Cultural Assimilation

Der Begriff Assimilation (Verb assimilieren) beschreibt einen Angleichungsprozess, welchen eine Person durchläuft, um sich einer fremden Umgebung anzupassen (vgl. Duden). Die Person gibt also einen Teil ihrer Identität auf und passt sich so an. Cultural Assimilation beschreibt einen Prozess, bei dem eine Person ihren kulturellen Hintergrund weitgehend aufgibt, um die kulturellen Traditionen und Werte der neuen gesellschaftlichen Umgebung zu verinnerlichen (vgl. IKuD). Hierbei ist das Ziel, am Ende des Prozesses keine kulturellen Unterschiede mehr zwischen der Person und der Gesellschaft, an welche es sich anzupassen gilt, festzustellen sind.

Theoretische Wurzeln

Die wichtigste, bis heute anerkannte Theorie der Assimilation wurde 1964 von Milton M. Gordon aufgestellt. Dieser entwickelte seine Theorie zwar anhand des amerikanischen Beispiels, bearbeitete sie aber so, dass sie auch auf andere Fälle anzuwenden ist. Dabei unterteilt er den Prozess in sieben Stadien:

1. Kulturelle Assimilation 

Das Stadium der Kulturellen Assimilation ist eine Phase im Prozess der Assimilation von Einwanderern in eine neue Kultur. Gordon definiert kulturelle Assimilation als einen Prozess, bei dem Einwanderer die kulturellen Identitäten und Traditionen ihrer Herkunftskultur weitgehend aufgeben und stattdessen die Kultur der Aufnahmegesellschaft übernehmen. Diese Phase tritt in der Regel nach einer längeren Zeit der Anpassung auf. Hierbei haben Einwanderer bereits beträchtliche Fortschritte gemacht, um die Sprache, die Bräuche und die Werte der Aufnahmegesellschaft zu erlernen und zu übernehmen.

Während der kulturellen Assimilation geben die Einwanderer ihre Herkunftssprache weitgehend auf und verwenden stattdessen die Sprache der Aufnahmegesellschaft als Hauptkommunikationsmittel. Sie nehmen auch die kulturellen und sozialen Normen der Aufnahmegesellschaft an und passen ihr Verhalten und ihre Kleidung entsprechend an. Einwanderer nehmen häufig die Religion und die Traditionen der Aufnahmekultur an und engagieren sich in den lokalen Institutionen und Organisationen.

Einwanderer können dabei ein Gefühl der Zugehörigkeit zur Aufnahmegesellschaft entwickeln und als Mitglieder dieser Gesellschaft akzeptiert werden. Ihre Identität wird stark von der Kultur der Aufnahmegesellschaft geprägt, und sie können als vollständig assimiliert angesehen werden.

Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass der Grad der kulturellen Assimilation von Einwanderern stark variieren kann. Einige Einwanderer können sich vollständig in die Aufnahmegesellschaft integrieren, während andere weiterhin Elemente ihrer Herkunftskultur bewahren und eine hybride Identität entwickeln. Der Prozess der kulturellen Assimilation kann auch von Faktoren wie dem sozioökonomischen Status, der Bildung und den individuellen Erfahrungen der Einwanderer beeinflusst werden.

2. Strukturelle Assimilation 

Die strukturelle Assimilation ist ein Konzept, bei dem Einwanderer in die Gesellschaft eines neuen Landes integriert werden, indem sie sich an die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen anpassen.

Nach Gordon durchläuft ein Einwanderer vier Stadien der strukturellen Assimilation. Das erste Stadium ist das des kulturellen Pluralismus, in dem die Einwanderer ihre eigene Kultur und Traditionen in einem neuen Land bewahren können. In dieser Phase gibt es wenig bis keine Interaktion mit der Mehrheitsbevölkerung. Das zweite Stadium ist das der strukturellen Segregation, in dem Einwanderer in ethnischen Enklaven leben und arbeiten. Sie können in dieser Phase noch immer ihre eigene Sprache sprechen und ihre kulturellen Praktiken pflegen, sind aber ökonomisch und sozial von der Mehrheitsgesellschaft getrennt. Im dritten Stadium der strukturellen Assimilation, der Integration, beginnen Einwanderer, sich in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Sie lernen die Sprache des Gastlandes, erwerben Bildung und Arbeit und nehmen an politischen und sozialen Institutionen teil. In dieser Phase reduziert sich die kulturelle Isolierung und es entstehen vermehrt Beziehungen zur Mehrheitsbevölkerung. Das vierte und letzte Stadium ist das der Assimilation. Hier haben Einwanderer vollständig die kulturellen und sozialen Merkmale der Mehrheitsgesellschaft angenommen. Sie sind in hohem Maße in die Institutionen und Strukturen des Gastlandes integriert und haben oft die gleichen Rechte und Pflichten wie ihre einheimischen Mitbürger.

