MythosDer Begriff Mythos stammt vom altgriechischen Wort mýthos „Fabel, Wort, Rede, Sage, Erzählung“ und hat eine stark symbolische Bedeutung (vgl. Duden 2015, 1113).

Eine für alle Disziplinen befriedigende Definition von Mythos ist kaum zu finden, da der Mythos nicht durch das Objekt seiner Botschaft definiert wird, sondern durch die Art und Weise, wie er diese ausspricht. Es gibt zwar formale Grenzen eines Mythos, aber keine inhaltlichen. Der ursprüngliche Mythos, durch mündliche Erzählungen weitergegeben, verknüpft elementare Erfahrungen der eigenen Existenz, der Gesellschaft und der Natur zu einem fiktiven, emotionalen, symbolischen Weltgefüge (vgl. Brandt 2004, 10 f.).

Der Mythos ist ein System der Kommunikation, eine Botschaft. Daraus resultiert, dass der Mythos kein Objekt, Begriff und keine Idee sein kann. Vielmehr ist er eine Weise des Bedeutens, eine Form (vgl. Barthes 2010, 251). Durch das System der Kommunikation kann alles zu einem Mythos werden, was in einen Diskurs eingeht. Der Mythos bestimmt sich dahin gehend nicht durch seine Botschaft, sondern durch die Art, wie er sich äußert (vgl. Barthes 2010, 251). Zum einen wird der Mythos als fiktiver Text, der die Wahrheit abbildet, zum anderen als eine fiktive und unglaubwürdige Erzählung, die das Wissen und die Geschichten der frühen Menschheit verschlüsselt mitteilt, verstanden (vgl. Barthes 2010, 252). Mythen zeigen Grundlagen der Kultur und sind meist polysem bzw. polyfunktional. Sie erklären und beeinflussen die Welt, indem sie die zentralen Stationen des menschlichen Lebens thematisieren und theologische und politische Aussagen verbreiten. Außer in Beschwörungen, Erzählungen und Sagen finden sich Mythen noch in Riten und Festen. In wissenschaftlichen Diskursen wird die alltagssprachliche Verwendung des Mythosbegriffs jedoch vermieden (vgl. Waechter 2010).

Der moderne Mythos

In der Moderne kann alles zu einem Mythos werden. Im Metzler Lexikon moderner Mythen werden in der Moderne generierte Mythen benannt und charakterisiert. Das Mythische wird als eine subjektive Wahrnehmung individueller Bedeutung im Sinne des kulturellen Gedächtnisses verstanden, z. B.:

  • historische Personen (z. B. Willy Brandt, Marilyn Monroe)
  • fiktionale Figuren (z. B. Asterix, Don Quichote)
  • Ereignisse (z. B. 68er-Bewegung, Untergang der Titanic)
  • Orte (z. B. Alpen, Dresden)
  • Ideen/ Konzepte (z. B. Freiheit, ewige Jugend)
  • Institutionen (z. B. Geheimdienste, Mafia)

Ein Beispiel für den modernen Mythos ist z. B. Pippi Langstrumpf. Diese Figur steht für das ewige Kind und besitzt die Funktion eines Hoffnungsträgers. Mit Pippi wird der Mythos vom Paradies in Verbindung gebracht, da Pippi Langstrumpf in einem paradiesartigen Zustand lebt, frei von Zwängen und bestimmt von Freundschaft, Lust, Glück und Fantasie (vgl. Wodianka, Ebert 2014, 296–297).

Zitate

„Mythen sind Geschichten, welche Menschen aller Zeiten und Kulturen sich angesichts scheinbar unerklärlicher und dabei zugleich ebenso erschreckender wie verführerischer Phänomene erzählen: [das] mythische Narrativ bannt die beängstigende Fremdheit seines Gegenstandes, bewahrt aber zumeist die faszinierende Ambivalenz, die dem Unerklärlichen anhaftet.“ (Münker und Roesler 1997, 8)

„Der Mythos verbirgt nichts und stellt nichts zur Schau. Er deformiert. Der Mythos ist weder eine Lüge noch ein Geständnis. Er ist eine Abwandlung.“ (Roland Barthes, 1957)

„Die Mythosforschung ist zum Berührungspunkt mannigfaltiger Zweige der Gelehrsamkeit geworden: […] Historiker und Soziolog, Literaturwissenschaftler und Grammatiker, Germanist und Romanist, Keltenforscher und Slawist, sie alle reden darüber, je unter sich. Auch vor Logikern und Psychologen, vor Metaphysikern und Epistemologen ist die Mythologie nicht sicher – um von den Gästen ganz zu schweigen, den Theosophen, den heutigen Astrologen oder den Szientisten.“  (Malinowski, 1926)

 

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Literatur

Barthes, Roland (2010): Mythen des Alltags. Berlin: Suhrkamp.

Brandt, Reinhard (2014): Mythos und Mythologie. In: Brandt, Schmidt (Hrsg.): Mythos und Mythologie. Berlin: Akademie.

Duden (2015): Deutsches Universalwörterbuch. 8. Aufl. Berlin: Duden.

Malinowski, Bronislaw (1926): Die Rolle des Mythos im Leben. In: ders. (Hrsg.): Schriften zur Anthropologie. Frankfurt am Main.

Münker, Stefan/ Roesler, Alexander (1997): Vorwort. In: Münker, Stefan/ Roesler, Alexander (Hrsg.): Mythos Internet. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Waechter, Matthias (2010): Mythos. In: Docupedia-Zeitgeschichte, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. https://zeitgeschichte-digital.de/doks/frontdoor/deliver/index/docId/581/file/docupedia_waechter_mythos_v1_de_2010.pdf [09.05.19].

Wodianka, Stephanie/ Ebert, Juliane (2014): Metzler Lexikon moderner Mythen: Figuren, Konzepte, Ereignisse. Stuttgart: J. B. Metzler.

Mythos – Staatslexikon (staatslexikon-online.de)

 

24. Juni 2019

Mythos

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