört. Viertens: Das Aussprechen eines Wortes ist

gleichzeitig ein Anschlagen einer Taste in dem Vorstellungsklavier. Vielleicht habe ich nicht

genug gelesen. Der Metapher ‚Sprachspiel‘ bin ich sicherlich hundert Mal bei anderen

Autoren begegnet. Hingegen kann ich mich nicht entsinnen, Wittgensteins Ausdruck

‚Vorstellungsklavier‘, je zitiert gesehen zu haben. Ich finde das erstaunlich, denn dieser

Ausdruck weist auf etwas hin, das mir für ein hinreichendes Verständnis des Begriffs

Bedeutung unerlässlich erscheint. Wittgenstein führt seine Idee in zwei Richtungen weiter

aus. Einerseits erklärt er, dass Vorstellungen allein nicht genügen, um den Mechanismus der

Sprache zu charakterisieren. Denn die erweckten Vorstellungen müssen auch in den jeweils

aktuellen Zusammenhang von Situation und ‚Sprachspiel‘ eingebaut werden. Für Linguisten

ist das das Gebiet der Pragmatik, das heute meistens von der Semantik getrennt wird.

Andererseits geht Wittgenstein ausführlich auf eine lange Suche, was die Bausteine sein

könnten, aus denen Vorstellungen, die als Bedeutungen fungieren, aufgebaut werden.

Vorübergehend erwähnt er, dass wir in vielen Fällen, da wir keine körperliche Handlung

angeben können, sagen, es sei eine geistige Tätigkeit, die den Worten entspricht. Ich kann

mich nicht entsinnen, diesen Hinweis auf geistige Tätigkeiten anderwärts gefunden zu haben.

Darum nehme ich an, dass Wittgenstein nie mit Piagets Arbeiten über mentale Operationen

Bekanntschaft gemacht hat. Auf der Suche nach Bedeutungselementen zitiert er, was Sokrates

in ‚Theaitetos‘ über Urelemente sagt. Nämlich, dass es für sie keine Erklärung gibt, und er

zitiert: „Denn alles, was an und für sich ist, kann man nur dadurch bestimmen, dass man es

mit Namen bezeichnet.“ Wittgenstein war mit der sokratischen Erklärung offensichtlich nicht

zufrieden. Denn er sagt: „aber welches sind die einfachen Bestandteile, aus denen sich die

Realität zusammensetzt?“ Was sind die einfachen Bestandteile eines Sessels, die Stücke Holz,

aus denen er zusammengefügt ist oder die Moleküle oder die Atome. Er kommt zu dem

Schluss, dass jedes Teilstück, das man benennen kann, immer noch weiter teilbar ist. Er zeigt

dies an einer Reihe von Beispielen und geht dann zu der Frage über, was allen diesen

Vorgängen gemeinsam ist und sie zu Sprache oder zu Teilen der Sprache macht. Was ist es,

was diese Teile gemeinsam haben? So kommt er zu dem Begriff des ‚Sprachspiels‘ zurück

und zu der Ansicht, dass die Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken aus ihrer Verwendung

zu erkennen sei. In der eingangs zitierten Passage, in der Wittgenstein das Lernen von

Bedeutungen durch hinweisendes Lehren beschreibt, sagt er, es bilde sich da eine assoziative

Verbindung zwischen dem Wort, das der Lehrer ausspricht und dem Ding, auf das er zeigt.

Das bewirke und anderem, dass dem Kind das Bild des Dinges vor die Seele tritt, wenn es das

Wort hört. Mit dieser Beschreibung des Spracherwerbs bin ich prinzipiell einverstanden,

möchte aber hinzufügen, dass das Bild, das dem Kind vor die Seele tritt, nur seine eigene

Vorstellung sein kann und nicht ein Ding an sich. Das wird klar, sobald man fragt, wie das

Kind zu seiner Vorstellung gekommen ist. Ein plausibles Szenario wäre zum Beispiel dieses:

Eine Mutter sagt zu ihrer Zweijährigen „Stell den Teller auf den Tisch!“ und deutet oder

klopft mit der Hand auf den Tisch und spricht dabei das Wort Tisch mehrere Male aus.

