Der Begriff Kampf der Kulturen (amerik. The Clash of Civilizations) geht auf einen Artikel des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers und Soziologen Samuel P. Huntington zurück. Im Jahr 1993 erschien der Beitrag mit dem fragenden Titel The Clash of Civilizations? in der Zeitschrift Foreign Affairs. Drei Jahre später wurde das gleichnamige Werk Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert publiziert und löste im Folgenden international kontroverse Debatten aus. Huntington ist der Meinung, dass die Ursache zukünftiger Konflikte nicht mehr ideologischer oder ökonomischer Natur, sondern im Zusammenprall von Zivilisationen zu finden sein werde (vgl. Caglar 1997).
Der Identifikationszusammenhang wird dabei durch Kulturkreise oder Zivilisationen gebildet, die Huntington wie folgt bezeichnet: „definiert sich sowohl durch gemeinsame objektive Elemente wie Sprache, Geschichte, Religion, Sitten, Institutionen als auch durch die subjektive Identifikation der Menschen mit ihr.“ (Huntington 1996, 28) Durch Forschungen von Historikern und Völkerkundlern teilt Huntington die Welt in acht Kulturkreise beziehungsweise Zivilisationen ein (vgl. Huntington 1996, 28). Die identifizierten Kulturkreise sind: der westliche, konfuzianische, japanische, hinduistische, islamische, slawisch-orthodoxe, lateinamerikanische und der afrikanische (vgl. Huntington 1996, 40).
Mit einem Verweis auf die Tatsache, dass kulturelle Differenzen zu den längsten und blutigsten Konflikten in der Geschichte geführt haben (vgl. Metzinger 2000, 18), stellt Huntington seine zentrale These vor: „Nationalstaaten werden zwar die mächtigsten Akteure auf dem Globus bleiben, die grundsätzlichen Konflikte der Weltpolitik aber werden zwischen Nationen und Gruppierungen aus unterschiedlichen Kulturen auftreten. Der Zusammenprall der Zivilisationen, der Kulturen (civilizations), wird die Weltpolitik beherrschen.“ (Huntington 1993, 1)
Das Überleben des Westens in dieser definierten multipolaren und multikulturellen Weltordnung hängt laut Huntington von Amerika ab, das sich seiner westlichen Identität wieder bewusst werden muss. Wesentlich sei auch die Einsicht der Mitglieder der westlichen Zivilisationen, dass ihre Kultur einzigartig, aber nicht universell ist (vgl. Metzinger 2000, 18). Der Westen sei noch einer der stärksten Kulturkreise, aber seine Macht gehe im Vergleich zu anderen Kulturkreisen zurück (vgl. Huntington 1996, 28).
Der Westen habe mit inneren Problemen wie Staatsdefiziten oder niedrigem Wirtschaftswachstum zu kämpfen, daher verlagere sich die wirtschaftliche Macht nach Ostasien (vgl. Huntington 1996, 128). Das Gleichgewicht der Kulturen verändere sich, die indische Wirtschaft sitze in den Startlöchern und die islamische Welt stehe dem Westen feindselig gegenüber (vgl. Huntington 1996, 118).
Huntington unterstreicht seine Thesen, indem er die Modernisierung nicht gleichbedeutend mit der Verwestlichung ansieht (vgl. Huntington 1996, 113). Die Modernisierung nicht-westlicher Staaten widersetze sich der Verwestlichung, indem sie ihre eigenen kulturellen Werte in den Vordergrund stelle (vgl. Metzinger 2000, 17).
Die künftige Weltordnung werde durch verschiedene Entwicklungstrends weltpolitisch geprägt sein, weil sie multipolar und multikulturell geworden sei (vgl. Metzinger 2000, 17). Link widerspricht Huntington, indem er konstatiert, dass Differenzen nicht zwangsläufig zu Kriegen führen müssten. Gleichwohl sei eine große Konfliktträchtigkeit zu erwarten (vgl. Link 2001, 38).
Literatur
Gazi, Caglar (1997): Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. München: Marino.
Huntington, Samuel Philips (1996): Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 5. Aufl. München/ Wien: Europa.
Huntington, Samuel Philips (1993): Im Kampf der Kulturen. https://www.zeit.de/1993/33/im-kampf-der-kulturen [14.06.2018]
Link, Werner (2001): Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. 3. Aufl. München: Beck.
Metzinger, Udo M. (2000): Die Huntington-Debatte. Die Auseinandersetzung mit Huntingtons „Clash of civilzations“ in der Publizistik. Köln: SH.