Mehrsprachigkeit – oder Multilingualität – bezeichnet die Fähigkeit, mehrere (diverse) Sprachen zu sprechen oder zu verstehen (Duden 2018). „Diese verschiedenen Sprachen schließen nicht nur offizielle Sprachen mit ein, sondern auch Regional-, Minderheiten- und Gebärdensprachen und sogar Sprachvarietäten wie Dialekte“ (Riehl 2014, 9).
Der (Ober-)Begriff der Mehrsprachigkeit assoziiert gleichzeitig diverse Formen des Spracherwerbs in der Ontogenese eines Menschen sowie den Gebrauch im Alltag, im Arbeitsleben und den Institutionen (vgl. ebd., 9). So kommt es im deutschsprachigen Raum häufig zur synonymen Verwendung der Begriffe Mehrsprachigkeit und Bilingualität sowie polyglott. Dies weist auf die Fluidität und nicht klar determinierte Begriffsbestimmung hin (vgl. Petersen 2014, 19). Vielmehr zeichnet sich der Begriff der Multilingualität durch seine definitorische Unschärfe aus, da er „unendlich viele Niveaustufen kommunikativer Kompetenz“ umfasst (Hernig 2005, 163).
Insgesamt wird Multilingualität an vier Definitionskriterien ausgemacht:
Hier wird auf den simultanen sowie sukzessiven Erwerb Bezug genommen und dahin gehend differenziert. Die Lebensphasen (z. B. Kindheit oder Erwachsenenalter) spielen dabei eine entscheidende Rolle (vgl. Lüdi/ Py 2017, 7; Riehl 2014, 11 f.).
Bei diesem Definitionskriterium wird zwischen individueller, gesellschaftlicher und institutioneller Mehrsprachigkeit unterschieden (vgl. Riehl 2014, 12).
Die Definition der Mehrsprachigkeit von Oksaar (Oksaar 1980, 43) wird häufig verwendet und als das Kompetenzniveau beschrieben: „Mehrsprachigkeit definiere ich funktional. Sie setzt voraus, da[ss] der Mehrsprachige in den meisten Situationen ohne weiteres von der einen Sprache zur andern umschalten kann, wenn es nötig ist. Das Verhältnis der Sprachen kann dabei durchaus verschieden sein – in der einen kann, je nach der Struktur des kommunikativen Aktes, u. a. Situationen und Themen, ein wenig eloquenter Kode, in der andern ein mehr eloquenter Kode verwendet werden“ (Lüdi/ Py 2017, 8).
Hiermit ist der Status der involvierten Sprachen gemeint. Die Mehrsprachigkeit ist entweder ausgehend durch zwei (oder mehr) voll ausgebauten Kultursprachen von internationalem Prestige geprägt, z. B. Deutsch-Russisch oder durch eine Sprache mit einem regionalen, kommunikativen Radius, wie dies bei einem Dialekt der Fall ist (vgl. Lüdi/ Py 2017, 6; Riehl 2014, 16 f.).
Mehrsprachigkeit wird häufig als etwas Einzigartiges deklariert, während der monolinguale Habitus institutionell verankert scheint. Doch in Zeiten einer globalisierenden Gesellschaft ist der Monolinguismus eher als ‚Rarität‘ zu betrachten (vgl. Boschung/ Dietrich 2011, III; Riehl 2014, 9 f.). Natarajan spricht sogar von einer Erfindung der Einsprachigen: „Es zeigt sich in der Konsequenz bis heute, dass Mehr- und Vielsprachigkeit zwar im Kontext von Vielfalt und Diversität betont werden, aber im Rahmen des vorherrschenden Denkens gesteht man dennoch jeder Person nur eine Sprache, die zu. Damit wird das Individuum nicht als unterschiedlich kompetent in mehreren Sprachen wahrgenommen. Der mehrsprachigen Person fehlt es somit an Identifikation-, Benennungs- und Beschreibungsmöglichkeiten.“ (Ziese/ Gritschke 2016, 261)
Als Ursachen für Mehrsprachigkeit kommen zumeist politische (wie z. B. Migration), wirtschaftliche oder historische Gründe in Frage. Zudem wird zwischen natürlicher oder didaktisch vermittelter Multilingualität unterschieden.
Literatur
Boschung, Dietrich/ Riehl, Claudia M. (Hrsg.) (2011): Historische Mehrsprachigkeit: Workshop des Zentrums für Antike Kulturen des Mittelmeerraumes (ZaKMiRa) und des Zentrums Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit (ZSM) an der Universität Köln im Juli 2008. Aachen: Shaker.
Duden (2018): Mehrsprachigkeit | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition. https://www.duden.de/rechtschreibung/Mehrsprachigkeit [22.06.2018].
Hernig, Marcus (2005): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Wiesbaden: VS.
Lüdi, Georges/ Py, Bernard (2017): Zweisprachig durch Migration: Einführung in die Erforschung der Mehrsprachigkeit am Beispiel zweier Zuwanderergruppen in Neuenburg (Schweiz). Tübingen: Niemeyer.
Oksaar, Eis (1980): Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt und Sprachkonflikt. In: Nelde, Peter Hans (Hrsg.): Sprachkontakt und Sprachkonflikt. Wiesbaden: Franz Steiner.
Petersen, Inger (2014): Schreibfähigkeit und Mehrsprachigkeit. Berlin: De Gruyter.
Riehl, Claudia M. (2014): Mehrsprachigkeit: Eine Einführung. Darmstadt: WBG.
Ziese, Maren/ Gritschke, Caroline (2016): Geflüchtete und kulturelle Bildung. Formate und Konzepte für ein neues Praxisfeld. Bielefeld: Transcript.