Dadurch wird, wie Wittgenstein sagt, dem Kind eine assoziative Verbindung zwischen dem

Wort und dem Ding nahegelegt. Doch die Verbindung ist nicht zwischen Wort und Ding,

sondern, wie de Saussure vor hundert Jahren erklärte, zwischen einem akustischen und einem

visuellen Erlebnis. Man kann, glaube ich, nicht daran zweifeln, dass Vorstellungen von

Dingen, die benannt werden, nur aus Stücken von Erlebnissen des Lernenden aufgebaut

werden können. Und die Erlebnisse des Lernenden sind seine individuelle Erfahrung und

wahrscheinlich ähnlich, aber sicher nicht identisch mit den Erfahrungen anderer Sprecher der

Sprache. Es ist freilich bequem, von der Vorstellung von Dingen zu sprechen, als wäre es

ganz selbstverständlich, was Dinge sind. Ich kann zum Beispiel versuchen, ihre

Aufmerksamkeit auf den Tisch zu lenken, indem ich darauf zeige oder darauf klopfe. Dinge,

die Tisch genannt werden, sind ihnen längst geläufig. Aber das Kind, dem ich das Wort Tisch

zum ersten Mal beibringen möchte, hat wahrscheinlich noch nie Grund gehabt, etwas wie

einen Tisch in seinem Wahrnehmungsfeld zu isolieren. Es hat keine Ahnung, was zu dem

Tisch gehören soll und was nicht. Gehören die Gläser oder die Flaschen, die auf dem Tuch

stehen, zu dem Tisch? Sind die Beine ein Teil vom Tisch? Das Sensorium, das heißt der Strom

von Signalen im Wahrnehmungsfeld ist, wie William James treffend sagte, „a blooming

buzzing confusion“, das heißt „ein wucherndes schwirrendes Durcheinander“. Für Lernende

ist es darum keineswegs selbstverständlich, wo ein zu benennendes Ding anfangen und wo es

aufhören soll. Das muss im Lauf von oft langwierigen Versuchen, Mutmaßungen und

Korrekturen erarbeitet werden. Ein Großteil dieses Lernens geschieht freilich in

‚Sprachspielen‘ mit anderen Sprechern. Doch es sind nicht die Vorstellungen der anderen, die

wir uns aneignen, sondern eigene Konstrukte, die im Lauf des Gebrauchs hinreichend an die

Vorstellungen anderer angepasst werden. Wobei hinreichend nicht mehr heißt, als dass sie zur

Verständigung mit anderen meistens funktionieren. Ich habe diese Teile der Sprachtheorie so

ausführlich besprochen, um eine Grundlage zu schaffen, auf der wir das Metaphern-Problem

aus der konstruktivistischen Perspektive besprechen können. Der Gegensatz zwischen

wörtlicher und metaphorischer Bedeutung wird in der Literatur oft so hingestellt, als bedürfe

die wörtliche Bedeutung keine besonderen Erklärungen, während die metaphorische eher

problematisch ist. Wie sieht es nun aber nach meinen sprachtheoretischen Erwägungen mit

der wörtlichen Bedeutung aus? Wenn die Vorstellung, die in mir durch das Wort Tisch

hervorgerufen wird, nicht genau die gleiche ist, wie die Vorstellungen, die das Wort bei ihnen

hervorruft, wo befindet sich dann die Bedeutung von Tisch. Als ich diese rhetorische Frage in

meinen Computer tippte, habe ich, vorsichtig wie ich bin, mich selbst gefragt, was Zuhörer da

wohl antworten würden. Nun, eine vernünftige Antwort schien mir zum Beispiel, dass man

die Bedeutung von Wörtern in einem Lexikon nachschlagen kann. Das ist zweifellos richtig.