3. Eheliche Assimilation 

Das Stadium der ehelichen Assimilation bezieht sich auf die Phase, in der Personen verschiedener ethnischer oder kultureller Gruppen Ehen eingehen und in den größeren kulturellen Kontext der Gesellschaft integriert werden. Dabei heiraten Personen unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Hintergründe und beginnen, eine gemeinsame Lebensweise zu führen. Dies kann dazu führen, dass die individuellen kulturellen Traditionen und Praktiken zugunsten einer neuen Mischkultur aufgegeben werden.

Die eheliche Assimilation wird oft als Indikator für die kulturelle Integration einer ethnischen Gruppe in eine größere Gesellschaft betrachtet. Wenn eine signifikante Anzahl von Ehen zwischen Personen verschiedener ethnischer Gruppen stattfindet, zeigt dies, dass die Grenzen zwischen den Gruppen zu verschwimmen beginnen und eine interkulturelle Vermischung stattfindet. Gordon merkt jedoch an, dass das Stadium der ehelichen Assimilation nicht immer zu einer vollständigen kulturellen Integration führen muss. Es kann auch zu einem Stadium der kulturellen Pluralität oder Segregation führen, in dem Personen ihre eigenständigen kulturellen Traditionen beibehalten, während sie interkulturelle Beziehungen eingehen.

4. Identifikationskarte Assimilation 

Die Identifikationskarte Assimilation beschreibt einen Prozess, der auftritt, wenn eine Minderheitengruppe in eine dominante Kultur integriert wird. Diese besteht aus fünf Stufen, die den Grad der sozialen Integration und Akzeptanz der Minderheit in der dominanten Kultur repräsentieren.

5. Assimilation durch Übernahme von Einstellungen

Die Übernahme von Einstellungen umfasst laut Gordon mehrere Aspekte. Zum einen geht es um die Übernahme von Sprache und Kommunikationsstilen, die dafür sorgen, dass sich die Migranten besser in die neue Gesellschaft integrieren können. Zum anderen betrifft es auch die Übernahme von politischen Überzeugungen, religiösen Praktiken und anderen sozialen Normen und Werten.

Gordon argumentiert, dass die Übernahme von Einstellungen ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Assimilation ist. Indem Migranten die Einstellungen und Wertvorstellungen der neuen Gesellschaft übernehmen, können sie sich besser in diese integrieren und sich mit den Mitgliedern der Gesellschaft identifizieren. Dies kann dazu beitragen, dass sie bessere soziale Netzwerke aufbauen, Zugang zu Bildung und Arbeitsmöglichkeiten haben und insgesamt ihre Chancen auf ein erfolgreiches Leben erhöhen.

6. Assimilation durch Übernahme von Verhaltensweisen

Die Assimilation durch Übernahme von Verhaltensweisen findet statt, wenn Einwanderer oder Mitglieder einer ethnischen Minderheit bewusst oder unbewusst Veränderungen in ihrem Verhalten vornehmen, um sich an die dominante Kultur anzupassen. Dies kann Sprache, Kleidung, Essgewohnheiten, religiöse Praktiken und soziale Interaktionen umfassen. Die Annahme dieser Verhaltensweisen kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. Ein Grund könnte der Wunsch sein, sich zu integrieren und die Vorteile der Gesellschaft zu genießen, in die sie eingewandert sind. Menschen könnten auch Verhaltensweisen übernehmen, um Diskriminierung oder Vorurteilen zu entgehen und eine bessere soziale Akzeptanz zu erreichen.

Diese Assimilation kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Einerseits kann sie zu einer besseren Integration und zu einem Gefühl der Zugehörigkeit führen. Andererseits kann sie auch zu einer Entfremdung von der eigenen Kultur, Identitätsverlust und zur Wahrung von Vorurteilen führen.

7. Assimilation als Vollbürger

Die Assimilation als Vollbürger im Wesentlichen aus vier Schritten. Der erste Schritt ist die Akkulturation, bei der Zuwanderer die Sprache, Kultur und Werte des Aufnahmelandes erlernen und annehmen. Sie passen sich der Mehrheitsgesellschaft an und übernehmen deren Verhaltensweisen, Traditionen und Sitten. Der zweite Schritt ist die Strukturassimilation, bei der Zuwanderer soziale Beziehungen und Institutionen der Gastgesellschaft aufbauen. Sie heiraten Partnerinnen oder Partner aus der Gastgesellschaft, gründen Familien, ziehen in deren Viertel und nehmen Teil an ihren sozialen Aktivitäten. Der dritte Schritt ist die interkulturelle Assimilation, bei der ethnozentrische Haltungen abgebaut werden. Zuwanderer nehmen an interkulturellem Austausch teil, sind tolerant gegenüber anderen Kulturen und haben ein Verständnis für die Vorteile kultureller Vielfalt. Der vierte und letzte Schritt ist die Identifikationsassimilation, bei der Zuwanderer sich als vollwertige Mitglieder der Gastgesellschaft fühlen und ihre eigene ethnische oder kulturelle Identität nicht mehr als wesentlich erachten. Sie betrachten sich als Bürgerinnen und Bürger des Aufnahmelandes und identifizieren sich mit dessen Werten, Bräuchen und Normen.

