Ethnopluralismus

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Ethnopluralismus

Der Ethnopluralismus ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten. Der Begriff leitet sich vom griechischen ethnos „Volk“ sowie dem lateinischen pluralis „Mehrzahl“ ab und propagiert die Vielfalt der Völker. Der von Eichberg* geprägte Ausdruck wird auch als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet. Kern der Theorie ist die Annahme grundsätzlicher, unveränderlicher Eigenschaften von Menschengruppen. Zudem betonen Ethnopluralisten, dass jede Gruppe umso stärker sei, je ähnlicher sich die jeweiligen Angehörigen seien. Eine biologistische Argumentationsweise tritt in den Hintergrund, während vielmehr einzigartige kulturelle Identitäten bestärkt werden (vgl. Kellershohn 2016, 284–286).

Ein Praxisbeispiel für Ethnopluralismus kann die Einführung einer Politik sein, die darauf abzielt, dass verschiedene ethnische oder kulturelle Gruppen innerhalb einer Gesellschaft in separierten Gebieten oder Regionen leben. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass bestimmte Gebiete einer Stadt oder eines Landes bestimmten ethnischen Gruppen vorbehalten sind und die Bewohner dieser Gebiete ihre kulturellen und ethnischen Traditionen in geschützten und isolierten Umgebungen bewahren können. Ein konkretes Beispiel ist die Politik des „Apartheid“ Regimes in Südafrika bis 1994 sein. Während dieser Zeit wurden die verschiedenen ethnischen Gruppen räumlich voneinander getrennt, um eine angebliche „Ethnopluralität“ zu fördern. Dies führte zu erheblicher sozialer Ungleichheit und Diskriminierung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen, insbesondere der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, und verstärkte ethnische Spannungen und Konflikte.

Ethnopluralismus – kultureller Rassismus

Es handelt sich um einen Rassismus, „der – jedenfalls auf den ersten Blick – nicht mehr die Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker über andere postuliert, sondern sich darauf ‚beschränkt‘, die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung und die Unvereinbarkeit der Lebensweisen und Traditionen zu behaupten“ (Balibar 1990, 28). Konzepte von ‚Rasse‘ werden durch begriffliche Platzhalter wie etwa ‚Kultur‘ oder ‚Ethnie‘ ersetzt, um alte Konzepte modernisiert wirken zu lassen. Diese Ausdrücke haben aber ähnliche Konnotationen wie Rasse, weshalb die Rassismusforschung auch von einem Übergang vom genetischen zum kulturellen Rassismus spricht (vgl. Hall 2000, 11). Indem argumentiert wird, dass die Trennung der Gruppen notwendig ist, um kulturelle Identität zu bewahren, impliziert es die Annahme einer natürlichen Hierarchie zwischen den verschiedenen Gruppen. Diese Hierarchisierung von Gruppen basiert oft auf unhaltbaren Stereotypen und Vorurteilen. Der Ethnopluralismus leugnet die Gleichwertigkeit aller Menschen und legitimiert die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Diese Ideologie fördert somit eine Form des Rassismus, indem sie die Unterschiede zwischen den Gruppen betont und eine Kluft zwischen ihnen schafft. Zudem führt der Ethnopluralismus zu einem Konzept der „kulturellen Reinheit“, das die Existenz von Mischkulturen oder einer multikulturellen Gesellschaft ablehnt. Dies kann zu einer Ablehnung von Einwanderung und einer Abschottung gegenüber anderen Kulturen führen, was wiederum zu Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Menschen anderer ethnisch-kultureller Hintergründe führt.

Heterogenität wird geleugnet

Laut dem Philosophen Étienne Balibar* ist der Ethnopluralismus ein Rassismus, „dessen vorherrschendes Thema nicht mehr die biologische Vererbung, sondern die Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen ist“ (Hall 2000, 11). Denn „unter Bezug auf anthropologische, ethnologische und psychologische Erkenntnisse wird die Objektivität einer Vielfalt und Ungleichheit der Völker – im differentialistischen Sinne – betont“ (Lausberg 2013, 173). Nicht mehr die Höherwertigkeit der eigenen Kultur oder Nation wird propagiert, sondern es werden „festgelegte kulturell-territoriale Einheiten […] als Kulturkreise homogenisiert. Heterogenität innerhalb der gefassten Kulturen wird dabei genauso geleugnet wie historische Verbindungen und Kontinuität zwischen den konstruierten Einheiten.“

 

*Eichberg studierte Sportwissenschaft, Geschichte und Soziologie an der Deutschen Sporthochschule in Köln und der Universität Kopenhagen. Mit seiner Promotion im Jahr 1974 legte er den Grundstein für seine akademische Karriere. 1985 habilitierte er sich an der Universität von Osnabrück und wurde dort später zum Professor ernannt. Er prägte den Begriff des Ethnopluralismus, der eine umstrittene Theorie darstellt. Eichberg argumentierte, dass unterschiedliche Kulturen und Ethnien unabhängig voneinander in separierten Räumen existieren sollten, um ihre jeweilige Identität und Eigenständigkeit zu bewahren. In seiner Sichtweise sollte der Ethnopluralismus als eine Alternative zur multikulturellen Gesellschaft dienen, in der verschiedene Kulturen miteinander interagieren und sich verändern. Eichberg betonte, dass der Ethnopluralismus auf der Idee der „kulturellen Vielfalt“ beruht, die er als natürliche Tendenz in der menschlichen Entwicklung ansah. Seiner Meinung nach seien Kulturen und Ethnien untereinander nicht gleichwertig, sondern hätten ihre jeweiligen Spezifika und Eigenheiten, die es zu bewahren gelte. Die Theorie des Ethnopluralismus wurde jedoch von vielen Kritikern als rassistisch und menschenfeindlich betrachtet. Sie argumentieren, dass hinter dem Konzept des Ethnopluralismus eine ideologische Neigung zur Abschottung und Ausgrenzung anderer Kulturen steckt.