Doch die Erklärungen, die man im Lexikon findet, sind wieder Gruppen von Wörtern, deren

Bedeutungen man kennen muss, um die Erklärungen zu verstehen. Somit sind wir wieder

dort, wo wir angefangen haben, nämlich bei den Semantikern, die die Bedeutung von Wörtern

durch Wörter beschreiben. In meinem alten Konversationslexikon finde ich unter Tisch

folgende Erklärungen, und ich zitiere: „Aus einer Platte und Beinstützen bestehendes

M.belstück. Wie aus der Antike reichverzierte Blöcke aus Marmor bekannt sind, begnügte

sich das Mittelalter mit glatten Blättern, die über einfache Stützbl.cke gelegt wurden. Seit

dem 15. Jahrhundert näherte sich die Gestalt des Tisches den verschiedenen Funktionen seiner

Anwendung an und wurde zum Ausdruck von wechselnden Stilformen.“ Ich glaube, dass

diese Definition nicht viel zu tun hat mit dem, was das kleine Mädchen sich vorzustellen

beginnt, wenn die Mutter mit dem Finger auf eine bestimmte Richtung zeigt und dabei Tisch

sagt. Auch bei ihnen, die ja im Spracherwerb viel weitergekommen sind, als die Zweijährige,

wird die Vorstellung, die durch das Wort Tisch heraufbeschworen wird, kaum eine Platte mit

Beinstützen sein. Ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass ihnen das Bild eines Tisches in den

Sinn kommt, den sie gesehen haben und mit dem sie einigermaßen vertraut sind. Wie alle

Tische lässt sich freilich auch ihr Tisch auf die Formel „Platte mit Beinstützen“ reduzieren.

Doch das ist nicht, was ihnen spontan in den Sinn kommt. Es besteht also anscheinend ein

Unterschied zwischen der wörtlichen Bedeutung eines Wortes und der Vorstellung, die es

hervorruft. Die Bedeutung im Lexikon beschreibt bestenfalls den gemeinsamen Nenner von

Vorstellungen, die durch den sprachlichen Ausdruck hervorgerufen werden. Aber die spontane

Vorstellung selbst beschreibt es nicht. Was das Kind sich vorstellen lernt, wenn seine Mutter

auf den Küchentisch zeigt, ist bestimmt nicht eine Platte mit Beinstützen. Die Zweijährige

wird eine ganze Reihe von Tischerlebnissen brauchen, bis sie andersartige Tische als solche

erkennen und benennen lernt. Auch bedarf es weiterer Entwicklung, bevor sie eine

Vorstellung gebildet hat, die von dem Wort Tisch aktiviert werden kann, ohne dass da ein

Tisch in ihrem Blickfeld ist. Das ist übrigens eine Beobachtung, die von

Entwicklungspsychologen so gut wie nie erwähnt wird, obschon wir sie oft an uns selbst

erleben. Wir haben alle eine ganze Reihe von Bekannten zum Beispiel, die wir erkennen,

wenn wir ihnen auf der Straße oder sonst wo begegnen, doch wir können uns sie nicht

vorstellen, wenn sie nicht vor uns stehen und wir sie nicht anschauen können. Auch in

meinem Beitrag zum ersten Metaphernsymposium gab es eine Mutter und ihr Kind. Das

Mädchen war einige Jahre älter als das heute erwähnte. Weil es das letzte Schokoladeneis aus

der Schale leckte, rügte die Mutter sie mit einer Metapher, indem sie sie ein Ferkel nannte.

Was ihr diese Metapher nahelegte, war offensichtlich eine Vorstellung von der Art und Weise,

wie Schweine fressen. Von dieser Vorstellung werden wir kaum etwas in einem Wörterbuch

finden. Die dort enthalten Bedeutung des Wortes Schwein ist, was Linguisten Annotation

nennen. Und die ablehnende Einstellung gegenüber schweinischer Fresstechnik ist ein Teil

der konventionellen Konnotation.

Ich sagte vorhin, dass Kinder lernen müssen, dass die Beine zum Tisch gehören, das

Tischtuch aber nicht. Haben sie da bemerkt, dass das Wort Beine in diesem Zusammenhang

als Metapher gebraucht wird? Wahrscheinlich nicht. Denn dieser Gebrauch ist längst, wie

Linguisten sagen, aus dem Bereich der Metaphern in jenen der wörtlichen Bedeutungen

übergegangen. Dennoch heißt es in meinem Lexikon, der Tisch habe Beinstützen, nicht

einfach Beine. Anscheinend war man sich mit der zweiten Bedeutung noch nicht ganz sicher.