Diese Theorie wird jedoch immer weiter ausdifferenziert und von verschiedenen Wissenschaftlern weiter erforscht. Weitere bedeutende Vertreter sind James H. Sidanius und Milton Yinger (vgl. Wikipedia).

Der Begriff kommt aus der Einwanderungspolitik, in der er meist den Prozess der Angleichung einer kulturellen Minderheit an eine Mehrheit beschreibt. Dieser Prozess kann sowohl graduell als auch sehr schnell verlaufen – je nachdem, wie die Umstände der Gruppe sind. 

Dabei wird oft angemerkt, dass es wichtig sei, dass die sich anzugleichende Gruppe möglichst klein ist, um die Bildung einer Mosaikgesellschaft zu vermeiden.

Cultural Assimilation in der Praxis

Von 1800 bis 1900 war es ein explizites Ziel der kanadischen Regierung, die Ureinwohner zwanghaft zu assimilieren, um deren Kultur auszulöschen. Seitdem hat sich der Fokus allerdings gewandelt und liegt heutzutage – wie in vielen anderen modernen Ländern auch – auf der Integration von Kulturen. Dabei werden die kulturellen Wurzeln einer Minderheit, anders als bei der kulturellen Assimilation, bewahrt und respektiert (vgl. CAID 2018).

 

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Literatur

Christian Aboriginal Infrastructure Developments (2018): http://caid.ca/Dassimilation_policy.html.

Chegg, Study: https://www.chegg.com/homework-help/definitions/assimilation-49.

Duden: Assimilation: https://www.duden.de/rechtschreibung/Assimilation.

Inter- Kultur und Didaktik, IKuD: Assimilation: https://www.ikud.de/glossar/kulturelle-assimilation.html.

ScienceDirect, Cultural Assimilation: https://www.sciencedirect.com/topics/neuroscience/cultural-assimilation.

YouTube; TEDx Talks: The Role of Cultural Assimilation | Supreet Thiara & Gurleen Kaur | TEDxMoreauCatholicHS: https://www.youtube.com/watch?v=lHj4ilB62xQ&feature=youtu.be.

Wikipedia: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Cultural_assimilation, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Assimilation_(Soziologie).

Kulturelle Assimilation – cultural assimilation – Definition (ikud.de)

 

Transkript zum Erklärfilm

Der Begriff Assimilation beschreibt einen Prozess, bei dem sich eine Person einer fremden Umgebung anpasst. Cultural Assimilation liegt vor, wenn eine Person ihren kulturellen Hintergrund weitgehend aufgibt und die Traditionen und Werte der neuen gesellschaftlichen Umgebung übernimmt. Hierbei ist das Ziel, dass keine kulturellen Unterschiede mehr zwischen der Person und der sie umgebenden Gesellschaft feststellbar sind. Der Begriff kommt aus der Einwanderungspolitik. Dort beschreibt er die Angleichung einer kulturellen Minderheit an eine Mehrheit.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Ehrenmorde

Da meine Mutter deutsche Christin ist und mein Vater aus Malaysia stammt und nach dem Islam erzogen wurde, bin ich mit beiden Kulturen aufgewachsen. Ich glaube aber an den Islam.

In einem Uniseminar ging es um die Philosophie und Ethik in einer multikulturellen Klasse. Außer einer aus Russland stammenden Studentin kamen alle Studierenden sowie der Dozent aus Deutschland. Niemand von ihnen besaß einen muslimischen Hintergrund. Der Dozent fragte, wie wir auf einen Aufsatz reagieren würden, in dem eine muslimische Schülerin in ihrer Analyse des Dramas Emilia Galotti den „Ehrenmord“ des Vaters an seiner Tochter als ‚richtig‘ bewertet hat und daher nicht weiter auf die Problematik eingegangen ist. An ihren Antworten erkannte ich, dass alle Seminarteilnehmenden die Frage so verstanden hatten, wie der Professor sie auch gemeint hatte, und zwar, dass „Ehrenmorde“ ein Teil der islamischen Religion darstellen würden und Lehrpersonen bei der Benotung bzw. Reaktion auf einen solchen Aufsatz sensibel für kulturelle Unterschiede sein müssen. Ich kann mich nicht mehr im Einzelnen an die Lösungsvorschläge einzelner Kommilitoninnen und Kommilitonen zu der Frage des Professors erinnern, aber nachdem ich einige Zeit überrascht und traurig zugehört hatte, meldete ich mich und sagte: „Ich würde die Schülerin eventuell nach dem Unterricht auf ihren Aufsatz ansprechen und ihr erklären, dass im Islam sogenannte Ehrenmorde verboten und eine schlimme Sünde sind, genau wie Morde an sich.“ Als ich dies ausgesprochen hatte, herrschte zunächst Stille. Ich sah dann, wie sich alle überrascht ansahen, bis der Professor mit einem leicht verlegenen Lachen so etwas sagte wie: „Ja, ok, super, das ist ja jetzt eine ganz neue Betrachtungsweise. Das habe ich so jetzt nicht gewusst.“

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