Der Begriff Ethnozentrismus stammt vom griechischen Wort ethnos „Volk“. Das Volk rückt als Lehre, Ideologie oder geistige Strömung ins Zentrum.
Der amerikanische Soziologe William Graham Sumner unternahm bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts in seinem Werk Folkways (1906) einen Definitionsversuch: „Ethnocentrism is the technical name for this view of things in which one`s own group is the center of everything, and all others are scaled and rated with reference to it“ (Sumner 2007, 13). Ins Deutsche übersetzt bedeutet das: „Ethnozentrismus ist der Fachausdruck für jene Sicht der Dinge, in welcher die eigene Gruppe der Mittelpunkt von allem ist und alle anderen mit Bezug darauf gemessen und bewertet werden.“
Mittlerweile ist Ethnozentrismus ein gebräuchlicher Terminus geworden, der interdisziplinäre Anwendung findet. So ist er in der Psychologie, Sozialwissenschaft und Politikwissenschaft als Begriff präsent. Unter Ethnozentrismus wird die Voreingenommenheit eines Individuums gegenüber kulturell fremden Menschen und Gruppen verstanden. Dabei blickt der Mensch durch die Brille seiner eigenen Kultur (‚Eigengruppe‘), macht sie zum Maßstab und interpretiert auf dieser Grundlage die jeweils andere Kultur (‚Fremdgruppe‘). So kommt es zu einer unreflektierten Übertragung von Haltungen der eigenen Kultur. Damit einhergehend lassen sich normative Tendenzen beobachten: Menschen erachten ihre eigene Kultur und Religion für gut, moralisch und tugendhaft. Außengruppen hingegen werden als schlecht, unmoralisch und bedrohlich angesehen.
Somit spielen auch Stereotype und Vorurteile eine Rolle, die nicht überdacht die Grundlage für rassistisches oder nationalistisches Verhalten werden können: „Der Ethnozentrismus geht über die bloße Fremdenangst noch hinaus, indem das Fremde nicht nur als fremd und deswegen angstmachend, sondern aufgrund eines übersteigerten Wir-Gefühl vor allem als `minderwertig` angesehen wird“ (Wahle 2017, 231).
Das definitorische Gegenkonzept von Ethnozentrismus ist Polyzentrismus, der eine offene und tolerante Haltung gegenüber Menschen anderer Kulturen, Lebensweisen und Ansichten vertritt. Einzigartigkeit und Eigenständigkeit anderer Kulturen werden geachtet und eigene kulturelle Werte und Einstellungen dabei kritisch reflektiert.
Literatur
Ahlheim, Klaus (2013): Rechtsextremismus, Ethnozentrismus, politische Bildung. Kritische Beiträge zur Bildungswissenschaft, Band 8. Hannover: Offizin.
Hagedorn, Jörg u. a. (Hrsg.) (2010): Ethnizität, Geschlecht, Familie und Schule: Heterogenität als erziehungswissenschaftliche Herausforderung. Wiesbaden: VS.
Sumner, William Graham (2007): Folkways. A Study of Mores, Manners, Customs and Morals. Nachdruck Cosimo Classics. New York: Dover Publications.
Wahle, Stefan (2017): Fremdheitserlebnisse und Helferphantasien unter dem Einfluss von Ehtnozentrismus. 2. Aufl. Norderstedt: Books on Demand.