Gehört es überhaupt zur wörtlichen Bedeutung von Beinen, dass sie Stützen sind, auf denen

etwas stehen kann? Wenn ich in meinem Lexikon unter ‚Beine‘ nachschlage, erfahre ich nur

dass es die unteren Gliedmaßen des Menschen sind, aus Ober-und Unterschenkel bestehen

und anderes mehr. Von Stützen steht da nichts. Auch das Laufen wird nicht erwähnt, und das

muss ich doch wissen, um die Metapher „Lügen haben kurze Beine“ zu verstehen. Das heißt

nämlich nicht, dass die Lügen dem Boden näher sind als andere Dinge, die auf Beinen stehen,

sondern, dass man mit kurzen Beinen nicht so weit läuft, als mit langen. Die Assoziationen

mit Stützen und Laufen, die einem bekannt sein müssen, um die beiden Metaphern zu

verstehen, stammen also nicht aus der wörtlichen Bedeutung von Bein, deren Definition im

Lexikon steht. Andere Metaphern aber können auf der wörtlichen Bedeutung beruhen. Um zu

verstehen, warum ein Kamel von Klischeeliebhabern ‚Schiff der Wüste‘ genannt wurde,

braucht man nur die Bedeutung von Schiff zu kennen. Denn im Lexikon steht nämlich:

„Wasserfahrzeug zur Beförderung von Personen und Gütern“. Wie steht es aber mit dem

Schiff der Kirche? Da braucht man wahrscheinlich die Vorstellung einer bauchigen

Konstruktion, von der nichts im Wörterbruch steht. Es sei denn, man sehe die Kirche als

Fahrzeug in den Himmel.

Offensichtlich können Metaphern ebenso auf Assoziationen beruhen, die denotative wörtliche

Bedeutungen bilden, wie auf Assoziationen, die zur konnotativen Aura des Wortes gehören.

Die wörtliche Bedeutung, sagte ich, sei der gemeinsame Nenner der Vorstellungen, die ein

Wort hervorruft. Das klingt sehr plausibel, ist aber noch nicht ganz richtig. Ich glaube nicht,

dass das Wort Schiff in vielen von ihnen ein Bild heraufbeschwört, dass sie spontan als

Beförderungsfahrzeug bezeichnen würden. Nein, diese wörtliche Bedeutung ist kaum die

Abstraktion, die sie von Schifferlebnissen gemacht haben, sondern eine Abstraktion auf der

Ebene der Beschreibungen. Was W.rterbücher enthalten, sind Definitionen, das heißt extrem

reduzierte Beschreibungen von Vorstellungen. Ich behaupte also, dass die Bedeutung von

Metaphern sowohl auf konnotativen als auch auf denotativen Assoziationen beruhen kann.

Das heißt, man könnte sich Wittgensteins Vorstellungsklavier so denken, als habe es weiße

Tasten der Denotation und schwarze Tasten der Konnotation. Je reicher und zugänglicher das

Repertoire von Vorstellungen und Konnotationen, über das sie verfügen, ist, so leichter ist

ihnen das Schaffen und Verstehen von Metaphern. Und dieses Repertoire ist nicht nur

körperliche Erlebnisse umfassend, sondern auch Gefühle und ganz abstrakte Verbindungen.

Zum Schluss möchte ich ihnen ein Beispiel geben, das deutlich greifbar macht, wie wichtig

der ungehemmte Zugang zu Vorstellungen ist. 1936 war die Olympiade in Berlin. Da wurde

nicht nur ein Stadium und ein Olympisches Dorf gebaut, sondern auch ein Theater. Der

Freund, bei dem ich zu Besuch war, führte mich am Tag vor der Eröffnung in das Olympische

Dorf und schließlich auch zu dem Theater. Da war noch ein Gerüst vor dem Eingang und

einige Männer arbeiteten an einem Fries über dem Portal. Mein Freund erklärte, dass man

anscheinend zu spät, nämlich erst als die Inschrift fertig war, merkte, dass sie für die

regierende Partei nicht annehmbar war. Die Inschrift lautete nämlich „Ein Volk, ein Führer,

ein Theater.“

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