Buchtipp

Interkulturelle Kommunikation bezeichnet eine „interpersonale Interaktion mit Hilfe von sprachlichen Codes zwischen Angehörigen von verschiedenen Gruppen oder Kulturen“ und setzt sich aus dem Ausdruck Interkulturalität, einem „Begriff für die philosophische und kulturwissenschaftliche Konzeption der Beziehungen zwischen […] Kulturen“ sowie dem lateinischen Wort communicatio „Mitteilung/ Verständigung“ zusammen (Metzler Lexikon 2013, 343–344 u. 389).

Interaktionsform

Dabei stellt die „insbesondere im Rahmen von Ethnolinguistik, Pragmatik und Soziolinguistik untersuchte Kommunikationsweise“ in Form von „Sprechen, Gestik, Mimik“ (Lexikon der Sprachwissenschaft 2008, 302) und nach Lüsebrink auch durch die Berücksichtigung der „materiellen Kultur“ (Lüsebrink 2004, 10) eine Interaktionsform „von Menschen verschiedener (Sub)Kulturkreise dar, deren erfolgreiche Verständigung aufgrund kultureller Unterschiede häufig durch Vorurteile (Stereotype) und Missverständnisse gefährdet ist“ (Lexikon der Sprachwissenschaft 2008, 302).

Schlüsselqualifikation

Geprägt wurde der Ausdruck während der 1960er Jahre in den USA im Rahmen der Bildung von Theoriekonzepten zur interdisziplinären Kommunikationswissenschaft. Seit den 1970er Jahren kam es auch in Deutschland zu einer Entwicklung der empirischen Forschung mit dem Schwerpunkt „der Verknüpfung von Sprache, Situationen und Identität mit Formen und Interpretationen des Handelns“ (Metzler Lexikon 2013, 344).

Im Kontext der stetig voranschreitenden Globalisierung bildet jener „durch Empathie, Toleranz und kulturspezifisches Wissen bedingte dynamische (Kommunikations-)Prozess das Ziel, gemeinsame Bedeutungen herzustellen“ und stellt vor diesem Hintergrund eine heute in „allen Bereichen der Gesellschaft gefragte Schlüsselqualifikation“ (Metzler Lexikon 2013, 344) dar.

Kommunikation, interkulturelleKulturelles Orientierungssystem

Laut Podsiadlowski handelt es sich dabei um eine Anpassung an andere Kulturen, welche die (interkulturelle) Kompetenz voraussetzt. Es geht darum, das „Orientierungssystem der Wahrnehmung, des Denkens und Wertens […] anderer Kulturen zu verstehen“ und es im eigenen „Denken und Handeln im fremdkulturellen Handlungsfeld anzuwenden“ (Podsiadlowski 2004, 50). Beispielsweise trage interkulturelle Kommunikation zu einer „erfolgreichen internationalen Tätigkeit“ im Rahmen von Geschäftsreisen bei (vgl. Podsiadlowski 2004, 45–47).

Ethnologie und Macht

Für Lüsebrink hingegen stellen außerdem die „Betrachtungen des historischen Kontexts“ sowie die gegenwärtigen Entwicklungsprozesse, unter Berücksichtigung der medialen Entwicklung, eine wesentliche Rolle dar, um ein möglichst differenziertes Gesamtbild der interkulturellen Kommunikation zu erhalten (vgl. Lüsebrink 2004, 12).

Zugleich kritisiert er ihre starke Ausrichtung auf den Handlungsbereich der Wirtschaft und bezieht sich dabei auf die „gesellschaftlichen Machtzentren“ sowie ihre oftmals daraus resultierende „inhumane Instrumentalisierung durch jene Zentren“. Das eigentliche Arbeitsfeld der Ethnologie, also die Erforschung des komplexen und vielschichtigen „Kulturbegriffs“, wird dann verfehlt, wenn „Gruppen und Gesellschaften, die im globalen System an der Peripherie, [also] an den Randzonen der Macht leben“ keine Berücksichtigung finden (Lüsebrink 2004, 46 f.). Zweifelhaft ist auch, inwiefern die von Podsiadlowski ins Spiel gebrachte einseitige Anpassung an fremdkulturelle Kontexte langfristig erfolgreiches menschliches Miteinander ermöglichen kann.

