BlackfacingBlackfacing meint das Schminken eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, um ihm den Anschein zu geben, eine andere Hautfarbe zu haben. Diese Praktik ist deutschlandweit verbreitet und wird beispielsweise in Theaterinszenierungen, Karnevalsumzügen oder Sternsingergruppen angewendet. Neben der optischen Veränderung hat Blackfacing auch eine politische Dimension, die in den letzten Jahren für intensive Diskurse gesorgt hat (vgl. Voss 2014, 103).

Koloniale Tradition
„Blackfacing / Blackface ist eine Theater- und Unterhaltungsmaskerade, die ihren Ursprung in den USA des 19. Jahrhunderts hat, aber zu Beginn europäischer Kolonialherrschaft auch in Europa aufgegriffen wurde.“ (Khabo Koepsell 2015, 48) In sogenannten ‚Minstrel Shows‘ schminkten sich weiße Schauspieler*innen mit schwarzer Farbe oder Kohle und „portraitierten dabei rassistische Stereotype der Schwarzen Bevölkerung. […] Schwarze Hautfarbe stand in der Tradition des Blackfacings immer für Primitivität und geistige Beschränktheit.“ (Khabo Koepsell 2015, 48) Gegenwärtiges Blackfacing bedient sich also rassistischen Traditionen und reproduziert diese.

Blackfacing ist eng mit dem Kolonialismus verbunden. Während der Zeit des europäischen Kolonialismus wurde die schwarze Bevölkerung oft als minderwertig und exotisch dargestellt. Blackfacing reproduziert und verstärkt diese kolonialen Machtverhältnisse. Der europäische Kolonialismus hatte für diese erhebliche Probleme zur Folge. Zunächst einmal führte die Territorialaufteilung Afrikas durch die europäischen Mächte zu einer willkürlichen und oft gewaltsamen Teilung des Kontinents. Die Grenzziehungen ignorierten häufig bestehende ethnische, kulturelle und politische Strukturen und zwangen verschiedene Volksgruppen in willkürlich zusammengewürfelten Kolonialgrenzen zu leben. Dies führte zu Konflikten und Spannungen innerhalb der afrikanischen Länder, die auch nach der Unabhängigkeit fortbestanden.

Des Weiteren hatten die Kolonialmächte eine direkte Kontrolle über die Ressourcen der Kolonien und die Arbeitskräfte, was zu Ausbeutung und Unterdrückung führte. Die schwarze Bevölkerung wurde oft gezwungen, unter extremen Bedingungen in Plantagen, Minen und anderen Arbeitsstätten zu arbeiten, um die Interessen der Kolonialmächte zu bedienen. Dies führte zur Ausbeutung der Ressourcen Afrikas und hatte negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder.

Zusätzlich führte der europäische Kolonialismus zu einer Unterdrückung der kulturellen Identität und der kollektiven Erinnerung der schwarzen Bevölkerung. Viele afrikanische Sprachen und Traditionen wurden unterdrückt oder sogar verboten, während gleichzeitig europäische Kultur und Identität gefördert wurden. Dies führte zu einem Verlust von kultureller Vielfalt und zu Identitätskrisen innerhalb der schwarzen Bevölkerung.

Schließlich führte der europäische Kolonialismus zu einer beträchtlichen politischen Instabilität in vielen afrikanischen Ländern. Die neuen Kolonialgrenzen führten oft dazu, dass verschiedene Volksgruppen innerhalb derselben politischen Einheit leben mussten, was zu Konflikten und Spannungen führte. Nach der Unabhängigkeit wurden viele afrikanische Länder von innenpolitischen Konflikten, ethnischen und religiösen Spannungen sowie Diktaturen geplagt, die auf die willkürliche koloniale Grenzziehung zurückzuführen sind.

Blackfacing in Deutschland
In den letzten Jahren wurden kulturelle Ereignisse in Deutschland, bei denen Blackfacing verwendet wurde, äußerst kritisch diskutiert. Ein Beispiel für Blackfacing in Deutschland ist der Fall des Comedians Jan Böhmermann im Jahr 2011. In einer Fernsehsendung trat er in einer Sketch-Comedy-Show als afrikanischer Stammeshäuptling auf und trug dabei schwarze Gesichtsfarbe. Diese Darstellung wurde von vielen Menschen als rassistisch und beleidigend empfunden, da sie rassistische Stereotypen über Menschen mit dunkler Hautfarbe bediente. Auch die Theaterinszenierung Ich bin nicht Rappaport des Berliner Schlosspark Theaters am 5. Januar 2012 oder die ZDF-Sendung Wetten, dass..? im Dezember 2013, bei der sich Bürger*innen aus Augsburg als Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer verkleideten, sind Beispiele für Blackfacing innerhalb Deutschlands.  Auch wenn Blackfacing in Deutschland nicht direkt in der Tradition zu den amerikanischen Minstrel Shows steht und die Intention der Verantwortlichen für die oben genannten Beispiele nicht als rassistisch einzuschätzen ist, basiert Blackfacing auf Stereotypen und rassistischen Vorstellungen, die durch die koloniale Vergangenheit geprägt sind.