*Étienne Balibar ist ein französischer Philosoph und Politiker. Er wurde am 23. April 1942 in Avallon, Frankreich geboren. Balibar ist bekannt für seine Arbeit in den Bereichen Marxistische Philosophie, politische Theorie und Postkolonialismus. Er studierte an der École Normale Supérieure in Paris, wo er ein Schüler des renommierten Philosophen Louis Althusser war. Balibar war maßgeblich an der Entwicklung der Althusserianischen Schule des Marxismus beteiligt und wurde später einer ihrer Hauptvertreter. Er hat eine Vielzahl von Buchtiteln veröffentlicht, darunter „Überschneidungen: Das Politische und der Historische Materialismus“, „Spinoza und die Politik“ und „Gleichheit und Äquivalenz“. In diesen Werken untersucht er verschiedene Aspekte der marxistischen Theorie, wie die Bedeutung der Klassenkämpfe, die Rolle des Staates und die Frage der Gerechtigkeit. Balibar ist zudem für seine Arbeiten zur Postkolonialismus-Theorie bekannt. Er hat sich intensiv mit Fragen der Gewalt, Identität, Kultur und Globalisierung auseinandergesetzt und dabei das Erbe des Kolonialismus und die damit verbundenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten untersucht. Neben seiner akademischen Karriere ist Balibar auch politisch aktiv. Er war ein aktives Mitglied der französischen kommunistischen Partei und hat sich für linke Politik eingesetzt. Er war außerdem ein Befürworter der europäischen Integration und hat sich für eine gerechtere und sozial gerechtere Gesellschaft eingesetzt.

 

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Literatur

Balibar, Étienne (1990): Gibt es einen „Neo-Rassismus“? In: Balibar, Étienne/ Wallerstein, Immanuel (Hrsg.): Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Hamburg: Argument, 23–39.

Hall, Stuart (2000): Rassismus als ideologischer Diskurs. In: Räthzel, Nora (Hrsg.): Theorien über Rassismus. Hamburg: Argument, 7–16.

Kellershohn, Helmut (2016): Umvolkung. In: Gießelmann, Bente/ Heun, Robin/ Kerst, Benjamin et al (Hrsg.): Handwörterbuch rechtsextremistischer Kampfbegriffe. Schwalbach: Wochenschau Verlag, 284–286.

Lausberg, Michael (2013): Das Thema Migration in der Jungen Freiheit und der Deutschen Stimme. In: Kellershohn, Helmut (Hrsg.): Die deutsche Stimme in der jungen Freiheit. Münster: Unrast, 164–194.

Ethnopluralismus | Rechtsextremismus | bpb.de

 

Transkript zum Erklärfilm

Der Ethnopluralismus ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten. Der Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern für „Volk“ und „Mehrzahl“ ab und propagiert die Vielfalt der Völker. Ethnopluralismus wird auch als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet: Konzepte von ‚Rasse‘ werden durch begriffliche Platzhalter wie ‚Kultur‘ oder ‚Ethnie‘ ersetzt, um den Rassismus modernisiert wirken zu lassen. Kern der Theorie ist die Annahme grundsätzlicher, unveränderlicher Eigenschaften von Menschengruppen. Zudem betonen Ethnopluralisten, dass jede Gruppe umso stärker sei, je ähnlicher sich die jeweiligen Angehörigen seien. Nach der Ethopluralismustheorie können kulturelle Differenzen nicht überbrückt werden, weshalb interkulturelle Kontakte schädlich für den Zusammenhalt einer kulturellen Gruppe seien. Die Heterogenität innerhalb der einzelnen Kulturen sowie historische Verbindungen zwischen verschiedenen Kulturkreisen werden für diese Argumentation geleugnet.

 

Eine wahre interkulturelle Begebenheit wird in dem Buch Intercultural stories: Menschliche Begegnungen aus aller Welt – lustig, lehrreich, lebensecht von Benjamin Haag geschildert:  

Kompliment

Mein Geigenlehrer ist Brasilianer. In der ersten Stunde nach den Sommerferien, in denen kein Unterricht stattgefunden hatte, fragte er mich plötzlich mitten in der Stunde: „Sag mal, hast du zugenommen?“ Ich war ziemlich überrascht und sagte zunächst gar nichts. Das nahm er zum Anlass, seine Überlegungen weiter auszuführen: „Vielleicht bist du auch einfach nur unvorteilhaft angezogen und wirkst dadurch fülliger.“ Mein abweisendes „Ähm… ich weiß nicht“ muss ihn wohl stutzig gemacht haben, jedenfalls fragte er auf einmal, ob es in Deutschland nicht üblich sei, sich auf so etwas anzusprechen. Als ich dies bestätigte, entschuldigte er sich bei mir und betonte, dass in Brasilien derlei Fragen keineswegs als unhöflich gelten, sondern im Gegenteil Aufmerksamkeit ausdrücken würden. In der nächsten Stunde war es ihm dennoch wichtig zu erwähnen, dass er sich getäuscht habe und ich nicht im Geringsten an Gewicht zugelegt hätte.