Beispiel für interkulturelle Kommunikation

Ein anschauliches Beispiel für interkulturelle Kommunikation ist die Zusammenarbeit eines deutschen Unternehmens mit einem chinesischen Zulieferer bei der Entwicklung eines neuen Produkts. Zu Beginn der Zusammenarbeit treffen sich die beiden Unternehmen zu einem persönlichen Gespräch, um ihre Erwartungen und Ziele zu besprechen. Der Vertreter des deutschen Unternehmens, Herr Müller, beginnt das Gespräch mit einer kurzen Vorstellung und betont die Wichtigkeit von Pünktlichkeit und Effizienz. Er erklärt auch, dass deutsche Geschäftsleute oft direkt und offen kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Der chinesische Vertreter, Herr Li, hört aufmerksam zu und macht sich Notizen. Er erklärt, dass in der chinesischen Kultur Höflichkeit und Respekt vor Hierarchien sehr wichtig sind. Chinesische Geschäftsleute bevorzugen die indirekte Kommunikation und vermeiden es oft, negative Nachrichten direkt auszusprechen, um das Gesicht des Gegenübers zu wahren. Während der Entwicklung des neuen Produkts finden regelmäßige Online-Meetings zwischen den beiden Unternehmen statt. Dabei stellt Herr Müller detaillierte Anforderungen an das Produkt und erwartet regelmäßige Updates über den Fortschritt. Er verwendet eine direkte und klare Sprache, um sicherzustellen, dass seine Erwartungen verstanden werden. Herr Li übersetzt diese Informationen für sein Entwicklungsteam in China und versucht gleichzeitig, die Anforderungen an die chinesischen Marktbedingungen anzupassen. Er verwendet eine indirekte Sprache und paraphrasiert Vorschläge oder Kritik, um Missverständnisse oder Konfrontationen zu vermeiden. Innerhalb des Entwicklungsprozesses gibt es einige Missverständnisse und unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie das Produkt hergestellt werden soll. Bei einem virtuellen Treffen hören sich beide Parteien geduldig zu und versuchen, die Perspektive des anderen zu verstehen. Sie stellen Fragen und klären Unklarheiten, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Es stellt sich heraus, dass es ein Missverständnis in der Kommunikation gegeben hat: Für Herrn Müller war es wichtig, dass das Produkt pünktlich geliefert wird, für Herrn Li war das nicht so wichtig. Für ihn stand die Qualität der Ware im Vordergrund. Nachdem sie diesen Unterschied erkannt hatten, einigten sie sich auf einen Kompromiss, der sowohl die pünktliche Lieferung als auch eine gute Qualität sicherstellte. Am Ende des Projekts sind beide Seiten mit dem Ergebnis zufrieden. Das neue Produkt wird termingerecht, in hoher Qualität und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des chinesischen Marktes entwickelt. Klare Kommunikation und die Fähigkeit, kulturelle Unterschiede zu verstehen und zu respektieren, waren entscheidend für den Erfolg dieser interkulturellen Zusammenarbeit.

 

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Literatur

Bußmann, Hadomud (2008): Interkulturelle Kommunikation. In: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4. Aufl. Stuttgart: Kröner, 302.

Lüsebrink, Hans-Jürgen (2004): Konzepte der Interkulturellen Kommunikation. Theorieansätze und Praxisbezüge in interdisziplinärer Perspektive. St. Ingbert:  Röhrig Universitätsverlag.

Müller-Hartmann, Andreas (2013): Interkulturelle Kommunikation. In: Nünning, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon. Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart/ Weimar: J. B. Metzler, 344.