Rassismus ist unabhängig von der Intention
People of Color* (bspw. Aktivist*innen der Vereinigung Bühnenwatsch) kritisieren „die Definitionsmacht weißer Personen über Rassismus“ (Ganz 2012, 127) und weisen darauf hin, dass Rassismus oftmals strukturell bedingt ist und unabhängig von der Intention verübt werden kann. Hylton beobachte beispielsweise, dass sich Menschen im Publikum bei Tennisspielen von Serena Williams blackfacen, und stellte fest: „Some argue that face painting at motor racing, and other sport and leisure events is good natured and fun for all. For these people, blackfacing falls into the category of harmless and innocuous fun. However, another reading of it is that no performance of blackface can be neutral in terms of its impact on Black and mioritised ethnic communities. It is undeniable that Black and minoritised communities are sensitive, and therefore vulnerable, to the performance of blackface.” (Hylton 2018, 11)

*Der Terminus „People of Color“ (POC) ist eine Sammelbezeichnung für Menschen, die nicht weiß sind und oft gemeinsame Erfahrungen oder ähnliche soziale, politische und wirtschaftliche Herausforderungen aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit teilen. Der Begriff dient dazu, die Vielfalt von nicht-weißen Gruppen hervorzuheben und eine Kategorie zu schaffen, um Gemeinsamkeiten und gemeinsame Anliegen zu erkennen und anzuerkennen.

POC wurde als alternativer Begriff zu „nicht-weiß“ oder „Minderheit“ entwickelt, da diese Bezeichnungen oft als problematisch angesehen werden. Der Begriff betont die breite Palette von Hautfarben und ethnischen Identitäten, die nicht der weißen Mehrheit entsprechen, und erkennt an, dass es vielfältige Erfahrungen innerhalb der Gruppe gibt.

POC umfasst eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen, darunter Schwarze Menschen, Indigene Völker, Lateinamerikaner*innen, Asiat*innen, Menschen mit Nahost-Hintergrund und Menschen mit gemischten ethnischen Hintergründen. Es ist wichtig zu beachten, dass POC eine politische und soziale Konstruktion ist, die sich je nach Kontext und geografischer Region unterscheiden kann. Die spezifischen Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung können je nach Rassenerfahrung variieren, und POC können unterschiedlichen Formen der Unterdrückung ausgesetzt sein.

Der Begriff „People of Color“ wird in verschiedenen sozialen und politischen Kontexten verwendet, um auf die gemeinsamen Herausforderungen und Erfahrungen von Nicht-Weißen aufmerksam zu machen. Menschen, die sich als POC identifizieren, können sich gegenseitig unterstützen und ihre Stimme gemeinsam erheben, um gegen strukturellen Rassismus, Diskriminierung und Ungleichheiten zu kämpfen. Der Begriff POC zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit auf rassistische Systeme und die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit zu lenken.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass POC ein Überbegriff ist, der Vielfalt und individuelle Erfahrungen innerhalb dieser Gruppen nicht vollständig repräsentiert. Es gibt zahlreiche Diskussionen und Debatten über den Begriff, da er manchmal als zu allgemein betrachtet wird und möglicherweise bestimmte Unterschiede und Ungerechtigkeiten innerhalb der Gruppe vernachlässigt. Letztlich ist die Verwendung des Begriffs „People of Color“ kontextabhängig und spiegelt die gelebte Erfahrung und die gemeinsamen Kämpfe von nicht-weißen Menschen wider.

 

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Literatur

Ganz, Katharina (2012): Die Artikulation von Differenz – Gesellschaftstheorie als Subjekttheorie, Subjekttheorie als Gesellschaftstheorie. In: Dzudzek, Iris/ Kunze, Caren/ Wullweber, Joscha (Hrsg.): Diskurs und Hegemonie. Gesellschaftskritische Perspektiven. Bielefeld: Transcript.

Hylton, Kevin (2018): CONTESTING ‚RACE‘ AND SPORT. Shaming the Colour Line. New York: Routledge.

Khabo Koepsell, Philipp (2015). Erste Indaba Schwarzer Kulturschaffender in Deutschland. Protokolle. Berlin: epubli.

Voss, Hanna (2014): Reflexion von ethischer Identität(szuweisung) im deutschen Gegenwartstheater. Marburg: Tectum.

Blackfacing – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele | DWDS

 

Transkript zum Erklärfilm:

Blackfacing meint das Schminken eines weißen Menschen mit schwarzer Farbe, um ihm den Anschein einer anderen Hautfarbe zu geben. In den letzten Jahren wurden kulturelle Ereignisse wie zum Beispiel Theateraufführungen, bei denen Blackfacing verwendet wurde, zunehmend kritisch diskutiert. Viele People of Color lehnen die Definitionsmacht weißer Personen über Rassismus ab und weisen darauf hin, dass Rassismus strukturell bedingt ist und unabhängig von der Intention verübt werden kann. Auch wenn die Intention der Verantwortlichen nicht immer rassistisch ist, basiert Blackfacing auf Stereotypen und rassistischen Vorstellungen, die durch die koloniale Vergangenheit geprägt sind.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Bitte. Danke.

Ich habe einen Kumpel, der aus Kuba kommt und mit dem ich mich immer auf Spanisch unterhalte. Nach und nach fiel mir immer stärker auf, dass er nie die Worte „Bitte“ und „Danke“ verwendet. Als er mal wieder sagte: „Gib mal deinen Laptop“, teilte ich ihm meine Beobachtung mit und wies ihn darauf hin, dass es ziemlich unhöflich ist, etwas zu wollen, ohne „Bitte“ zu sagen. Anschließend erklärte er mir, das Verwenden von „Danke“ und „Bitte“ sei auf Kuba ein Zeichen von Distanz. Er aber habe ein solches Vertrauen zu mir, dass er es als unangebracht empfände, „Bitte“ und „Danke“ zu verwenden. Diesen Umstand konnte ich mir von anderen Kubanern und Lateinamerikanern bestätigen lassen.

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