Cultural StudiesCultural Studies ist ein aus dem anglo-amerikanischen Raum stammendes, akademisches und praktisch angewandtes Konzept, das alltägliche und gegenwärtige intra- und interkulturelle Verhaltensweisen, Beziehungen und Konflikte zwischen verschiedenen sozialen Gruppen beschreibt, analysiert und zu verbessern versucht.

Definition

Der Begriff der Cultural Studies ist schwierig abzugrenzen, da er aus verschiedenen historischen und soziokulturellen Strömungen entstanden ist. Das Wort Kultur (engl. culture) leitet sich laut Oxford Dictionary ursprünglich vom lateinischen Substantiv cultura ab und bedeutet „Wachstum“ oder „Kultivierung“. Während es sich im 16. Jahrhundert noch auf die Kultivierung von Land bezog, bildete sich im 19. Jahrhundert der Bezug zum Kultivieren des menschlichen Denkens und menschlicher Verhaltensweisen heraus (vgl. Oxford Dictonary 2018).

Wenn heutzutage von Kultur gesprochen wird, ist im Alltagsgebrauch meist die von Menschen gelebte Kultur gemeint. Laut Waldenfels bezieht sich diese auf alles, was Menschen aus sich und ihrer Umwelt machen sowie auf die dadurch entstehenden Prozesse, wie beispielsweise (symbolische) Verhaltensweisen und Rituale, Kunst, soziale Institutionen, Medien und Technologie, aber auch menschlicher Einfluss auf die Natur (vgl. Assmann 2012, 13). Im Zusammenhang mit Kultur steht oft das Konzept der Nation, das politische Aspekte des Zusammenlebens vereint und von dem Begriff der Gesellschaft abzugrenzen ist, die eher soziale Organisationen beschreibt (vgl. Hofstede/ Hofstede 2011, 18).

Cultural Studies – ein interdisziplinäres Feld

Cultural Studies ist ein junges interdisziplinäres Feld in der Forschung und Lehre, welches sich mit Konstrukten wie Ideologie, soziales Milieu, Nationalität, Ethnizität, Sexualität und Gender beschäftigt (vgl. academicroom 2018). Es kombiniert dabei verschiedenste Felder der Sozial- und Geisteswissenschaften wie Literatur, Politik, Philosophie, Geschichte und Medienwissenschaften. In Kombination dieser Disziplinen versuchen Cultural Studies zu erklären, wie Bedeutungen, Einstellungen, Rituale, soziale Systeme und Institutionen in einer Kultur produziert und generiert werden (vgl. academicroom 2018).

Das Hauptziel der Cultural Studies ist es, Kultur nicht nur als Artefakte oder ästhetische Ausdrucksformen zu betrachten, sondern als Teil des sozialen und politischen Gefüges einer Gesellschaft. Kultur wird dabei als ein Beziehungsgeflecht von Bedeutungen, Praktiken, Werten und Normen verstanden, das das Zusammenleben von Menschen beeinflusst.

Ein zentraler Ansatzpunkt der Cultural Studies ist die Analyse von Machtverhältnissen und Diskursen. Dabei wird untersucht, wie in einer Gesellschaft bestimmte Bedeutungen und Werte produziert, reproduziert und verhandelt werden. Hierbei wird insbesondere auf die Rolle von Institutionen wie Medien, Bildungseinrichtungen und politischen Institutionen geachtet. Durch diese Analysen sollen gesellschaftliche Ungleichheiten und Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung sichtbar gemacht werden. Ein weiteres zentrales Thema der Cultural Studies ist die Alltagskultur. Alltagspraktiken, Populärkultur und Massenmedien werden intensiv untersucht, um herauszufinden, wie sie Bedeutungen und Identitäten formen und prägen. Es wird analysiert, wie diese Kulturformen auf individueller und kollektiver Ebene wirken und welchen Einfluss sie auf soziale Strukturen haben.