Podsiadlowski, Astrid (2004): Interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit. Interkulturelle Kompetenz trainieren. Mit Übungen und Fallbeispielen. München: Franz Vahlen.

Schmidt, Siegfried J. (2013): Kommunikationstheorie. In: Nünning, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon. Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart/ Weimar: J. B. Metzler, 389.

Sommer, Roy (2013): Interkulturalität. In: Nünning, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon. Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 5. Aufl. Stuttgart/ Weimar: J. B. Metzler, 343 f.

Interkulturelle Kommunikation – Kommunikation interkulturell (ikud-seminare.de)

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht  geschildert:

Der vermeintliche Stalker

Als meine Mutter aus beruflichen Gründen nach Deutschland kam, wurde ihr von ihrem Arbeitgeber ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. In der Annahme, dass in Deutschland dieselben Verkehrsregeln wie in Italien gelten, verhielt sie sich dementsprechend und parkte, wo immer sie einen geeigneten Platz fand – sei es im Halteverbot oder nicht. Sie war der festen Überzeugung, für ihre Vergehen nicht bestraft zu werden, wurde jedoch überrascht, als sich eine Vielzahl von Strafzetteln ansammelte.

Bei genauerem Betrachten bemerkte sie, dass alle Strafzettel mit der Abkürzung POM unterzeichnet worden waren. Da die Strafzettel an verschiedenen Orten ausgestellt wurden, wuchs in ihr der Verdacht, dass der Polizist namens POM es auf sie abgesehen hätte und sie verfolgen würde, um all ihre Ordnungswidrigkeiten zu sanktionieren. In großer Sorge wandte sie sich an meinen Vater, ihren ehemaligen Arbeitskollegen, und schilderte ihm ihre Vermutungen. Nachdem mein Vater die Geschichte gehört hatte, erklärte er meiner Mutter, dass POM die Abkürzung für Polizeiobermeister sei und die Namen direkt darunter stünden. Alle Strafzettel waren von unterschiedlichen Personen unterschrieben worden.

 

Spanisches Cabaret

Da mein damaliger Freund ein Auslandssemester in Spanien verbrachte, besuchte ich ihn für zwei Wochen in Zaragoza. Den ersten Abend wollten wir die dort bekannte Tapas-Meile besuchen und in jedem kleinen Restaurant die Spezialität des Hauses probieren. So zogen wir von Bar zu Restaurant und wurden irgendwann von einem Spanier angesprochen, in seiner Bar ebenfalls einen ganz besonders leckeren Wein zu probieren. Zusätzlich gebe es dort sogar ein Cabaret. Da ich kaum Spanisch spreche, erkundigte sich mein Freund, ob dieses Schauspiel so ausgelegt sei, dass auch ich etwas verstehen könne. Er versicherte uns, dass das absolut gar kein Problem sein werde und führte uns in seine Bar. Vom Einrichtungsstil hob sie sich von den anderen Bars und Restaurants ziemlich ab – alles war etwas nobler ausgestattet, ein bunt gemischtes und sympathisch aussehendes Publikum – kurzum: Wir fühlten uns wohl und freuten uns sehr auf das folgende Theaterstück. Als es ca. zehn Minuten später begann, bekamen wir einen riesigen Schock – es war kein Theaterstück, wie wir dachten, sondern vielmehr eine Strip- und Sexshow. Über mein spanisches Sprachverständnis brauchte ich mir also wirklich gar keine Sorgen zu machen und ab dem Zeitpunkt wussten wir, dass Cabaret definitiv nicht mit Theaterstück zu übersetzen ist.

27. November 2017

Kommunikation (interkulturelle)

Interkulturelle Kommunikation bezeichnet eine „interpersonale Interaktion mit Hilfe von sprachlichen Codes zwischen Angehörigen von verschiedenen Gruppen oder Kulturen“ und setzt sich aus dem Ausdruck Interkulturalität, einem […]