Tribalismus zählt zum Fachgebiet der Ethnosoziologie. Das Wort leitet sich vom lateinischen Wort tribus „Stammestum“ oder vom englischen Wort tribalism „Stammesbewusstsein“ bzw. tribe „Stamm“ ab.
Es beschreibt das Gefühl, sich einem Stamm zugehörig zu fühlen und sich in Bezug auf Gesellschaft, Kultur und Politik an den Interessen des eigenen Stammes zu orientieren (vgl. Duden 2017, 1118). Als Ursache für Tribalismus gilt die willkürliche Grenzziehung europäischer Kolonialmächte, bei der auf ethnische und historische Hintergründe keine Rücksicht genommen wurde (vgl. Lentz 1995, 118 f.). Mit Tribalismus wird ebenfalls die stammesabhängige Politik in mehreren afrikanischen Staaten bezeichnet. Die vielen einzelnen Stämme und die damit verbundenen Interessen erschweren die Staatenbildung, zudem gibt es häufig ethnische Konflikte (vgl. Brockhaus 2010, 7811). Grund dafür sind konkurrierende Stammesinteressen (vgl. Matthies 1971, 35). Bekannte Theoretiker des Tribalismus sind John Lonsdale und Carola Lentz.
Worte wie Tribalismus und Stamm sind durch ihre Verwendung negativ konnotiert. Deswegen wird heutzutage von Ethnizität bzw. ethnischer Gruppe (vgl. Mader 2000, 4; vgl. Nnoli 1982, 103) gesprochen. Tribalismus wird z. T. nur noch verwendet, um eine extreme Form von Ethnizität auszudrücken (vgl. Mader 2000, 5).
Der Philosoph Daniel Quinn hat den ‚Neuen Tribalismus‘ begründet. Er bezeichnet damit eine tolerante, egalitäre und kooperative kleine Gruppe von Menschen, die sich durch ihre geringe Größe vom Kommunismus unterscheidet. Dies sei seit Jahrtausenden eine bewährte Gesellschaftsform und die beste, die der Mensch erreichen kann (vgl. Quinn 1999, 29).
Heute wird das Stammesgefühl außerdem für das Marketing von Unternehmen genutzt, die ein ‚Wir- Gefühl‘ und in der Folge eine stärkere Verbundenheit zur Marke erzeugen wollen (vgl. Wissert 2014, 87).
Literatur
Brockhaus (2010): Das Taschenlexikon in 24 Bänden. Gütersloh/ München: Brockhaus in der wissenmedia.
Duden (2017): Die deutsche Rechtschreibung. 27. Aufl. Berlin: Bibliographisches Institut.
Lentz, Carola (1995): ‚Tribalismus‘ und Ethnizität in Afrika – ein Forschungsüberblick. In: Leviathan. Bd. 23. H. 1. Baden-Baden: Nomos, 115–145.
Lonsdale, John (1993): Staatsgewalt und moralische Ordnung. Die Erfindung der Tribalismus in Afrika. In: Der Überblick. Bd. 3, 5–10.
Mader, Thomas (2000): Ethnizität und Tribalismus in Afrika südlich der Sahara in ihrer sozialen und räumlichen Problematik. München: Grin.
Matthies, Volker (1971): Schwarzafrika. Politische Konflikte und Entwicklungsstrategien. Opladen: Leske.
Nnoli, Okwudiba (1982): Tribalismus oder Ethnizität: Ideologie gegen Wissenschaft. In: Jestel, Rüdiger (Hrsg.): Das Afrika der Afrikaner. Gesellschaft und Kultur Afrikas. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 99–128.
Quinn, Daniel (1999): Beyond Civilization. Humanity’s Next Great Adventure. New York City: Broadway Books.
Wissert, Stefan (2014): (Semi-) Ethnomarketing: Marketing für Menschen mit einseitigem Migrationshintergrund. Hamburg: Diplomica.