Die Cultural Studies verwenden eine Vielzahl von Forschungsmethoden, um diese Fragestellungen zu bearbeiten. Dazu gehören qualitative Methoden wie Interviews, ethnografische Beobachtungen, Diskursanalysen und Inhaltsanalysen, aber auch quantitative Methoden wie Umfragen und statistische Analysen. Ein besonderes Merkmal der Cultural Studies ist ihr politisches Engagement. Forscherinnen und Forscher verstehen sich oft als Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für progressive soziale Veränderungen einsetzen. Dies zeigt sich sowohl in den Forschungsfragen und -methoden, als auch in der Art und Weise, wie die Ergebnisse der Forschung verbreitet und angewandt werden. Die Cultural Studies sehen sich als anwendungsorientiert und versuchen, einen Beitrag zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse zu leisten.

Insgesamt bieten die Cultural Studies eine grundlegende Alternative zu traditionellen Vorstellungen von Kultur, die oft auf elitäre Kunstbegriffe oder auf ethnische, nationale oder geografische Identitäten beschränkt sind. Stattdessen betonen sie die Vielfalt und Komplexität von Kultur und deren Bedeutung für soziale, politische und ökonomische Prozesse. Sie bieten eine theoretische und methodische Grundlage, um Kultur als einen lebendigen und kontinuierlichen Teil des menschlichen Lebens zu verstehen.

Herkunft

Laut Assmann haben sich die Cultural Studies in den 1980er Jahren zu einem akademischen Fach in den USA entwickelt (vgl. Assmann 2012, 19).

Geprägt wurde der Begriff 1964 von Hoggart und anschließend weiterverfolgt von Hall. Bis dahin hatte sich der Begriff der Kultur ausschließlich auf die Hochkultur (high culture) bezogen, mit einem streng vorgegebenen literarischen Kanon. Jüngere Generationen fühlten sich durch den Zwang zur akademischen Elite in Universitätsstädten wie Cambridge nicht mehr repräsentiert, sodass sie in Arbeiterstädte auswanderten. Dort bauten sie eine neue Kultur entsprechend ihrer Visionen und Interessen auf, angelehnt an Vordenker wie Kant.

Durch diesen sozialen Wandel entstand in den 1970er und 1980er Jahren im englischsprachigen Raum eine neue Massen- und Popkultur, die beispielsweise auch die Arbeiterklasse, Frauen und Migranten miteinbezog. Dies führte erstmals zu einer bewussten Identitätsbildung und Abgrenzung verschiedener Ethnien, Sexualitäten, Nationalitäten und anderer Minoritäten und brachte somit auch Nachteile mit sich. Mehr als eine Kultur zu beschreiben, zeigen Cultural Studies auch die Schwierigkeiten auf, Kulturen definieren und eingrenzen zu wollen, da diese einem ständigen Wandel unterworfen sind (vgl. Assmann 2012, 20).

Abgrenzung zur Kulturwissenschaft

Die Idee der Cultural Studies ist von dem Begriff der deutschen Kulturwissenschaft abzugrenzen. Letztere findet größtenteils im akademischen Kontext statt, bezogen auf Literatur und historischen Kontext, wie das Kollektivgedächtnis. Auch mit sinnstiftenden Symbolsystemen innerhalb von Kulturen setzt sich die deutsche Kulturwissenschaft stark auseinander (vgl. Hanenberg et al. 2010, 62–63). Die Kulturwissenschaft analysiert und interpretiert kulturelle Phänomene, wie Sprache, Kunst, Musik, Religion, Werte, Normen, Sitten und Bräuche. Dabei betrachtet sie sowohl vergangene als auch gegenwärtige Kulturen und versucht, deren Entstehung, Entwicklung und Einfluss auf die Gesellschaft zu verstehen. Sie bedient sich dabei verschiedener theoretischer Ansätze und Methoden aus verschiedenen Fachdisziplinen wie Anthropologie, Linguistik, Literaturwissenschaft, Soziologie, Philosophie, Ethnologie und Geschichtswissenschaft. Durch die Kombination dieser Ansätze versucht die Kulturwissenschaft, einen umfassenden und ganzheitlichen Blick auf die Kultur zu werfen.

