Der Begriff Säkularisierung ist nicht eindeutig definiert, sondern umstritten. Er stammt vom lateinischen Wort saeculum und bedeutet „Zeitalter“, „Jahrhundert“, aber auch „Welt“ oder „weltlich (gesinnt)“ (DWDS 2019). Eine mögliche Beschreibung ist die der Säkularisierung als Weltanschauung, in der die Vorstellung eines Gottes als lenkende Macht, „von einer Vorstellung abgelöst wurde, in der der Mensch selbst Quelle, Grund und Maßstab von Wissen und Handeln ist“ (Raes 1986, 31). Säkularisierung heißt damit, dass „die Kirchen keine geistliche Autorität mehr bieten, die die gesellschaftlichen Strukturen insgesamt regelt“ (Valadier 1986, 35), sondern „der Mensch […] zum Maß aller Dinge“ (Schrey 1981, 4) wird. Diese Situation liegt heutzutage in Deutschland sowie in den meisten Industriestaaten der Welt vor. „Unsere Kultur basiert auf den modernen Naturwissenschaften und findet darin ihren Ausdruck“ (Raes 1986, 13). 

Anfänge der Säkularisierung

Es darf dabei nicht vergessen werden, dass „unsere heutige Gesellschaft keineswegs im Begriff ist, erst jetzt säkularisiert zu werden“ (Raes 1986, 13). „Seit der Zeit der Renaissance ist es nicht mehr selbstverständlich, daß die weltliche Macht ihre Begründung in der Religion findet“ (Valadier 1986, 37). Schon seit der Entwicklung von Wissenschaften, die dem bloßen Glauben etwas anderes entgegensetzen, entwickelt sich auch die Säkularisierung. „Erklärungsmodelle der Welt auf naturwissenschaftlicher Grundlage […] gibt [es] […] seit dreieinhalb Jahrhunderten“ (Raes 1986, 14). Diese wurden immer weiter ausgeführt und vertieft und seit dem „19. Jahrhundert schließlich ist […] die gesamte sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit, der Mensch selbst eingeschlossen, Gegenstand naturwissenschaftlicher Analyse“ (Raes 1986, 14).

Schließlich erlangt die Wissenschaft einen so hohen Stellenwert, dass „[a]lles, was nicht wissenschaftlich beweisbar ist, […] systematisch verworfen und eliminiert“ (Raes 1986, 17 f.) wird. Die Säkularisierung kann z. B. als „das Ergebnis der Beziehung des Menschen zum Menschen und zur Natur“ (Valadier 1986, 36) gesehen werden. Hierfür ist keine Religion notwendig, sondern „[d]ie Anthropologie tritt an die Stelle der Theologie“ (Schrey 1981, 4). 

Im Laufe der Zeit stieß die Säkularisierung aber auch immer wieder auf Gegenwehr und ist von vielen historischen Ereignissen geprägt worden (vgl. Schrey 1981, 2). Beispielsweise haben sich einige Menschen durch den Verlust einer vermeintlich absoluten Sicherheit der ‚Glaubenswahrheit‘ bedroht gefühlt (vgl. Schrey 1981, 1 f.). Außerdem hat sich auch die Säkularisierung an sich verändert, z. B. beschreibt Schrey: „Säkularisation als Weltlichwerden christlicher Konzepte schlägt um in Säkularismus als Abwendung vom christlichen Ursprung.“ (Schrey 1981, 5)

Werte und Normen heute

Die Säkularisierung einer Gesellschaft bedeutet aber nicht, dass diese frei von Werten und Normen sei. Auch in nicht-religiösem Kontext gilt, „was in der Gesellschaft als Wert anerkannt, empfohlen, geachtet und […] zum Entscheidungs- und Orientierungsmaßstab für soziales Handeln wird“ (Raes 1986, 27). Es gibt also auch dort, wo sich die Säkularisierung durchgesetzt hat, gesellschaftliche Regeln. Die Säkularisierung hat bewirkt, dass „denjenigen sozialen Werten eindeutig Vorrang“ (Raes 1986, 28) vor religiösen Werten zugestanden wird. Diese gesellschaftlichen Werte sind nicht von einer höheren Macht gegeben, sondern gewissermaßen eine „Übereinkunft der Bürger“ (Valadier 1986, 36). Das führt dazu, dass sich die Gesellschaft der Menschen nun in einem „dauernden Konflikt über die gemeinsamen Grundlagen des Handelns“ (Valadier 1986, 40) befindet. Dies wird auch in der heutigen Gesellschaft sichtbar, die „eindeutig bereits das Ergebnis der Säkularisierung“ (Raes 1986, 33) ist. 

Es ist jedoch nicht einfach jede Religion verschwunden. Die Religionen sind immer noch vorhanden, wurden und werden aber „in die Privatsphäre des einzelnen oder der Familie verwiesen“ (Raes 1986, 11). Damit haben sie, bewirkt durch die Säkularisierung, keinen direkten Einfluss mehr auf den Staat und die Politik.

 

Literatur

DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (Hrsg.): Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. https://www.dwds.de/wb/s%25C3%25A4kularisieren [02.02.2019].

Raes, Jean (1986): Die Säkularisierung. In: Kerber, Walter (Hrsg.): Säkularisierung und Wertewandel. Analysen und Überlegungen zur gesellschaftlichen Situation in Europa. München: Peter Kindt, 11–34 (= Fragen einer neuen Weltkultur. Veröffentlichungen des Forschungs- und Studienprojekts der Rottendorf-Stiftung an der Hochschule für Philosophie, Band 2).  

Schrey, Heinz-Horst (1981): Einführung. In: ders. (Hrsg.): Säkularisierung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1–48 (= Wege der Forschung, Band CDXXIV). 

Valadier, Paul (1986): Kritische Fragen zur Säkularisierung. In: Kerber, Walter (Hrsg.): Säkularisierung und Wertewandel. Analysen und Überlegungen zur gesellschaftlichen Situation in Europa. München: Peter Kindt, 35–52 (= Fragen einer neuen Weltkultur. Veröffentlichungen des Forschungs- und Studienprojekts der Rottendorf-Stiftung an der Hochschule für Philosophie, Band 2). 

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
7. März 2019

Säkularisierung

Der Begriff Säkularisierung ist nicht eindeutig definiert, sondern umstritten. Er stammt vom lateinischen Wort saeculum und bedeutet „Zeitalter“, „Jahrhundert“, aber auch „Welt“ oder „weltlich (gesinnt)“ (DWDS […]