In geschlechterreflektiertem Verhalten und Kommunizieren liegt oft die Problematik, dass auf der einen Seite die gesellschaftlich konstruierte Kategorie des Geschlechts aufgelöst werden soll, um die Individualität von Menschen zu unterstützen. Auf der anderen Seite muss jedoch das Geschlecht häufig erst thematisiert werden, um soziale Unterschiede zu verdeutlichen. Um mit dieser Ambivalenz richtig umzugehen, muss eine Ausgewogenheit zwischen Dramatisierung und Entdramatisierung von Geschlecht entstehen.
Dramatisierung
Bei der Dramatisierung werden explizit Genderaspekte hervorgehoben. Problematisch ist hierbei, dass Geschlechtergruppen dichotomisiert werden und Differenzen innerhalb der Geschlechtergruppen untergehen, was eine Manifestierung von Geschlechterstereotypen zur Folge haben kann. Wenn eine Geschlechterrolle zunächst konstruiert bzw. visualisiert wird, um sie daraufhin wieder zu dekonstruieren, besteht die Gefahr einer stärkeren Einprägung der traditionellen Geschlechterrolle. Dementsprechend ist ein differenzierter und genauer Umgang mit dem jeweiligen Genderbezug notwendig. Sinnvoll ist eine Dramatisierung, wenn das Gegenüber angeregt werden soll, über Geschlechterverhältnisse nachzudenken. Vor allem in Situationen, in denen es zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung oder zur Verhinderung der Entwicklung individueller Vielfalt kommt, ist eine Dramatisierung von Geschlecht angemessen.
Entdramatisierung
Geschlechtsbezogene Zuschreibungen oder Besonderheiten werden vermieden, allerdings ohne zu neutralisieren. Die Entdramatisierung dient der Bewusstmachung weiterer Kategorien, die Menschen auf individueller oder gesellschaftlicher Ebene voneinander unterscheiden und die nicht mit dem konstruierten Geschlecht in Verbindung stehen. Sinnvoll zu verwenden ist die Entdramatisierung als Folge oder Reaktion auf eine geschlechterdramatisierende Situation, um diese zu relativieren. Dies kann beispielsweise Anwendung finden, wenn das Gegenüber regelmäßig Geschlechterunterschiede hervorhebt, indem Frauen oder Männern bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten zugeschrieben werden.
Literatur
Debus, Katharina (2012): Dramatisierung, Entdramatisierung und Nicht-Dramatisierung in der geschlechterreflektierten Bildung. In: Debus, Katharina/ Könnecke, Bernard/ Schwerma, Klaus/ Stuve, Olaf (Hrsg.): Geschlechterreflektierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zu Pädagogik und Fortbildung rund um Jungenarbeit, Geschlecht und Bildung. Berlin: Dissens e. V., 149–158.
Frohn, Judith/ Süßenbach, Jessica (2012): Geschlechtersensibler Schulsport. Den unterschiedlichen Bedürfnissen von Mädchen und Jungen im Sport mit Genderkompetenz begegnen. In: Sportpädagogik. Zeitschrift für Sport, Spiel und Bewegungserziehung 6/2012, 2–7.