Eine zentrale Fragestellung der Kulturwissenschaft ist, wie Kultur entsteht und sich verändert. Sie versucht zu verstehen, welche Faktoren kulturelle Phänomene beeinflussen, wie etwa politische, soziale, wirtschaftliche oder technologische Entwicklungen. Dabei wird auch untersucht, wie sich Kulturen gegenseitig beeinflussen und wie kulturelle Kontakte und Austauschprozesse ablaufen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse von kulturellen Artefakten und Praktiken. Dabei wird untersucht, welche Bedeutungen und Symboliken ihnen zugewiesen werden und wie diese von verschiedenen Gesellschaften interpretiert werden. Hierbei können auch Fragen nach Machtverhältnissen, Identität und Geschlecht einbezogen werden.

Die Kulturwissenschaft versucht auch, gesellschaftliche Phänomene im kulturellen Kontext zu betrachten. So werden zum Beispiel auch politische, ökonomische oder soziale Strukturen analysiert und interpretiert in Bezug auf ihre kulturelle Bedingungen und Auswirkungen. Sie hat außerdem eine starke Verbindung zur Praxis, da sie auch auf praktische Anwendung abzielt. So kann sie zum Beispiel im Bereich der Kulturförderung und kulturellen Bildung eingesetzt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Kulturwissenschaft ein besseres Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen und kann damit zu einem Dialog und gegenseitigem Verständnis beitragen.

In der Kulturwissenschaft werden also wechselseitige soziale Strukturen und Beziehungen zwischen Kulturen untersucht. Cultural Studies hingegen sind politischer und streben eine aktive Integration von Minderheiten sowie den Übergang von der Hoch- zur Popkultur an. Aus diesem oben beschriebenen Trend zur Popkultur zieht sich die deutsche Kulturwissenschaft hingegen eher zurück (vgl. Hanenberg et al. 2010, 240–243).

 

Hier geht es zum Überblick aller Lexikonartikel…

 

Literatur

Academic Room: http://www.academicroom.com/topics/what-is-cultural-studies [30.06.2018].

Assmann, Aleida (2012): Introduction to Cultural Studies. Topics, Concepts, Issues. Berlin: Erich Schmidt.

Hanenberg, Peter/ Capeloa Gil, Isabel/ Clara, Fernando/ Viana Guarda, Filomena (2010): Rahmenwechsel Kulturwissenschaften. Würzburg: Königshausen und Neumann.

Hofstede, Geert/ Hofstede, Gert Jan (2005): Cultures and Organizations. Software of the Mind. Intercultural Cooperation and its Importance for Survival. New York: Mc Graw-Hill.

Oxford Dictionary: https://en.oxforddictionaries.com/definition/culture [25.06.2018].

Cultural Studies – Lexikon der Geographie (spektrum.de)

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Spanisches Temperament

Ich machte von September 2012 bis Juli 2014 einen Au Pair-Aufenthalt in London. In meiner letzten Woche arbeitete ich das neue Au Pair, das mich ersetzen sollte, ein. Sie war ungefähr in meinem Alter und kam aus Spanien. Eines Abends telefonierte sie über Skype mit ihrer Familie. Sie wurde während des Gesprächs sehr laut und da ich die Sprache nicht verstand, schloss ich daraus, dass sie sich stritt. Nach dem Skype-Gespräch sprach ich sie darauf an und fragte, was denn los sei. Sie fing an zu lachen und sagte, dass sie sich ganz normal unterhalten und nicht gestritten hatten. Da wurde mir klar, dass ich das spanische Temperament als streitenden Tonfall wahrgenommen hatte. Mir war das etwas unangenehm, aber zum Glück konnten wir am Ende beide darüber lachen.

 

27. November 2017

Cultural Studies

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