Spracherwerb – oder Sprachentwicklung – bezeichnet den Prozess, eine neue Sprache zu lernen. Dabei werden u. a. die spracheigenen Regeln in den Bereichen Aussprache, Grammatik und Wortschatz erarbeitet (vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016, 639).

Muttersprachlicher Spracherwerb/ Erstspracherwerb

Um eine Sprache ‚richtig‘ sprechen zu können, müssen ihre Regeln nicht benannt werden können. Es reicht, wenn sie angewendet werden kann. Das tun Sprecher*innen i. d. R. automatisch, wenn sie in ihrer Muttersprache – auch Erstsprache genannt – sprechen.

Lernt ein Kleinkind sprechen, beginnt es damit, sich die Sprachen in seinem Umfeld anzueignen. Dies wird als ungesteuerter Spracherwerb bezeichnet. Dem Kind werden die spracheigenen Regeln nicht ausdrücklich erklärt, sondern es bildet sie sich selbst (vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016, 639 f.).

Dazu bildet ein Kind ein „mentales Schema“ (Bickes/ Pauli 2009, 34): Es überträgt bereits bekannte Regeln auf andere Wörter. Ein Beispiel hierfür ist das Präteritum, welches auch einfache Vergangenheitsform genannt wird. Ein Verb im Präteritum kann entweder schwach z. B. sagen – ich sagte oder stark z. B. singen – ich sang gebildet werden. Kinder erwerben zuerst das Schema, um schwache Formen wie ich sagte zu bilden. Dieses Schema wird auf andere Verben übertragen. So entstehen übergeneralisierte Äußerungen wie singen – ich singte, die selbst bei einer Korrektur weiterverwendet werden. Daran wird deutlich, wie fest das mentale Schema im Kind verankert ist. Haben sie das Präteritum bei starken Verben verstanden, benutzen sie die grammatikalisch richtige Form (vgl. Bickes/ Pauli 2009, 34).

Doppelter Erstspracherwerb

Ein Mensch kann nicht nur eine, sondern auch mehrere Muttersprachen besitzen. Lernt ein Kind mit bis zu drei Jahren zwei oder mehr Umgebungssprachen gleichzeitig, wird von einem doppelten Erstspracherwerb gesprochen (vgl. Bickes/ Pauli 2009, 92).

Zweitspracherwerb

Wenn ein dreijähriges oder älteres Kind eine neue Sprache lernt, lassen sich zwei Arten des Spracherwerbs unterscheiden. Das Kind kann die neue Sprache so lernen wie die Erstsprache/n.

In diesem Fall läuft der Erwerb ungesteuert ab. Die gelernte Sprache wird hier täglich im Alltag verwendet, da sie z. B. die Landessprache ist. Sie wird nicht in einem Kurs, sondern z. B. in Gesprächen unter Freund*innen, Schulkamerad*innen oder Kolleg*innen erworben. Diesen Prozess nennt man Zweitspracherwerb. (vgl. Bickes/ Pauli 2009, 92 f.).

Fremdspracherwerb

Alternativ kann es auch sein, dass den Sprecher*innen die Regeln einer Sprache bekannt sind. Dazu kommt es beispielsweise, wenn diese Sprache in der Schule oder in Kursen gelernt wird. Hierbei wird vom gesteuerten Erwerb einer Fremdsprache gesprochen (vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016, 639).

Beim Lernen einer Fremdsprache ist auffällig, dass sie normalerweise nicht in alltäglichen Gesprächen gelernt wird. Stattdessen werden die Unterhaltungen durch Aufgabenstellungen eingeleitet. Der Unterricht findet i. d. R. in der Muttersprache der Schüler*innen statt, nicht in der Fremdsprache (vgl. Bickes/ Pauli 2009, 92 f.).

Immersiver Spracherwerb

Nicht jeder Fremdsprachenunterricht folgt dem gleichen Muster. Der immersive Unterricht wird auch mit dem Begriff „Sprachbad“ (Stebler 2010, 21) betitelt. Hinter diesem Ausdruck verbirgt sich eine Form des Fremdsprachenunterrichts, bei der der Fokus nicht auf der Vermittlung von spracheigenen Regeln liegt. Stattdessen werden den Schüler*innen u. a. die Inhalte anderer Fächer vermittelt. Der Unterricht findet in der zu lernenden Fremdsprache statt.

Es werden hohe Erwartungen an den immersiven Unterricht gestellt. Er soll den Schüler*innen helfen, ihre Fremdsprache zu verbessern, gleichzeitig aber auch Aspekte wie z. B. interkulturelle Erziehung und Annäherung begünstigen (vgl. Stebler 2010, 21 f.).

 

Literatur

Andresen, Helga (2016): Spracherwerb. In: Glück, Helmut/ Rödel, Michael (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 5. Aufl. Stuttgart: J. B. Metzler, 639 f..

Bickes, Hans/ Pauli, Ute (2009): Erst- und Zweitspracherwerb. Paderborn: Fink.

Stebler, Rita (2010): Kontext und Forschungsstand. In: Stebler, Rita/ Maag Merki, Katharina (Hrsg.): Zweisprachig lernen. Prozesse und Wirkungen eines immersiven Ausbildungsganges an Gymnasien. Münster: Waxmann, 13–23.

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3. März 2020

Spracherwerb

Spracherwerb – oder Sprachentwicklung – bezeichnet den Prozess, eine neue Sprache zu lernen. Dabei werden u. a. die spracheigenen Regeln in den Bereichen Aussprache, Grammatik und […]